Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Skandalautor aus Wandersleben
Zum 300. Todestag Menantes’, der im Hochbarock mit galanten Romanen Furore machte
Zu Lebzeiten genoss Christian Friedrich Hunold (16801721), genannt Menantes, eher den Ruhm eines Skandalautors; in unseren Tagen wäre er vergessen, hätte ihm nicht ein lokalpatriotisches Häuflein um den Pfarrer Bernd Kramer in seinem Geburtsort Wandersleben 2005 eine Gedenkstätte eingerichtet und ihn mit einem Menantes-Preis für erotische Dichtkunst wieder im Thüringer literarischen Gedächtnis verankert. So erinnert man heute – in aller Stille – an den merkwürdigen Helden aus Anlass seines 300. Todestages.
Hunold, als Sohn eines Gräflich Gleichen-Hatzfeldtischen Pachtmanns geboren, wurde als junger Vollwaise Erbe eines beträchtlichen Vermögens. So konnte er das prominente Weißenfelser Augusteum besuchen und ab 1698 Jura in Jena studieren, wo er allerdings derart dem galanten Lebensstil frönte, dass ihm bald das Geld ausging. Die Taschen leer, entfloh er im Winter 1700 gen Hamburg, wurde Anwaltsgehilfe – und entschloss sich zur Schriftstellerei. Bereits sein erster Roman „Die verliebte und galante Welt“wurde ein Hit, der verkrachte Student ein Bestseller-Autor.
Menantes hatte mit seinem galanten Geplänkel den Geschmack der Zeit getroffen, sein Verleger Liebernickel entgalt ihn, wie bei Groschenromanen lange Zeit üblich, pro Druckseite. Drei weitere Romane, die ebenfalls um Herz, Schmerz,
Liebe und Abenteuer kreisen, folgten binnen sechs Jahren, dazu Gedichtbände, Opernlibretti und ein protestantisches Oratorium, das Reinhard Keiser, Star-Komponist der Gänsemarkt-Oper, vertonte. Plötzlich war Hunold obenauf und kam in Kontakt mit gehobenen Gesellschaftskreisen.
Schon das üppige Prosawerk „Der Europäischen Höfe Liebesund Heldengeschichte“(1705) hatte Menantes in der Manier eines Schlüsselromans verfasst und über die Hansestadt hinaus beim lüsternen Publikum die Erregung genährt. Doch dann überspannte er den Bogen und machte sich im „Satyrischen Roman“(1706) weidlich über allzumenschliche Hamburger Libertinagen her.
Den Skandal können wir heute kaum nachvollziehen, doch musste Hunold sich Hals über Kopf aus dem Staub machen, um der juristischen Verfolgung zu entgehen. Allzu getreu hatte er seinen Vorsatz aus dem Vorwort erfüllt, wo es heißt:: Satyren „sind nichts anders / als eine Durchziehung der Laster der Welt / welche man an statt einer ernsthafften mit einer lächerlichen und ungeheuchelten Manier abzuschildern bemühet ist; und weil in der Liebe die grösten und possierlichsten Schwachheiten vorgehen / so kan es einem wohl selten an Materie in Satyrischen Romanen mangeln.“
Hunold wurde zur Persona non grata, und eine Anstellung andernorts schien außerhalb jeder Reichweite. Er kehrte zurück nach Wandersleben, läuterte seinen Geist und zog schließlich nach Halle, wo er in Jura promovierte, Familie gründete und dozierte. Im 41. Lebensjahr erlag er dort der Tuberkulose.
Das Bekannteste, das er uns hinterlässt, ist der Text der Bach-Kantate „Ich bin in mir vergnügt“BWV 204: „In sich selber muss man finden/ Perlen der Zufriedenheit.“Am Ende mag ihm das beschieden gewesen sein – auch wenn der Buchhandel in seinem Namen nahezu nichts mehr parat hält. Von den modernen Anthologien des MenantesPreises, der 2022 wieder ausgelobt wird, einmal abgesehen.