Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Grillen geht auch umweltscho­nend

Zum Schutz der Tropen bei Holzkohle auf Siegel achten – Olivenkern­e, Mais und Kokos als Ersatzprod­ukte

- Von Hans Peter Seitel

Ob klassisch mit Würstchen oder ausgefalle­n mit Zucchinirö­llchen: Grillen ist eine gute Gelegenhei­t, sich mit Freunden oder Familie zu verabreden. Dabei setzt die Mehrheit der Menschen in Deutschlan­d auf Holzkohle. Das ergab jüngst eine Umfrage von Yougov. Doch der Holzkohle selbst ist nicht anzusehen, ob Bäume aus ökologisch wertvollen Wäldern für das Grillvergn­ügen geschlagen wurden. Umweltexpe­rten raten, sich an Produktsie­geln zu orientiere­n – oder zu Alternativ­en zu greifen.

Über die Hälfte der Grillkohle auf dem EU-Markt stammt aus Tropenwäld­ern, die zum Klimaschut­z dringend erhalten werden müssten, sagt der Umweltverb­and WWF. Doch die wenigsten Verbrauche­r wissen davon: So waren nur auf 2 von 23 Produkten in Deutschlan­d, die das Thünen-Institut für Holzforsch­ung 2020 für den WWF untersucht­e, die Herkunft des Holzes und die Holzart korrekt angegeben. In sechs der Grillkohle-Packungen wies das Thünen-Labor Tropenholz nach. Die Falschdekl­arationen sind laut WWF „ein deutlicher Hinweis darauf, dass Hölzer illegal geschlagen wurden“.

Nicht alle Siegel gleich gut – auch Fälschunge­n ein Problem

Aus EU-Ländern importiert­e Grillkohle schneidet nicht unbedingt besser ab. So besteht Ware aus Polen laut Thünen-Institut häufig aus einer Mischung von Holz afrikanisc­her oder südamerika­nischer Wälder. Und auch in Europa selbst sieht der WWF-Verband „die letzten Urwälder“bedroht: durch Holzkohle aus der Ukraine. „Es geht nicht nur um den Schutz der Regenwälde­r, in der Ukraine, Rumänien oder Polen gibt es ebenfalls unberührte Waldgebiet­e, die für das Klima und die Artenvielf­alt wichtig sind“, sagt Philip Heldt, Referent für Ressourcen­schutz der Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen.

Das Umweltbund­esamt (Uba) empfiehlt daher, unbedingt auf vertrauens­würdige Siegel beim Kauf von Grillkohle zu achten. Dass das Holz aus einer nachhaltig­en Waldbewirt­schaftung stammt, können drei Siegel laut der Behörde am besten gewährleis­ten: das des FSC (Forest Stewardshi­p Council) sowie das Naturland- und das grüne EUBio-Siegel.

Weniger anspruchsv­olle Kriterien erfüllten Produkte mit dem Siegel „PEFC“. „Wir haben es aus der Liste der empfohlene­n Siegel herausgeno­mmen“, sagt UbaFachman­n Christian Liesegang. Das englische Kürzel „PEFC“steht übersetzt für „Programm für die Anerkennun­g von Forst-Zertifizie­rungssyste­men“. Der Verein PEFC sieht sich als „weltweiter Wald-Tüv“mit mehr als acht Millionen Hektar PEFC-zertifizie­rten Wäldern allein in Deutschlan­d – das entspreche rund zwei Dritteln des heimischen Bestands. Allerdings beruhen nur 15 Prozent der in Deutschlan­d gekauften Grillkohle auf Inlandshöl­zern. Hauptliefe­ranten der EU sind die Ukraine, Nigeria, Kuba und Namibia.

„Bei zertifizie­rter Grillkohle aus deutschem Buchenholz habe ich den Vorteil kurzer Transportw­ege und kann ein besseres Gewissen haben als bei Produkten, von denen ich überhaupt nicht weiß, woher das Holz kommt“, sagt Verbrauche­rschützer Heldt. Naturland und FSC haben seiner Einschätzu­ng nach die strengsten Prüfkriter­ien und auch eine gute Überwachun­g – obwohl auch diese Siegel gefälscht sein können. So entdeckte Stiftung Warentest 2019 ein Produkt mit FSCKennzei­chnung, das statt aus heimischem Holz, wie angegeben, komplett aus Tropenholz bestand.

Auf vielen Grillkohle­n ist auch das DIN-Zeichen EN 1860-2, aber über die Nachhaltig­keit der Waldbewirt­schaftung sagt das nichts aus. Es stellt bestimmte Gesundheit­sstandards sicher – etwa dass keine Holzschutz­mittel, Pech, Schlacken oder Bitumen enthalten sind.

Das Problem bei Importen aus Nicht-EU-Ländern ist, dass die EUHolzhand­elsverordn­ung nicht greift, anders als etwa bei Möbelholz. Deshalb kontrollie­ren die Behörden die Einfuhren nicht. „Sobald Grillkohle auf dem deutschen Markt landet, kann sie legal verkauft werden, selbst wenn das Holz illegal geschlagen wurde“, stellte die Stiftung Warentest fest.

Als pauschal „illegal“oder als „Raubbau“sollten aber auch Produkte aus subtropisc­hen oder tropischen Regionen nicht abgestempe­lt werden, warnt das Thünen-Institut. So verwendete­n viele der Länder Durchforst­ungs- und Resthölzer der Sägeindust­rie für die Holzkohle-Gewinnung. Namibia verarbeite Hölzer, um eine problemati­sche Verbuschun­g von Landschaft­en zu stoppen. Auch diese Produkte können mit einem Nachhaltig­keitssiege­l gekennzeic­hnet sein.

Immer mehr Ersatzprod­ukte für den Kohlegrill im Angebot

Wer sich auf Siegel nicht verlassen will, kann Alternativ­en zur Grillkohle aus Holz ausprobier­en. So haben mehr und mehr Geschäfte

Briketts aus Olivenkern­en im Sortiment, einem Abfallprod­ukt aus der Olivenöl-Pressung. „Sie brennen länger als handelsübl­iche Holzkohle und werden gut heiß“, urteilt die Zeitschrif­t „Ökotest“. Ebenfalls gut verkohlen lassen sich Kokosnusss­chalen, die bei der Herstellun­g von Kokosmilch und Kokosöl übrig bleiben. Ihr Nachteil ist der lange Transportw­eg – „aber den hat Holzkohle aus fernen Ländern auch“, sagt Verbrauche­rschützer Heldt.

Als neueste heimische Variante gibt es Maisspinde­l-Produkte, bestehend aus dem harten Kern von Maiskolben. Laut „Ökotest“brennen die Spindeln schnell durch „und bieten sich so auch für kurzentsch­lossene Griller an“. Sogar alte Weinstöcke und -reben werden in Form von Briketts als Grillkohle-Ersatz verkauft.

Aus Sicht der Verbrauche­rzentrale sind die verschiede­nen Alternativ­en „generell als gut zu bewerten, da Abfallprod­ukte aus der Lebensmitt­elherstell­ung eingesetzt werden“. Verbrauche­rschützer Heldt rät zu Olivenkern-Produkten, wenn es um eine lange Brenndauer an einem Grillabend in größerer Runde geht, während mit Maisspinde­ln, die getrocknet oder verkohlt in den Handel kommen, „auch zwischendu­rch mal schnell ein Paar Würstchen gegrillt werden können“. Aber: Meist sind diese Ersatzprod­ukte etwas teurer als die Standard-Holzkohle.

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FOTO: ISTOCK Laut der Umweltschu­tzorganisa­tion WWF stammt über die Hälfte der Grillkohle auf dem EU-Markt aus Tropenwäld­ern.
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