Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Kauls Kampfansage
Der Weltmeister ist beim Sieg von Damian Warner nur trauriger Zuschauer
Für Niklas Kaul war es ein weiterer schmerzhafter Moment, als einen Tag nach seinem OlympiaAus im Zehnkampf Gold, Silber und Bronze verteilt wurden. „Ganz großen Spaß machte es nicht, weil man selbst auf der Bahn hätte stehen können“, sagte der 23 Jahre alte Weltmeister, der auf der Tribüne des Olympiastadions die Kür der Medaillengewinner miterlebte. Der Mainzer hatte bis zu seiner im Hochsprung erlittenen Fußverletzung gut im Rennen gelegen.
Ob es gereicht hätte, Damian Warner aus Kanada, der mit dem neuen olympischen Rekord von 9018 Punkten Gold gewann, oder Weltrekordler Kevin Mayer (Frankreich/8726) sowie Ashley Moloney (Australien/8649) von einem Medaillenrang fernzuhalten? „Es ist umso schmerzhafter, aufgeben zu müssen, wenn es gut läuft und man ein Wörtchen hätte mitreden können“, bekannte Kaul.
Bei den abschließenden knapp vier Stadionrunden hatte Warner sich noch einmal quälen müssen, um als vierter Athlet nach Roman Sebrle (9026), Ashton Eaton (9045) und Weltrekordler Mayer (9126) dem exklusiven Klub der 9000er beitreten zu dürfen.
Die Enttäuschung bei Kaul saß derweil auch am Tag nach dem Ausscheiden noch tief. „Ich bin aber froh, dass mit dem Fuß nix ist. Da sind keine bleibenden Schäden“, berichtete der Pechvogel, der am Ende Glück hatte. Das Sprunggelenk im Fuß wurde beim Absprung über 2,11 Metern nur gequetscht. Eine Kernspintomographie ergab: Nichts gerissen, keine Fraktur. „Dass die Verletzung bei einem
Sprung über eine Bestleistung passiert, sorgt für eine Achterbahn der Gefühle“, so Kaul.
„Das muss ich erst einmal verarbeiten und meinem Körper die nötige Ruhe geben. Wenn der Fuß wieder voll belastbar ist, beginnt dann das Training für die WM in Eugene und die EM in München“, sagte er weiter. „Das Ziel der OlympiaMedaille
muss ich mir dann wohl noch für Paris 2024 aufsparen.“
Wacker schlug sich bis zum abschließenden 1500-Meter-Lauf Kai Kazmirek, der einen Zehnkampf mit Höhen und Tiefen erlebte. Der 30-Jährige von der LG Rhein-Wied kam am Ende mit 8126 Punkten auf den 14. Rang. „Der rote Faden hat komplett gefehlt. Ich bin ein bisschen enttäuscht, geschockt und verwundert“, meinte Kazmirek.
Niklas Kaul trauerte als Zaungast auf der Tribüne nicht nur über sein missglücktes Olympia-Debüt, sondern fieberte mit Trainingspartnerin Carolin Schäfer mit. „Ein bisschen Daumendrücken bekomme ich hin. Es ist ja nur der Fuß, der weh tut“, meinte Kaul mit Galgenhumor.
Die ehemalige WM-Zweite Schäfer verpasste trotz dieser Unterstützung dennoch wie schon 2016 in Rio de Janeiro eine Medaille, wo sie Fünfte wurde. Mit 6419 Punkten kämpfte sich die 29-jährige Frankfurterin trotz eines Rückschlages in der Olympia-Vorbereitung auf den siebten Platz. „Der siebte Platz fühlt sich fast an wie eine Medaille. Das macht mich sehr stolz und glücklich“, sagte sie. Die fünf Jahre jüngere Debütantin Vanessa Grimm landete mit 6114 Punkten auf dem 19. und vorletzten Rang. OlympiaGold gewann Nafissatou Thiam (Belgien) mit 6791 Zählern.
Viel früher als Kaul wäre um ein Haar Schäfer schon vor den Spielen auf der Strecke geblieben. Nebenwirkungen einer Corona-Impfung verwandelten die Weltklasseathletin acht Wochen in ein Häuflein Elend. „Mein Nervensystem war lahmgelegt, der Fettstoffwechsel funktionierte nicht“, so Schäfer. „Es war eine herausfordernde Zeit, die viel Kraft gekostet hat.“