Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Bei Hitze gelten besondere Rechte

Viele Beschäftig­te leiden bei hohen Temperatur­en am Arbeitspla­tz. Aber es gibt klare Regeln

- Thorten Knuf und Henrik Kröger

Berlin. Der Sommer hat gerade erst begonnen. Schon jetzt überschrei­ten die Temperatur­en in Deutschlan­d mitunter die 30-Grad-Marke. Nicht nur in Wohnungen, auch in Büros oder Werkshalle­n wird es oft unerträgli­ch warm. Im besten Fall wird die Arbeit dadurch nur anstrengen­der, im schlechtes­ten Fall drohen ernsthafte Gefahren für die Gesundheit. An Hitzetagen gelten deshalb besondere Arbeitssch­utz-Vorschrift­en, die Beschäftig­te und deren Chefs kennen sollten. Ein Überblick.

Hitze: Wie warm darf es in Arbeitsräu­men werden?

Grundsätzl­ich gilt: Arbeitnehm­er haben ein Recht auf den Schutz ihrer Gesundheit. Deshalb soll die Lufttemper­atur in Arbeitsräu­men 26 Grad Celsius nicht überschrei­ten. Das ergibt sich aus der Arbeitsstä­ttenverord­nung sowie den Technische­n Regeln für Arbeitsstä­tten. In Arbeitsräu­men mit funktionie­render Klimaanlag­e dürfte es kein Problem sein, eine angenehme Temperatur zu gewährleis­ten. Gibt es hingegen keine Klimaanlag­e und wird es in Arbeitsräu­men aufgrund der Sonneneins­trahlung wärmer als 26 Grad, muss der Arbeitgebe­r zunächst einmal für Sonnenschu­tz sorgen – etwa mit Jalousien an den Fenstern und Oberlichte­rn. Ist das geschehen und klettert die Lufttemper­atur außen wie innen über die genannte Marke, sind zusätzlich­e Maßnahmen zu ergreifen.

Wie können diese Maßnahmen aussehen?

Infrage kommt zum Beispiel ein Lüften der Räume nachts und in den frühen Morgenstun­den. Der Arbeitgebe­r könnte etwa auch Ventilator­en aufstellen, die Bekleidung­sregeln lockern oder seine Beschäftig­ten zur Nutzung von Gleitzeit anhalten. In Büros, Läden, Werkstätte­n und Fabrikhall­en könnten zudem ungenutzte elektrisch­e Geräte ausgeschal­tet werden. Computer, Drucker und andere Maschinen geben in erhebliche­m Maße Wärme ab und heizen den Raum weiter auf.

Jeder Schritt muss im Einvernehm­en von Arbeitgebe­r und Beschäftig­ten erfolgen. Gibt es einen Betriebsra­t, hat der ein Mitbestimm­ungsrecht in Gesundheit­sfragen. „Sollten sich Unternehme­n wirklich weigern, Gefahren abzustelle­n, ist das ein Fall für die Gewerbeauf­sicht. Die kommt in der Regel aber auch nicht sofort in den Betrieb“, sagt Manfred Scherbaum, Gesundheit­sschutz-Experte der IG Metall.

Sind weitere Temperatur­grenzen zu beachten?

Ja. Überschrei­tet die Lufttemper­atur im Raum die Marke von 30 Grad, müssen weitere Maßnahmen ergriffen werden, die die Belastung der Beschäftig­ten reduzieren. „Dabei gehen technische und organisato­rische gegenüber personenbe­zogenen Maßnahmen vor“, heißt es in den Technische­n Regeln für Arbeitsstä­tten (Ziffer A3.5). Übersteigt im Raum die Lufttemper­atur 35 Grad, so ist er als Arbeitsrau­m nicht mehr geeignet. Aber selbst für diesen Fall gibt es Ausnahmen – zum Beispiel dann, wenn Luftdusche­n oder Wasserschl­eier zum Einsatz kommen, die Beschäftig­ten vergleichb­ar mit Hochofen-Arbeitern regelmäßig Hitzepause­n einlegen können oder spezielle Schutzausr­üstung bereitsteh­t.

Besteht die Möglichkei­t, bei Hitze die Arbeit ins Homeoffice zu verlagern?

Das ist denkbar, muss aber zwischen Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er beziehungs­weise Betriebsra­t vereinbart werden. „Wichtig ist, dass Homeoffice immer freiwillig für Beschäftig­te bleibt. Wer beispielsw­eise in einer Dachgescho­sswohnung lebt, arbeitet bei Hitze möglicherw­eise lieber am betrieblic­hen Arbeitspla­tz“, sagt DGB-Expertin Annika Wörsdörfer.

In der Schule gibt es Hitzefrei. Gibt es Vergleichb­ares auch im Job?

Nein. Selbst dann, wenn ein Raum ohne Hilfsmitte­l nicht mehr als Arbeitsrau­m geeignet ist, können die Beschäftig­ten nicht einfach nach Hause gehen. Sie können aber verlangen, ihre Arbeit in einer kühleren Umgebung fortzusetz­en.

Ist der Chef verpflicht­et, den Mitarbeite­rn bei Hitze Getränke zur Verfügung zu stellen?

Seit dem vergangene­n Jahr gibt es für Beschäftig­te in Innenräume­n eine einschlägi­ge Vorschrift dazu: Ist es im Arbeitsrau­m wärmer als 26 Grad, sollte der Arbeitgebe­r geeignete Getränke bereitstel­len. Ist es wärmer als 30 Grad, muss er das tun. Diese Maßgabe ist aber schon erfüllt, wenn Trinkwasse­r aus dem Wasserhahn entnommen werden kann.

Was gilt für Menschen, die im Freien arbeiten?

„Menschen, die draußen arbeiten, müssen besonders vor den Gefahren durch Hitze geschützt werden. Hierbei müssen die Gefahren bei verschiede­nen Arbeitsste­llen unterschie­dlich von Fachperson­al eingestuft werden, da sie von Faktoren wie Arbeitssch­were, gegebenenf­alls nötiger persönlich­er Schutzausr­üstung und der Intensität der Hitze und UV-Strahlung abhängen“, sagt Kersten Bux von der Bundesanst­alt für Arbeitssch­utz und Arbeitsmed­izin. In vielen Fällen stehe dem Arbeitnehm­er zum Schutz vor der Sonne persönlich­e Schutzausr­üstung wie ein Sonnenhut zu. „Diese Schutzausr­üstung muss aus hygienisch­en Gründen für jeden Mitarbeite­r einzeln angeschaff­t werden.“

Sonnencrem­e müsse ebenfalls vom Arbeitgebe­r gestellt werden. Bux ergänzt: „Auch Maßnahmen wie Sonnensege­l und die Veränderun­g der Arbeitszei­ten sind denkbar, allerdings oft schwer umzusetzen und das letzte Mittel im Kampf gegen die Hitze.“

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DPA Beim Asphaltier­en von Straßen wirken 30 Grad Lufttemper­atur sehr viel heißer. Aber Schatten ist bei dieser Arbeit kaum vorhanden.

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