Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Hilfen für SED-Opfer erleichtern
Bundesbeauftragte fordert einfacheren Weg zur Anerkennung von Gesundheitsschäden
Im Herbst des vergangenen Jahres stellte der Thüringer Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur (ThLA) seinen Bericht „Geteilte Erfahrungen“über die Lage von Opfern des SED-Unrechts vor. Darin gaben 40 rehabilitierte Betroffene in Interviews detailliert Auskunft über ihre Verfolgungsgeschichte, ihren Umgang damit, ihre Erfahrungen mit der Rehabilitierung sowie über ihre aktuelle Lebenssituation.
Wichtig war den Befragten, dass die wissenschaftliche Forschung zu Langzeitfolgen verfolgungsbedingter Gesundheitsschäden intensiviert wird und die Ergebnisse ihren gesetzlichen Niederschlag etwa bei der Anerkennung und Wiedergutmachung des Leids finden. Zudem wurde die Erweiterung der Anspruchsberechtigung der sogenannten „Opferrente“auf weitere Opfergruppen wie verfolgte Schüler sowie eine Anerkennung der Haftzeit ohne die bisher nötige Mindesthaftzeit von 90 Tagen gefordert.
In einem Sonderbericht legt nun die SED-Opferbeauftragte des Bundes, Evelyn Zupke, nach. Zahlreiche Opfer von politischer Verfolgung in der SED-Diktatur litten auch mehr als dreißig Jahre nach Ende der DDR noch unter den gesundheitlichen Langzeitfolgen der Repressionserfahrung, schreibt sie. „Nach den traumatischen Erlebnissen der politischen Repression wurde das Erlebte von den Betroffenen zumeist verdrängt. Zudem wurden insbesondere die politischen Häftlinge, die nach ihrer Haft in der DDR verblieben, unter Androhung strafrechtlicher Konsequenzen zum Schweigen über das Erlebte verpflichtet. Sprachräume und Bewältigungsstrategien standen ihnen nicht zur Verfügung. Auch vielen Betroffenen, die durch Häftlingsfreikauf, Flucht oder Ausreise die DDR verließen, war es nicht möglich, sich mit dem Erlebten in adäquater Form auseinanderzusetzen. Die traumatischen Erlebnisse blieben eingeschlossen“, so Zupke in ihrem Bericht.
Lebensverändernde Einschnitte wie der Renteneintritt führten nicht selten dazu, dass Betroffene von den eingekapselten Erinnerungen eingeholt würden. „ Die Schädigungen wiegen häufig so schwer, dass die Betroffenen in ihrer selbstbestimmten Lebensführung nachhaltig beeinträchtig sind. Aufgrund der aktuell geltenden Rahmenbedingungen scheitert jedoch die Mehrheit der SED-Opfer bei der Anerkennung ihrer verfolgungsbedingten Gesundheitsschäden. Insbesondere der Nachweis des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der politisch motivierten Verfolgung und der heutigen gesundheitlichen Schädigung stellt für viele Betroffene eine hohe, oft nicht zu überwindende Hürde dar“, kritisiert die Bundesbeauftragte. Durch das mehrheitliche Scheitern beim Versuch der Anerkennung der Gesundheitsschäden bleibt den Opfern des SED-Unrechts an dieser Stelle der Zugang zu dringend benötigter Hilfe und Unterstützung verwehrt.
Ausdrücklich plädiert Zupke für eine grundlegende Vereinfachung der Anerkennung von verfolgungsbedingten Gesundheitsschäden von SED-Opfern, wie es auch der Koalitionsvertrag vorsehe. Dafür regt sie gesetzliche Anpassungen beim Nachweis des Zusammenhanges von Unrecht und Folgeschäden an. Im Umgang mit SED-Opfern soll es demnach zukünftig ausreichen, bei erwiesenen Repressionen wie politischer Haft und dem Vorliegen definierter Krankheitsbilder, etwa Angststörungen oder PTBS, besagten Zusammenhang regelhaft zu vermuten. Dafür sollten die SEDUnrechtsbereinigungsgesetze, bezogen auf die gesundheitliche Schädigung, um eine Vermutungsregelung ergänzt werden – das helfe den Betroffenen und reduziere die Bürokratie. Schätzungen zufolge gehe es um Entschädigungen für 30.000 bis 40.000 Menschen. Insgesamt gehe man von etwa 200.000 bis 250.000 politische Häftlingen in SBZ und DDR aus.
Anerkennung zollt Zupke auch den Untersuchungen Thüringens zur prekären Lage vieler SED-Opfer. 2008 hatte das Sozialministerium den „Forschungsbericht zur sozialen Lage der Opfer des SEDRegimes“als bundesweit erste umfassende repräsentative Analyse zu den Lebensumständen der Betroffenen veröffentlicht. Andere Arbeiten befassten sich beispielsweise mit der Situation von ehemaligen DDRHeimkindern. Insgesamt zeigten die Ergebnisse der Länderstudien umfassend, wie gravierend sich die politisch motivierte Verfolgung sowohl auf die körperliche als auch die psychische Gesundheit der Betroffenen ausgewirkt habe und gesellschaftlicher Teilhabe verhindert, heißt es dazu im Zupke-Bericht.
Laut Thüringens Landesbeauftragtem Peter Wurschi erfahren Betroffene dann tatsächliche Wertschätzung, wenn ihre Schicksale von der Mehrheitsgesellschaft ernst genommen und gewürdigt werden.