Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Karlsruhe stärkt Rechte leiblicher Väter
Bundesverfassungsgericht erkennt Beschwerde eines Mannes an, der Vaterschaft einklagen wollte. Minister Buschmann sieht mit Urteil Reformpläne bestätigt
So richtig glücklich wirkt Tobias nicht, obwohl er einen Erfolg am höchsten deutschen Gericht erzielt hat. Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechte leiblicher Väter am Dienstag gestärkt. Für den 44Jährigen aus Sachsen-Anhalt bedeutet die Entscheidung aber auch: Er muss weiter um das Recht kämpfen, Vater seines bald vierjährigen Sohnes zu sein. Erst mal ändert sich für ihn nichts. „Von daher habe ich natürlich gemischte Gefühle.“Tobias, der nur seinen Vornamen nennen möchte, würde gerne mehr Verantwortung für seinen Sohn übernehmen. „Aktuell ist lediglich ein eingeschränktes Umgangsrecht für mich möglich als leiblicher Vater.“Das bedeute in seinem konkreten Fall, er dürfe zwei Mal in der Woche jeweils drei Stunden seinen Sohn sehen. „Das ist einfach viel zu wenig.“
Seine Lage sei mit der von Großeltern vergleichbar, erklärt der Kläger aus der Nähe von Halle (Saale). Das liegt daran, dass die Mutter und Tobias nicht verheiratet waren und die Frau kurz nach der Geburt des Kindes ihren neuen Lebensgefährten beim Standesamt als rechtlichen Vater eintragen ließ. Damit war diese Position besetzt. Und weil – nach den bisherigen Regeln ausschlaggebend – der neue Partner mit dem Kind zusammenlebte, hatte Tobias’ Antrag auf Vaterschaft keinen Erfolg. Obwohl er unbestritten der leibliche Vater des Dreijährigen ist.
Die Karlsruher Richterinnen und Richter entschieden nun, dass die gesetzlichen Regelungen zur Vaterschaftsanfechtung durch leibliche Väter verfassungswidrig seien. Denn das Elterngrundrecht müsse auf jeden Fall für die leiblichen Eltern gelten (Az. 1 BvR 2017/21). Das Gericht spricht von leiblichen und nicht biologischen Vätern, weil es in dem Urteil nicht um Fälle etwa von künstlicher Befruchtung geht. Gemeint sind mit leiblichen Eltern Mann und Frau, die miteinander schlafen und so ein Kind zeugen.
Der Erste Senat unter Vorsitz von Gerichtspräsident Stephan Harbundene barth geht in seiner Entscheidung aber noch einen Schritt weiter: Aus rechtlicher Sicht könne ein Kind auch mehr als zwei Elternteile haben. Zum Beispiel könnten auch Mutter, leiblicher Vater und rechtlicher Vater nebeneinander die Elterngrundrechte und die damit ver
Verantwortung übernehmen. Eine Obergrenze definiert das Gericht nicht – schreibt aber, dass die Zahl aufgrund der Kindeswohlorientierung des Grundgesetzes eng begrenzt sein solle.
Damit weicht das Gericht von seiner bisherigen Linie ab – und stößt gleich auf Skepsis: „Es gibt viele Fälle, in denen die Beteiligten Mehrelternschaft wollen, aber sie ausgerechnet in diesem Fall einzuführen, wo es überhaupt niemand will und wo der Streit ja vorprogrammiert ist, das ist absurd“, sagt der Rechtsanwalt der Mutter im konkreten Fall, Dirk Siegfried. Die Frau selbst kam anders als bei der Verhandlung nicht nach Karlsruhe. Bundesjustizminister
Marco Buschmann (FDP) sagte nach dem Urteil, in der Koalition bestehe Einvernehmen, dass das Konzept der Zwei-Elternschaft beibehalten werden solle.
Das Gericht hat den Gesetzgeber verpflichtet, bis Ende Juni 2025 eine neue Regelung zu schaffen. Das ist auch schon in Planung. Durch das Urteil sieht Buschmann seine Reformpläne zum Abstammungsrecht bestätigt. Die von ihm im Januar vorgelegten Eckpunkte sähen genau das vor, was das Gericht gefordert habe, sagte er – nämlich, dass das Recht zur Vaterschaftsanfechtung dringend reformiert und insbesondere die Rechte leiblicher Väter gestärkt werden müssten.