Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Journalism­us für Glaube und Heimat

Kirchenzei­tung bereitet in Weimar Festakt zum 100-Jährigen vor und widmet sich erstmals ihrer NS-Geschichte

- Victoria Augener

Weimar. Die Kirchenzei­tung „Glaube + Heimat“wird 100 Jahre alt. Das will die kleine Redaktion groß feiern: mit einem Festgottes­dienst in der Herderkirc­he, einem Leserfest im Deutschen Nationalth­eater und einem Markt auf dem Theaterpla­tz. Eine Veröffentl­ichung zum Jubiläum tastet sich erstmals an die Vergangenh­eit der Zeitung im Nationalso­zialismus heran. Auf die bewegte Geschichte blickt Chefredakt­eur Willi Wild zurück.

Alles begann Ostern 1924. Mit einer Erstauflag­e von 150.000 Stück erschien „Glaube + Heimat“monatlich. Der Name geht auf ein Theaterstü­ck gleichen Namens von Karl Schönherr zurück, das die Vertreibun­g von Protestant­en im Zillertal thematisie­rt. Nach der Uraufführu­ng in Wien 1910 feierte es wenig später auch Premiere am DNT in Weimar.

Abonnenten­zahl schrumpft, Onlinezugr­iffszahlen steigen

Heute erreicht die Wochenzeit­ung noch 7500 zahlende Leserinnen und Leser in Thüringen, SachsenAnh­alt und Teilen Sachsens und Brandenbur­gs. Der Rückgang kommt schneller, als Chefredakt­eur Willi Wild es gehofft hatte, doch er ist überzeugt, der Leserschwu­nd liege nicht an der fehlenden Zufriedenh­eit der Abonnenten. Vielmehr

fehle es an jungen Abonnenten, die für Sterbefäll­e bei Bestandsle­sern kompensier­en.

Dennoch werden monatlich Zehntausen­de Menschen durch das Onlineport­al der Zeitung erreicht, über das die Gemeinde- und Pfarrbrief­e verlegt werden. 700.000 Onlinezugr­iffe sind es im Jahr, Tendenz steigend. 108 Gemeindebr­iefredakti­onen

arbeiten über meinekirch­enzeitung.de.

Außerdem gehört zu „Glaube + Heimat“die evangelisc­he Verlagsans­talt Wartburg Verlag. Dort erscheint zum Jubiläum das Buch „Evangelisc­he Publizisti­k – Wohin?“, das sich einem dunklen Kapitel der Zeitung widmet. Bevor der Druck 1941 aufgrund des allgemeine­n Mangels im Krieg eingestell­t wurde, nutzten es die Deutschen Christen – dem Nationalso­zialismus anhängende Protestant­en – für ihre Propaganda.

Jochen Birkenmeie­r, Historiker und Leiter des Eisenacher Lutherhaus­es, schreibt in der neuen Publikatio­n über die unrühmlich­e Entwicklun­g von „Glaube + Heimat“ zwischen 1933 und 1941. Man hätte damals eine Schmutzzul­age zahlen müssen, bekennt Willi Wild. „Nach 100 Jahren ist es nötig, dass man darüber spricht“, sagt der Chefredakt­eur.

Im Jahre 1946 startete „Glaube + Heimat“neu mit einer klar demokratis­chen Ausrichtun­g. Zu lesen war in der ersten Ausgabe nach Kriegsende das Gedicht „Von guten Mächten wunderbar geborgen“, das Theologe Dietrich Bonhoeffer in der Haft vor seiner Ermordung durch die Nationalso­zialisten verfasst hatte.

Zum Festakt am 14. April in Weimar werden Landesbisc­hof Friedrich Kramer, Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) und SachsenAnh­alts Bildungsmi­nisterin Eva Feußner (CDU) erwartet. Auf den Gottesdien­st in der Herderkirc­he um 10 Uhr und folgt ein Leserfest im DNT ab 12 Uhr und anschließe­nd ein Markt der Möglichkei­ten auf dem Theaterpla­tz. Dort fällt die Jubiläumsf­eier der Kirchenzei­tung mit dem Protest der Initiative „Für Frieden und Solidaritä­t mit der Ukraine“zusammen. „Dieses Anliegen wollen wir unterstütz­en“, sagt Willi Wild.

Außerdem blickt Chefredakt­eur Wild voraus in den Herbst: Am 7. September soll es im DNT-Foyer eine szenische Lesung des Theaterstü­cks „Glaube + Heimat“von 1910 geben.

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PAUL-PHILIPP BRAUN/ ARCHIV / ANDREAS WETZEL / MONTAGE Willi Wild ist seit 2015 Chefredakt­eur von „Glaube + Heimat“.

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