Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Journalismus für Glaube und Heimat
Kirchenzeitung bereitet in Weimar Festakt zum 100-Jährigen vor und widmet sich erstmals ihrer NS-Geschichte
Weimar. Die Kirchenzeitung „Glaube + Heimat“wird 100 Jahre alt. Das will die kleine Redaktion groß feiern: mit einem Festgottesdienst in der Herderkirche, einem Leserfest im Deutschen Nationaltheater und einem Markt auf dem Theaterplatz. Eine Veröffentlichung zum Jubiläum tastet sich erstmals an die Vergangenheit der Zeitung im Nationalsozialismus heran. Auf die bewegte Geschichte blickt Chefredakteur Willi Wild zurück.
Alles begann Ostern 1924. Mit einer Erstauflage von 150.000 Stück erschien „Glaube + Heimat“monatlich. Der Name geht auf ein Theaterstück gleichen Namens von Karl Schönherr zurück, das die Vertreibung von Protestanten im Zillertal thematisiert. Nach der Uraufführung in Wien 1910 feierte es wenig später auch Premiere am DNT in Weimar.
Abonnentenzahl schrumpft, Onlinezugriffszahlen steigen
Heute erreicht die Wochenzeitung noch 7500 zahlende Leserinnen und Leser in Thüringen, SachsenAnhalt und Teilen Sachsens und Brandenburgs. Der Rückgang kommt schneller, als Chefredakteur Willi Wild es gehofft hatte, doch er ist überzeugt, der Leserschwund liege nicht an der fehlenden Zufriedenheit der Abonnenten. Vielmehr
fehle es an jungen Abonnenten, die für Sterbefälle bei Bestandslesern kompensieren.
Dennoch werden monatlich Zehntausende Menschen durch das Onlineportal der Zeitung erreicht, über das die Gemeinde- und Pfarrbriefe verlegt werden. 700.000 Onlinezugriffe sind es im Jahr, Tendenz steigend. 108 Gemeindebriefredaktionen
arbeiten über meinekirchenzeitung.de.
Außerdem gehört zu „Glaube + Heimat“die evangelische Verlagsanstalt Wartburg Verlag. Dort erscheint zum Jubiläum das Buch „Evangelische Publizistik – Wohin?“, das sich einem dunklen Kapitel der Zeitung widmet. Bevor der Druck 1941 aufgrund des allgemeinen Mangels im Krieg eingestellt wurde, nutzten es die Deutschen Christen – dem Nationalsozialismus anhängende Protestanten – für ihre Propaganda.
Jochen Birkenmeier, Historiker und Leiter des Eisenacher Lutherhauses, schreibt in der neuen Publikation über die unrühmliche Entwicklung von „Glaube + Heimat“ zwischen 1933 und 1941. Man hätte damals eine Schmutzzulage zahlen müssen, bekennt Willi Wild. „Nach 100 Jahren ist es nötig, dass man darüber spricht“, sagt der Chefredakteur.
Im Jahre 1946 startete „Glaube + Heimat“neu mit einer klar demokratischen Ausrichtung. Zu lesen war in der ersten Ausgabe nach Kriegsende das Gedicht „Von guten Mächten wunderbar geborgen“, das Theologe Dietrich Bonhoeffer in der Haft vor seiner Ermordung durch die Nationalsozialisten verfasst hatte.
Zum Festakt am 14. April in Weimar werden Landesbischof Friedrich Kramer, Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) und SachsenAnhalts Bildungsministerin Eva Feußner (CDU) erwartet. Auf den Gottesdienst in der Herderkirche um 10 Uhr und folgt ein Leserfest im DNT ab 12 Uhr und anschließend ein Markt der Möglichkeiten auf dem Theaterplatz. Dort fällt die Jubiläumsfeier der Kirchenzeitung mit dem Protest der Initiative „Für Frieden und Solidarität mit der Ukraine“zusammen. „Dieses Anliegen wollen wir unterstützen“, sagt Willi Wild.
Außerdem blickt Chefredakteur Wild voraus in den Herbst: Am 7. September soll es im DNT-Foyer eine szenische Lesung des Theaterstücks „Glaube + Heimat“von 1910 geben.