Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Weimar nach der Cannabis-Legalisierung
Seit vergangener Woche ist „Gras“legal. Was sich schon jetzt geändert hat. Immer wieder Besuch von der Lebensmittelüberwachung
Seit dem 1. April ist im Hanf-Kontor in Weimar alles anders: Kunden fragen Matthias Stelzer täglich, ob sie Stecklinge kaufen können, ob es Saatgut gibt oder schlicht Cannabis zum Kauf.
„Seit der Bundesrat das Cannabisgesetz gebilligt hat, sind das am Tag bestimmt 15 bis 20 Kundinnen und Kunden“, sagt der Inhaber des Hanf-Kontors in der Karl-Liebknecht-Straße. Manche werden regelrecht sauer, wenn Matthias Stelzer erklärt, dass zwar der Konsum, Besitz und Anbau bis zu einem bestimmten Maße im Zuge der Teillegalisierung der Bundesregierung nun erlaubt sei, der öffentliche Verkauf von Saatgut bis hin zu THChaltigem Cannabis aber weiterhin verboten ist.
Kleine Mahnwache erinnert an Aktivisten
Das Hanf-Kontor stellt natürlich keine Ausnahme dar. Auch wenn Inhaber Matthias Stelzer das kritisch sieht. Schließlich ist der private Anbau von bis zu drei Pflanzen seit dem 1. April legal. Saatgut oder Stecklinge müssen aber vorerst über das Internet und aus dem Ausland bezogen werden, kritisiert er. Da werde sich der Handel in Deutschland perspektivisch vielleicht auch widersetzen, meint Matthias Stelzer. Gerade in größeren Städten.
Zum 1. Juli soll der Verkauf von solchem Saatgut, Stecklingen und Cannabis-Blüten in Vereinen organisiert werden. In Weimar laufen die Vorbereitungen bereits auf Hochtouren. Friedemann Söffing von der Anbauvereinigung „Cannabis Social Club Weimar“ist nach der Hängepartie in Sachen Cannabis-Gesetz jedenfalls erleichtert. „Ich bin sehr glücklich, das ist der erste Schritt in die richtige Richtung“, sagt er.
Zu einer kleinen Mahnwache hatte Friedemann Söffing zusammen mit dem Thüringer Hanfverband vergangene Woche auf den Stephane-Hessel-Platz geladen. Gedacht wurde all jenen, die sich für die Legalisierung in den zurückliegenden Jahren starkgemacht haben. Konzipiert war die Veranstaltung nicht als „Smoke-In“, also keine gemeinschaftliche Konsum-Veranstaltung. Dass dennoch Cannabis konsumiert wurde, ist nun eben neue Realität, so Friedemann Söffing.
Die „neue Realität“sorgt aber auch weiterhin für Kritik. Nur wenige Meter vom Hanf-Kontor entfernt macht das Euro-Café scherzhaft mit einer Tafel auf ein Problem aufmerksam. Eigentlich, so sieht es das Gesetz vor, könnte nun auch in Raucher-Kneipen, Biergärten oder Straßencafés gekifft werden.
„Eigentlich“, unterstreicht Dirk Ellinger, Geschäftsführer der Dehoga Thüringen. So obliege die Entscheidung, ob in einem Gastronomiebetrieb auch Cannabis konsumiert werden darf, dem Inhaber. „Er kann von seinem Hausrecht Gebrauch machen“, sagt Dirk Ellinger, „und den Konsum verbieten“.
Hinzu kommt, dass die ohnehin vom Bund vorgeschriebenen Regeln beachtet werden müssen. Befinde sich eine gastronomische Einrichtung etwa im Umfeld einer Schule, darf nicht konsumiert werden. Allerdings sieht Dirk Ellinger große Probleme in der Durchsetzung des Hausrechts. Gerade dann, wenn Gastwirte wenig Erfahrung mit Cannabis hätten, vielleicht gar nicht mitbekommen, dass Kunden Cannabis konsumieren. „Tausende Fragen sind noch unbeantwortet“, kritisiert der Geschäftsführer der Dehoga Thüringen am neuen Gesetz.
Zurück im Geschäft von Matthias Stelzer: Das Hanf-Kontor in der Karl-Liebknecht-Straße hat er erst im Januar eröffnet. Auch mit Blick auf die Legalisierung. Zuvor betrieb er sein Geschäft in der Jakobstraße. Das Geschäft läuft gut, allerdings habe er immer wieder Besuch von der Lebensmittelüberwachung.
Erst am Mittwochmittag wären etwa CBD-Kaugummis, Drinks und Extrakte zur genaueren Kontrolle mitgenommen worden. „In Zeiten der Legalisierung ist das nicht mehr nachvollziehbar“, sagt er
Beratung zum Wirkstoff in der Medizin
Seine Kundschaft erstreckt sich vom 18-Jährigen bis hin zu Menschen im hohen Alter. Dabei verkauft der gebürtige Weimarer nicht nur Rauchutensilien und Hanf-Produkte aller Couleur, sondern bietet auch Beratungen an: Cannabis als Medizin.
Er selbst leide an einer schweren Krankheit, hätte daher bis zu zwei Migräneanfälle pro Woche, die mit Sehstörungen einhergehen. Cannabis sorge für Linderung. Matthias Stelzer bekommt Cannabis daher ärztlich verschrieben – schon vor der Legalisierung.
In Corona-Zeiten hat er sich zudem fortgebildet. Bei der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin, kurz ACM. Cannabis könne bei vielen Krankheiten helfen. „Psychische Erkrankungen, Krebserkrankungen oder Schmerzerkrankungen“, zählt er auf. Allerdings – und das ist wichtig – muss vor der Einnahme von Cannabis als Medizin grundsätzlich immer erst ein Arzt konsultiert werden, sagt er. Von Selbstexperimenten sei abzuraten.