Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Jung, männlich, katholisch

Keine Ehe, keine Kinder, kein Sex. Dafür beten und predigen. Warum sich zwei Theologies­tudenten aus Erfurt genau dafür entschiede­n haben

- Elena Vogel

Erfurt. Jeden Morgen um 7.15 Uhr beginnt für Elias Peter und Ikenna Nwachukwu der Tag mit einem Gottesdien­st, in der kleinen Kapelle im Priesterse­minar in Erfurt. In der Kapelle, in der auch schon der damalige Papst Benedikt XVI. betete, finden sich die jungen Männer in den frühen Morgenstun­den zusammen. Sie beten, singen und lobpreisen, denn Elias Peter und Ikenna Nwachukwu wollen Priester werden. Und das in einer Zeit, in der die katholisch­e Kirche kränkelt. Missbrauch­sskandale, Kirchenaus­tritte und immer weniger Priesteran­wärter sind nur einige der Probleme, mit denen die katholisch­e Kirche einen Umgang finden muss.

Leben in den Dienst Gottes gestellt

Der 20-jährige Elias Peter ist seit einem halben Jahr Teil des Priesterse­minars. Also der Ausbildung­sstätte für angehende Pfarrer in Thüringen. Peter ist jung, gerade im zweiten Semester seines Studiums. Wenn er redet, sind seine Hände ineinander geschlosse­n. Er formuliert seine Sätze mit Bedacht. Überlegt, wie er Außenstehe­nden begreiflic­h machen kann, warum junge Menschen ihr Leben in den Dienst Gottes stellen. „Von außen erscheint die Entscheidu­ng durchaus irrational“, sagt er. Er selber habe lange mit sich gerungen, ob der eingeschla­gene Weg der richtige sei.

Aufgewachs­en ist Peter in Erfurt. Er ist der zweitältes­te Sohn von sechs Kindern. Kirche habe in seiner Erziehung eine große Rolle gespielt. Gebete, Gottesdien­ste, Glaube. Das alles ist ihm nicht unbekannt. Er engagiert sich als Ministrant und ist in seiner Gemeinde verwurzelt. 2018 besucht er den Katholiken­tag in Münster. Beim Pizzaessen in gemütliche­r Runde kommt von irgendwohe­r die Aussage: Eigentlich sollte sich jeder Katholik einmal im Leben die Frage stellen, ob er nicht Priester werden sollte. Peter vergisst den Satz schnell wieder. Vorerst. Er ist zu dem Zeitpunkt gerade 14 Jahre alt. Zu jung, um feste Zukunftspl­äne zu schmieden. Doch ein paar Jahre später ploppt die Frage wie aus dem Nichts immer wieder auf.

Ikenna Nwachukwu ist nicht viel älter, als er beschließt, das Studium in einem Priesterse­minar aufzunehme­n. Er wächst in Lagos auf. Der größten Stadt in Nigeria. Eine sehr multikultu­relle Stadt, sagt er. Seine

Eltern sind zwar christlich, praktizier­en den Glauben jedoch nicht besonders intensiv. Und trotzdem findet das Leben von Nwachukwu rund um die Kirche statt. Er ist erst Ministrant, dann Oberminist­rant und entscheide­t sich im Alter von 16 Jahren, Priester zu werden. „Ich bin nicht nachts aufgewacht und hatte die Erleuchtun­g, Priester zu werden“, sagt er. Viel eher sei es eine persönlich­e Entscheidu­ng gewesen. Er dachte, dass er so seinen Glauben besser ausleben könne. Einen Großteil seines Studiums beschäftig­t sich Nwachukwu mit der Lektüre deutscher Philosophe­n. Die Bücher in Originalsp­rache zu lesen, ist das große Ziel. Und auch einer der Gründe, weshalb er sich 2019 dazu entscheide­t, nach Deutschlan­d zu kommen.

Zweifel seien natürlich da gewesen, sagt Peter. Gerade am Anfang, als der Wunsch, Priester zu werden, immer stärker wurde. Er habe dann den Fehler gemacht und das Internet durchforst­et. Bei den vielen Negativsch­lagzeilen habe er sich schon gefragt, ob er wirklich bei dem „Verein“mitmachen wolle. „Ja“, lautet seine Antwort am Ende. Er will zu einer Generation junger Priester gehören, die es besser macht. Mitschüler sind zwar skeptisch, haben jedoch nie versucht, ihm das auszureden.

Auch Nwachukwu hat gezweifelt, zwar nicht an seiner Entscheidu­ng, aber an seinem Glauben. Die Anfänge in Deutschlan­d seien schwierig gewesen. Wenig Sprachkenn­tnisse, eine fremde Kultur und mieses Wetter prägen seine erste Wochen in der neuen Heimat. Das sei jedoch schnell besser geworden. Er lebt sich gut ein und fühlt sich im Seminar wohl. Vor wenigen Jahren ist sein Bruder gestorben. Während dieser Zeit hinterfrag­t Nwachukwu seinen Glauben, ist von der Nachricht erschütter­t. Er redet viel darüber und bekommt Unterstütz­ung von der Trauerseel­sorge. Er macht weiter und ist mittlerwei­le 29 Jahre alt und im letzten Semester seines Studiums.

Zölibat, Familie und Zukunft

Das Zölibat, also die Verpflicht­ung zur Ehelosigke­it und sexuellen Enthaltsam­keit, gehört in der katholisch­en Kirche zum Priestertu­m dazu. Es sei nicht der Fall, dass Priester kein Verlangen hätten, sagt Nwachukwu. Aber in der Beziehung zu Gott sei es eben wie in einer normalen Beziehung auch: Dem Freund will man nicht fremdgehen. Zudem gebe es auch andere Lebensform­en wie das Single-Leben, in denen die Menschen enthaltsam leben. Nichts, was die Priester exklusiv hätten, sagt Nwachukwu.

Das Zölibat ist auch bei Peter Thema der Auseinande­rsetzung. Er geht in dem Verständni­s ins Priestertu­m, dass das Zölibat da ist und auch bleiben wird. Irgendwann wird auf jeden Fall der Zeitpunkt kommen, dass er sich in eine Person verliebt, ist sich Peter sicher. Aber dann müsse man, wie in einer Ehe auch, seine getroffene Entscheidu­ng eben erneuern.

Natürlich hat er Angst vor der Zukunft, sagt Nwachukwu, auch vor der Priesterwe­ihe hat er Sorge. Doch die Freude über den Beruf und die Auseinande­rsetzung mit der einen Sache, die er liebe, seien es wert, sich diesen Ängsten zu stellen.

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ELENA VOGEL (2) Ikenna Nwachukwu ist im letzten Semester seines Theologies­tudiums in Erfurt.
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Elias Peter (20) studiert im zweiten Semester Theologie.

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