Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Drei Regenten in einem Jahr
Thüringer Zeitungsgeschichte: 1888 stirbt zunächst Wilhelm I., dann hat sein Sohn Friedrich III. nur 99 Tage im Amt. Wilhelm II. wird mit 29 Jahren Kaiser
Ein ähnliches Ereignis hatte es bis dato in der deutschen Geschichte noch nicht gegeben. Innerhalb von nur wenigen Monaten wechselte im Deutschen Reich gleich drei Mal hintereinander das Staatsoberhaupt. 1888 ging deshalb auch als das Dreikaiserjahr in die Annalen ein.
Von Weimar aus versorgte die Zeitung „Deutschland“ihre Leserschaft vor Ort bei allen Ereignissen mit den nötigen Informationen. Doch zunächst ahnten wohl die wenigsten Zeitgenossen, wie ereignisreich das Jahr verlaufen würde: Anfang März 1888 schien sich abzuzeichnen, dass der 90-jährige greise Kaiser Wilhelm I. wohl seinen nur noch wenige Wochen entfernten Geburtstag nicht mehr erreichen würde.
Die „Deutschland“informierte in ihrer 2. Ausgabe vom 9. März (dem eigentlichen Todestag Wilhelms) noch recht ausführlich über den besorgniserregenden Zustand des Monarchen. Die stündlich aus Berlin eintreffenden Depeschen vom Vortag ließen nichts Gutes erahnen: „7 Uhr 30 Min. abends. Der Zustand des Kaisers ist unmittelbar sehr bedrohlich“. „9 Uhr 5 Min. abends. Der Kaiser lebt noch und empfing das heilige Abendmahl. Die Auflösung wird stündlich ergab wartet“. Doch sollte es noch bis 9.30 Uhr am nächsten Morgen dauern, ehe Wilhelm I. verschied.
Die Ausgabe vom 10. März 1888 der „Deutschland“war daher wie eine überdimensionierte Trauerkarte gestaltet. Das Titelblatt war schwarz umrandet und der Leittext ausführlich das Leben des nun gestorbenen Kaisers wieder. Wie weiter zu lesen war, erschienen auch die anderen Weimarer Zeitungen in Extrablättern mit ähnlichem Design. Den Schülern in Weimar wurde die Nachricht ebenso unmittelbar mitgeteilt, wie es das übrige Volk durch Trauergeläut vernahm. Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach begab sich unmittelbar auf den Weg nach Berlin und ordnete eine sechswöchige Trauer für seinen Hof an.
Auf den Kaiser folgte unmittelbar sein ältester Sohn als neuer Regent, Friedrich III. In ihn setzten vor allem liberale Kreise in Deutschland die Hoffnung auf eine Wende und
Reform, besonders dank seiner Frau Viktoria. Doch die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllten sich nicht. Friedrich war zum einen politisch unerfahren und mit 56 schon recht alt für den Thron. Zudem blieb der „eiserne Kanzler“Otto von Bismarck weiterhin im Amt. Er hatte das Heft des Handelns in der Hand. Hinzu kam, dass Friedrich passionierter Raucher war, deshalb aber an Kehlkopfkrebs litt und schon bei seinem Regierungsantritt nicht mehr sprechen, sondern nur noch mit einem Notizblock kommunizieren konnte. Mitte Juni 1888 schien auch seine Zeit gekommen zu sein. Nach nur 99 Tagen im Amt erlag Friedrich III. am 15. Juni dem
Krebs. Die „Deutschland“titelte in ähnlicher Weise wie schon bei seinem Vater einen Tag nach dem Tod mit einem Gedicht „Kaiser Friedrich – fahr wohl!“und einer ausführlichen Beschreibung seiner letzten Lebensstunden.
Anschließend bestieg wiederum der älteste Sohn Friedrichs den Thron als Kaiser Wilhelm II. mit nur 29 Jahren. Auch Wilhelm II. ließ sich zunächst von Reichskanzler Bismarck leiten, bis es nur zwei Jahre später zum Konflikt kam, der in der Entlassung Bismarcks endete. Wilhelm II. war der letzte deutsche Kaiser, der nach 30 Jahren Regentschaft am 9. November 1918 abdanken musste.