Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Es bleibt bei 25 Premieren
Spielzeit 2024/25: Achim Freyer und Andreas Kriegenburg inszenieren erneut am Meininger Staatstheater
„Die Oper ist tot – es lebe die Oper!“, schreibt Jens Neundorff von Enzberg im neuen Spielzeitbuch und zitiert damit den Titel einer Ausstellung: jener in der Bundeskunsthalle Bonn, in der jüngst exemplarisch auch die Historie des Meininger Theaters als Opernhaus vorkam. Aktuell darf man dieses Motto insofern auch für sich selbst beanspruchen, als es, anders als zuletzt Weimar und Erfurt, über mangelnden Zuspruch unterm Strich nicht klagen kann, obwohl sich das Programm auch regelmäßig vom Kanon der sogenannten ABCOpern wegbewegt. Unvertraute Werke allerdings bekannter Komponisten stießen zuletzt auf großes Publikumsinteresse: Bizets „Ivan IV.“oder Wagners krude „Die Feen“, die ihm später selbst peinlich waren. Nur bei Uraufführungen erlebt man eine gewisse Zurückhaltung, wie gerade erst bei der von Kritikern hochgelobten Ibsen-Vertonung „Gespenster“von Torstein Aagaard-Nilsen. Dergleichen muss dann schon eine „Fledermaus“in der Bilanz kompensieren helfen.
Von etwas gewagten Musiktheaterplänen spricht Intendant Neundorff auch angesichts der nächsten, seiner vierten Meininger Saison. Das betrifft dann wohl selbst Verdis „Don Carlos“, womit der Reigen von neuerlich insgesamt 25 Premieren in, inklusive Ballett aus Eisenach, fünf Sparten beginnen wird:
Sie spielen nicht den gängigen italienischen Vierakter, sondern die französische Urfassung einer Grand Opéra in fünf Akten. Dafür kehrt der soeben 90 Jahre alt gewordene Theatermacher Achim Freyer als Regisseur und Ausstatter zurück, nachdem er Meiningen bereits eine seiner inzwischen fünf „Zauberflöte“-Versionen bescherte.
Begonnen hatte die Verpflichtung Bildender Künstler bei Neundorff in Meiningen mit Puccinis Künstleroper „La Bohème“unter Markus Lüpertz. Derlei Kontakte gehen, da schließt sich ein Kreis, auf Verbindungen
des Intendanten zur Bundeskunsthalle zurück, die er als Chefdramaturg der Oper Bonn pflegte. Jetzt wird Tony Cragg eine Ausstattung besorgen: die der Barockoper „Castor et Pollux“von Rameau, die von der auch als Schauspielerin bekannten Adriana Altaras (aktuell in Staffel 4 von „Charité zu sehen) inszeniert wird.
Kaum bekannt ist die Oper „The Wreckers“(Strandräuber) der Komponistin und Suffragtette Ethel Smyth, die erstmals 1906 in Leipzig herauskam und nun als szenische Erstaufführung der Urfassung auf
Deutsch angekündigt wird. Es stehen aber auch Mozarts „Don Giovanni“und Wagners „Tristan und Isolde“auf dem Plan, selbst letzteres aus eigenen Kräften besetzt, indem Tenor Marco Jentzsch mit Residenzvertrag nach Meiningen kommt. Im Musical feiert derweil „Jekyll & Hyde“Premiere.
Das Schauspiel unter Frank Behnke eröffnet drei Wochen nach der Landtagswahl überhaupt nicht zufällig mit einer satirischen Parabel auf die Entstehung totalitärer Regime: „Die Nashörner“von Eugène Ionesco, erstmals in Meiningen
zu sehen und zuletzt auf einer Thüringer Stadt- oder Staatsbühne, auf der das Theater des Absurden generell kaum vorkommt, 1996 bei Katja Paryla in Weimar. Nun führt Sandra Betzler Regie, die in Meiningen bereits Kleists „Penthesilea“inszenierte. In der Titelrolle nahm Miriam Haltmeier Abschied aus dem Fest-Engagement, um sich ihren Projekten in der freien Szene zu widmen, nun kehrt sie als Regisseurin zurück: „Die Rückeroberung der Hoffnung“nennt sie ihre Stückentwicklung.
Szenischer Liederabend an der Fleischtheke
Behnke selbst inszeniert zunächst eine mit 90 Jahren Verspätung nachgeholte Uraufführung: das Gerichtsdrama „Ende einer Verhandlung“von Anna Gmeyner, einer österreichisch-jüdischen Autoren. Später bringt er den in einer Fleischerei siedelnden Liederabend „Thüringer Spezialitäten“heraus, mit dem man ursprünglich mal Franz Wittenbrink beauftragt hatte; man wurde sich konzeptionell aber nicht einig. Dafür ist, nach „Alte Sorgen“über den Pflegenotstand, erneut ein Auftragswerk von Autorin Maria Milisavljević und mit Regisseurin Anna Stiepani zu erleben: „Es war sommer Und weil es sommer war, war es warm“befasst sich mit Wohnungsnot.
Nach „Hamlet“kehrt Regisseur Andreas Kriegenburg für Brechts „Herr Puntila und sein Knecht Matti“
zurück, nach „Vor Sonnenaufgang“inszeniert Nicolas Charaux nun „Ein Sommernachtstraum“, woraus aber kein Sommertheater wird. Das wollte man diesen Juni mit Shaffers „Amadeus“eigentlich im Englischen Garten erstmal ausprobieren; nun wandert dieser Abend, inklusive Publikumstribüne, auf die große Bühne im Haus. Rebekka Kricheldorfs „Der große Gatsby“, eine Dramatisierung des Romans von F. Scott Fitzgerald, komplettiert das Programm im Schauspiel, das einen personellen Umbruch erlebt: Sechs Schauspieler verlassen das Ensemble: Emma Suthe wechselt nach Karlsruhe, Larissa Aimée Breidbach nach Leipzig, außerdem gehen Leo Goldberg, Yannick Fischer, Lukas Umlauft und Stefan Willi Wang.
Eisenachs Ballett kommt mit „Cinderella“zur Musik Prokofjews, choreografiert von seinem Chef Andris Plucis, der 2025 nach 16 Jahren Abschied nehmen will. Meiningens Junges Theater hat unter anderem Büchners „Woyzeck“und „Die Känguru-Chroniken“von Marc-Uwe Kling im Programm, das Puppentheater beginnt mit einem Stück seiner neuen Leitung, der Berlinerin Christiane Klatt: „Share Dich zum Teufel! Kasper mach(t) das Licht an!“Hinzu kommt ein großes Konzertprogramm, in dem GMD Killian Farrell, der auch „Tristan“, „Carlos“und „The Wreckers“dirigiert, auffallend oft selbst am Pult der Hofkapelle steht.