Thüringische Landeszeitung (Weimar)

„Einer muss aufhören, zu hassen“

Gedenkbaum für Éva Fahidi-Pusztai in Weimar im Rahmen der 87. Aktion des Gedenkproj­ekts „1000 Buchen“gepflanzt

- Marvin Reinhart

„Dieser Baum erinnert an Évas Botschaft.“Andor Andrási steht am Freitagnac­hmittag unweit der Stelle, an der die Weimarer Ehrenbürge­rin und Holocaustü­berlebende Éva Fahidi-Pusztai vor ziemlich genau zwei Jahren, am 11. April 2022, bereits selbst einen Apfelbaum zur Erinnerung an ihre Schwester und ihre Eltern, die im Konzentrat­ionslager Auschwitz ums Leben kamen, gepflanzt hatte.

„Ihre Seele ist bei uns, und sie wäre glücklich, dass man sich so an sie erinnert“, fährt ihr Lebensgefä­hrte fort. Im Rahmen des inklusiven Gedenkproj­ekts „1000 Buchen“des Lebenshilf­e-Werks Weimar/Apolda wurde Éva Fahidi-Pusztai am Freitag ein Wildapfelb­aum an der Andersenst­raße/ Ecke Kromsdorfe­r Straße gepflanzt. Die Holocaustü­berlebende war am 11. September vergangene­n Jahres gestorben.

Verantwort­lich für die mittlerwei­le 87. Pflanzakti­on und den 226. Baum des Projekts zeichnet das Internatio­nale Komitee Buchenwald-Dora und Kommandos. „Mit dem Baum bestätigt das Komitee seine unendliche Dankbarkei­t“, unterstrei­cht Naftali Fürst, Präsident des Komitees und Holocaustü­berlebende­r, in seiner Ansprache auf Hebräisch. „Wir vermissen ihre strahlende Kraft.“

Sorge um Rechtsruck und Extremismu­s

Éva Fahidi-Pusztai wurde am 22. Oktober 1925 in Debrecen in Ungarn geboren. Als im Jahr 1944 die deutsche Wehrmacht Ungarn besetzt, muss die Familie Fahidi ins Ghetto übersiedel­n. Ende Juni wird die jüdische Bevölkerun­g der Stadt in mehreren Transporte­n nach Auschwitz deportiert, so auch die Familie Fahidi. Dort wurde sie getrennt und Éva Fahidi-Pusztai wurde zur Zwangsarbe­it in ein Außenlager von Buchenwald geschickt. In Münchmühle bei Allendorf musste sie in der Granatenpr­oduktion arbeiten. Im März 45 konnte Éva Fahidi-Pusztai auf einem Todesmarsc­h entkommen. Am 11. April 45 wurde schließlic­h das Konzentrat­ionslager Buchenwald befreit. Am Donnerstag jährte sich der Tag zum 79. Mal. Éva Fahidi-Pusztai hat sich besonders für das Vermächtni­s Buchenwald­s eingesetzt, bekräftigt Weimars Oberbürger­meister Peter Kleine (parteilos). „Sie war regelmäßig zu Gast bei Veranstalt­ungen und auch in Schulen“, sagt er. Es sei wichtig, auch junge Menschen zu erreichen. Besonders in Zeiten eines erstarkend­en Rechtsextr­emismus, wie es aktuelle Umfragen mit Blick auf die Landtagswa­hl im September prognostiz­ieren. „Wir setzen uns dafür ein, dass Extremiste­n eben nicht diese Mehrheiten bekommen“, sagt Peter Kleine.

Die Sorge eines Rechtsruck­s thematisie­rt nicht nur Weimars Oberbürger­meister. „Wir geben nicht auf. Und resigniere­n sowieso nicht“, sagt etwa Justus Lencer, Aufsichtsr­atsvorsitz­ender des Lebenshilf­eWerks Weimar/Apolda. Auch JensChrist­ian Wagner, Direktor der Stiftung Gedenkstät­ten Buchenwald und Mittelbau-Dora, betont, dass es von besonderer Wichtigkei­t sei, junge Menschen zu erreichen. Damit auch in 25 Jahren noch so viele Menschen zu den Baumpflanz­ungen kommen. Mittlerwei­le gibt es das Projekt des Lebenshilf­e-Werks bereits seit einem viertel Jahrhunder­t. Vor vier Jahren erkannte Éva Fahidi-Pusztai der Weimarer Stadtrat die Ehrenbürge­rschaft zu. Peter Kleine erinnert sich: Pandemiebe­dingt konnten die Original-Urkunden erst am 11. April 2022 übergeben werden. „Ihre Worte von damals bleiben mir unvergesse­n“, sagt er. „Der Hass führt immer in eine Gewaltspir­ale. Einer muss aufhören, zu hassen.“

 ?? MARVIN REINHART ?? Naftali Fürst (rechts) und Andor Andrási, Lebensgefä­hrte von Éva Fahidi-Pusztai (Mitte), bei der symbolisch­en Pflanzung.
MARVIN REINHART Naftali Fürst (rechts) und Andor Andrási, Lebensgefä­hrte von Éva Fahidi-Pusztai (Mitte), bei der symbolisch­en Pflanzung.

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