Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Weimar würdigt den „Jedermann“Georg Elser

Neue Ausstellun­g in der Bahnhofsha­lle widmet sich einem Schreiner, der 1939 die Geschichte hätte verändern können

- Jens Lehnert

Wer dieser Tage in Weimars Bahnhof damit zubringt, auf seinen Zug zu warten oder auf Angehörige, die hier ankommen, kann die Zeit erhellend nutzen. In der Bahnhofsha­lle eröffnete Weimars Kulturdire­ktion am Freitag mit der GeorgElser-Gedenkstät­te aus dem schwäbisch­en Königsbron­n eine Ausstellun­g über einen Mann, der vor 85 Jahren den Lauf der Geschichte womöglich zum Besseren hätte wenden können.

Um ganze 13 Minuten war Georg Elser am 8. November 1939 mit seinem Plan gescheiter­t, im Münchener Bürgerbräu-Keller ein Sprengstof­f-Attentat

auf Hitler zu verüben. Der Reichskanz­ler, der hier stets zum Jahrestag seines Putschvers­uches von 1923 redete, hatte den Saal an jenem Abend früher verlassen, da er aufgrund des Wetters seine mit dem Flugzeug geplante Rückreise nach Berlin mit dem Zug antrat. Als die Bombe, die Elser gebaut und versteckt hatte, zündete, war Hitler bereits auf dem Weg zu Bahnhof.

Wenige Tage vor der Befreiung im April 1945 ermordet

Auf seiner Flucht wurde Elser gefasst und der Gestapo überstellt. 1941 kam er als „Sonderhäft­ling des Führers“ohne Gerichtsve­rfahren im KZ Sachsenhau­sen in Haft, später im KZ Dachau. Dort wurde er am 9. April 1945, 20 Tage vor der Befreiung des Lagers, ermordet.

Nach dem Krieg vergingen Jahrzehnte, ehe Elser Würdigung erfuhr. Sein Heimatort Königsbron­n richtete 1995 erstmals eine Gedenkvera­nstaltung aus, sagte Joachim Ziller, Leiter der 1998 dort gegründete­n Gedenkstät­te. Gründe? Elser habe keine Lobby gehabt. Er gehörte keiner politische­n Strömung in so exponierte­r Weise an, dass sie ihn als Helden feierte. Zudem sei Elser nicht umhingekom­men, mit seiner Tat vereinnahm­t zu werden. Die Nazis schoben ihm die Rolle eines britischen Agenten zu, um das Feindbild zu erhärten. Nach Kriegsende wurde über Elser zudem das Gerücht gestreut, er sei SS-Mann gewesen und habe das Attentat fingiert.

„Georg Elser wollte nichts anderes, als den Krieg zu verhindern“, sagte Hartmut Eckhardt, der 2016 mit der Weimarer Bürgerreis­e den Kontakt nach Königsbron­n hergestell­t hatte. Nicht zuletzt habe auch die Erkenntnis des „Jedermanns“Elser, dass das Land auf einen Krieg zusteuere, und sein schon 1938 gefasster Entschluss zum Attentat den Umgang mit seiner Person beeinfluss­t. „Elser war vor allem ein Dorn im Auge derer, die später sagten, sie hätten von nichts gewusst, und die fragten, was sie hätten tun können“, so Joachim Ziller.

 ?? JENS LEHNERT ?? Joachim Ziller, Gedenkstät­ten-Leiter aus Königsbron­n, sprach über Georg Elser.
JENS LEHNERT Joachim Ziller, Gedenkstät­ten-Leiter aus Königsbron­n, sprach über Georg Elser.

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