Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Ein Künstler zwischen den Welten
Zur Präsentation der neuen Feininger-Dokumentation kommt sein Enkel nach Weimar
Im Januar 2024 feierte der Film „Lyonel Feininger – ein Künstler zwischen den Welten“in Halle Premiere. Die Weimarer FeiningerExpertin Renate Böttcher nimmt die Neuerscheinung zum Anlass, den Film auch nach Weimar zu holen, wo der Künstler der erste Meister am Bauhaus wurde und sich zu mittlerweile ikonischen Zeichnungen inspirieren ließ. Am Freitag, 10. Mai, wird der Film ab 17 Uhr im Audimax der Bauhaus-Universität gezeigt. Es schließt sich ein Gespräch mit Regisseur Matthias Frick und dem Feininger-Enkel Conrad Feininger an.
„Es gelingt uns in Lyonel Feiningers „kleiner Märchenstadt“Weimar und ihrer Umgebung bereits seit einigen Jahrzehnten in regelmäßigen Abständen, die unterschiedlichsten Vorhaben zu realisieren“, sagt Renate Böttcher. Immer wieder fänden sich engagierte Kulturdezernenten, Museumsleute, Pädagogen, Pfarrer, Kunstwissenschaftler, Künstler, Architekten, Stadtführer oder interessierte Einwohner zusammen, um Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Warum sich die Kulturstadt und das Weimarer Land dafür anbieten?
Für den in den Vereinigten Staaten geborenen Karikaturisten Feininger muss es Liebe auf den ersten Blick gewesen sein, als er 1906 in Weimar eintraf – und das unabhängig davon, dass er in Thüringen seine Geliebte und spätere Frau Julia besuchte. Ihn faszinierten die einfachen dörflichen Szenerien, und ganz besonders die ihm mystisch erscheinenden Dorfkirchen begleiteten ihn als Bildvorlagen auch noch in seinen Jahren in Amerika.
Erst mit 36 Jahren beginnt die Laufbahn als Maler
Bereits als Sechzehnjähriger reiste Leonell Charles Feininger 1887 von New York City nach Hamburg, Berlin
und Paris, wo er Kunst studierte. Nachdem Feininger 15 Jahre lang als Karikaturist arbeitete und zu einem der bedeutendsten in seiner Zunft wurde, beginnt er erst spät, mit 36 Jahren, seine Laufbahn als Maler. Vom Wohnort Berlin aus wurden hauptsächlich Weimar ab 1906 und die Ostseeküste immer wieder für einige Wochen Aufenthaltsorte für sein Naturstudium. Der Wohnsitz der schließlich fünfköpfigen Familie wechselte 1919 von Berlin nach Weimar, 1926 nach Dessau und 1934 wieder nach Berlin. 1937 mussten Feiningers Deutschland verlassen und verbrachten die letzten Lebensjahrzehnte in New York City.
Feininger blieb in seinen Bildern immer im Gegenständlichen und fast alle seine Motive existieren heute noch, erklärt Renate Böttcher. Darüber hinaus sind 4500 Briefe erhalten, in denen auch immer wieder seine Ausflüge in fast 60 Orte der Umgebung von Weimar ausführlich und eindrucksvoll geschildert werden.
Renate Böttcher stand in den Neunzigerjahren im Briefwechsel mit dem jüngsten Feininger-Sohn, Theodore Lukas Feininger, kurz T. Lux, der ebenfalls Maler geworden ist. Eine Ausstellung seiner Gemälde ist aktuell in Dessau zu sehen. Er schrieb Böttcher 1993 aus Boston das folgende Zitat: „Ich finde, dass die Thüringer Zeit die stärkste Periode von Lyonel Feininger war, und daß er seinem Genius folgte, indem er sich rufen ließ.“
Entsprechend engagiert und interessiert sich das Weimarer Land für Lyonel Feiningers Schaffen. Nachdem fast 47.000 Besucher seit 1999 im Kunsthaus Apolda Avantgarde Feiningers umfangreiches Werk in drei großen Ausstellungen sehen konnten, über seine Malerei und sein musikalisches Talent referiert wurde, das Landratsamt Weimarer Land den Feininger-Radweg finanzierte, gibt diese Dokumentation erneut Einblick in Feiningers Lebensweg und künstlerisches Schaffen. Jahrzehntelang engagierte man sich auch für das Feininger-Schülerpleinair, bei dem seit 1989 Tausende von Jugendlichen auf den Spuren des Künstlers aktiv wurden. Man machte sich stark für den Kauf von Gemälden, Aquarellen und Zeichnungen, feierte Lyonel Feiningers runde Geburtstage, Todestage und das Jubiläum seines ersten Eintreffens in Weimar.
Hotelquittung belegt Verbindung zum Elephant
Der Regisseur Mathias Frick ist in seiner Dokumentation den Spuren Feiningers an die unterschiedlichsten Orte gefolgt. Am Gespräch, das an die Filmvorführung im Audimax anschließt, beteiligt sich FeiningerEnkel Conrad, der Schauspieler war und vor drei Jahren seine amerikanische Heimat verlassen hat, um zu seiner deutschen Frau zu ziehen.
Und dort schließt sich scheinbar der Kreis: Conrad Feininger wird am 10. Mai mit seiner Frau Ehrengast des Hotels Elephant sein, in dem bereits 1906 sein Großvater Lyonel wohnte, als er seine geliebte Julia Berg erstmals in Weimar besuchte. Das bestätigt eine Quittung in seinem Nachlass.