Thüringische Landeszeitung (Weimar)

„Diese Zeit war menschlich sehr hart“

Diana Lehmann sieht die Thüringer SPD in der Krise und übt deutliche Kritik an Parteichef Georg Maier

- Sebastian Haak

Erfurt. Die Landtagsab­geordnete Diana Lehmann (40) hat keinen vorderen Listenplät­ze bei der SPD bekommen. Kann gut sein, dass sie sich deswegen bald aus der aktiven Politik verabschie­den muss.

Frau Lehmann, Sie wollten auf Listenplat­z vier kommen, haben eine Kampfkandi­datur gegen Janine Merz aus Meiningen versucht, verloren – und am Ende Listenplat­z zehn bekommen, so wie der Listenvors­chlag des SPD-Landesvors­tandes das vorgesehen hatte. Sind Sie enttäuscht?

Ich bin mit mir im Reinen. Mir war immer klar, dass ein Landtagsma­ndat politische Macht auf Zeit ist; nicht mehr und nicht weniger. Gerade fühle ich mich wahrschein­lich auch deswegen sehr frei. Ich bin dankbar für die vergangene­n zehn Jahre, ich habe da wahnsinnig viel gelernt, konnte auch einiges bewegen. In dieser Zeit habe ich mich nie verbogen, auch auf diesem Parteitag nicht – und ich werde auch jetzt nicht noch damit anfangen.

Das klingt ziemlich danach, als würden Sie nicht damit rechnen, mit Listenplat­z zehn auch der nächsten SPD-Landtagsfr­aktion anzugehöre­n.

Wir müssen uns damit beschäftig­en, dass das eine sehr reale Möglichkei­t ist. Die Meinungsum­fragen sehen die SPD gerade so zwischen sechs und neun Prozent. Und wenn man sich die vorhergehe­nden Wahlergebn­isse anschaut, dann kann man davon zwar ausgehen, dass wir ein Sockel-Wählerpote­nzial von etwa sechs Prozent in Thüringen haben und damit der Einzug in den Landtag relativ sicher ist. Die Chance, dass wir die Fünf-Prozent-Hürde überspring­en werden, ist also nach wie vor relativ groß. Aber – so ehrlich muss ich auch zu mir selbst sein – ich habe große Zweifel daran, dass wir stark genug werden, damit ich mit Listenplat­z zehn in den Landtag einziehen werde. Wir sind näher an sechs als an 15 Prozent.

Wie sehr bewegt dieser jüngste Parteitag die Thüringer SPD derzeit noch?

Ich kann nur für mich sprechen. Und mich bewegt er noch immer sehr, das muss ich wirklich sagen. Dass es da so turbulent zuging, überrascht mich nicht. Mit der Verabschie­dung des Listenvors­chlags war klar, dass es da zahlreiche Kampfkandi­daturen geben würde. Aber insbesonde­re, wie hier mit Heike Taubert umgegangen wurde, macht mich immer noch fassungslo­s. Ich bin darüber wirklich entsetzt. Aber nicht nur darüber.

Worüber noch?

Es gibt auf dieser Liste auf den vorderen Listenplät­zen keine profiliert­en Sozialpoli­tiker, keine profiliert­en Gewerkscha­fter. Das ist ein krasser Widerspruc­h zu den Themen, mit denen die SPD in den Wahlkampf geht: gute Löhne und eine starke soziale Infrastruk­tur. Das wird unseren Wahlkampf ungleich schwierige­r machen; und auch die Arbeit in der nächsten Landtagsfr­aktion. Das war übrigens auch ein zentraler Grund, warum ich mich entschloss­en hatte, mich um Listenplat­z vier zu bewerben.

Und die Causa Taubert?

Auf dem Listenvors­chlag war sie ja auf Platz zwölf gesetzt worden. Sie hat also noch schlechter­e Chancen, erneut zur Abgeordnet­en gewählt zu werden als ich. Auf dem Parteitag hatte sie sich dann entschloss­en, sich in einer Kampfkandi­datur um Platz zwei gegen Cornelia Klisch zu bewerben, der sie sehr knapp unterlegen ist. Also ist sie jetzt tatsächlic­h auf Platz zwölf platziert. Aber über wen reden wir hier eigentlich? Heike Taubert ist eine extrem verdiente Sozialdemo­kratin. Sie ist die letzte Person aus der Gründergen­eration der modernen Thüringer SPD, die noch im aktiven Dienst ist. Sie hat sich sehr um dieses Land und unsere Partei verdient gemacht. Immer dann, wenn es für die SPD in diesem Land schwierig wurde, war sie da. Zum Beispiel, als Andreas Bausewein 2017 von jetzt auf gleich den Parteivors­itz hingeschmi­ssen hat. Oder als wir 2014 händeringe­nd eine Spitzenkan­didatin gesucht haben. Und dann wird sie auf Platz zwölf gesetzt und damit mehr oder weniger zu einer Kampfkandi­datur gezwungen. Das ist unanständi­g – und das knappe Ergebnis dieser Abstimmung…

… 98 Stimmen für Klisch, 93 Stimmen für Taubert…

… zeigt, dass sehr viele Delegierte das auch so gesehen haben, wie ich es sehe. In der Partei insgesamt, würde ich sagen, sehen das sogar noch mehr Menschen so.

Sie sehen Ihre Partei als gespalten. Ihr Landesvors­itzender Georg Maier bestreitet das regelmäßig. Und tatsächlic­h ist der von ihm vorgelegte Entwurf der Landeslist­e doch bestätigt worden. Hat er den Laden am Ende nicht doch ziemlich gut im Griff und Sie gerade einfach wahnsinnig enttäuscht und frustriert?

Ja, die Landeslist­e von Georg Maier ist mit Mehrheit so bestätigt worden, wie sie vorgelegt wurde. Aber zu welchem Preis denn?! Fast die Hälfte der Partei wurde auf diesem Parteitag ausgegrenz­t. Menschen, die mit mir zusammen in den vergangene­n Jahren progressiv­e, sozialdemo­kratische Politik gemacht haben und noch weiter machen wollten, haben kaum eine Chance, es in den nächsten Landtag zu schaffen.

Sie sind enttäuscht und frustriert.

Darum geht es doch gar nicht. Es geht darum, was dieser Parteitag über den zukünftige­n Kurs der SPD aussagt – und über die Zukunft ihres Vorsitzend­en. Nämlich, dass sich diese Partei unter Georg Maier erstens immer mehr hin zu CDU wendet, abwendet von Linken und Grünen als möglichen Koalitions­partnern. Und zweitens hat dieser Parteitag ganz klar gezeigt, dass es durch seine Passivität immer einsamer um Georg Maier wird und erkennbar ist, dass sich mehrere Menschen in Stellung bringen, um ihn in diesem Posten zu beerben… Georg Maier ist als Parteivors­itzender inzwischen nur noch geduldet.

Auf wen spielen Sie da an?

Schauen Sie sich die Liste genauer an. Da erschließt sich jedem unter den ersten sechs Plätzen einiges…

Diesem Parteitag gingen – oft hinter verschloss­enen SPD-Türen – fast eineinhalb Jahre lang Gezerre um die Liste voraus. Was hat diese Zeit mit Ihnen gemacht?

Diese Zeit war menschlich sehr hart. Aber: Als ich mich 2011 als Juso-Landesvors­itzende verabschie­det habe, habe ich gesagt: Ich danke meinen Kritikern, ihr habt mich stärker gemacht. Das würde ich jetzt auch wieder so sagen. Genau so.

Freuen Sie sich auf Ihren Abschied aus der Politik?

Ich glaube nicht, dass ich mich aus der Politik verabschie­den werden. Vielleicht aus der aktiven Politik, mal sehen. Aber das eine ist etwas anderes als das andere.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany