Thüringische Landeszeitung (Weimar)
„Diese Zeit war menschlich sehr hart“
Diana Lehmann sieht die Thüringer SPD in der Krise und übt deutliche Kritik an Parteichef Georg Maier
Erfurt. Die Landtagsabgeordnete Diana Lehmann (40) hat keinen vorderen Listenplätze bei der SPD bekommen. Kann gut sein, dass sie sich deswegen bald aus der aktiven Politik verabschieden muss.
Frau Lehmann, Sie wollten auf Listenplatz vier kommen, haben eine Kampfkandidatur gegen Janine Merz aus Meiningen versucht, verloren – und am Ende Listenplatz zehn bekommen, so wie der Listenvorschlag des SPD-Landesvorstandes das vorgesehen hatte. Sind Sie enttäuscht?
Ich bin mit mir im Reinen. Mir war immer klar, dass ein Landtagsmandat politische Macht auf Zeit ist; nicht mehr und nicht weniger. Gerade fühle ich mich wahrscheinlich auch deswegen sehr frei. Ich bin dankbar für die vergangenen zehn Jahre, ich habe da wahnsinnig viel gelernt, konnte auch einiges bewegen. In dieser Zeit habe ich mich nie verbogen, auch auf diesem Parteitag nicht – und ich werde auch jetzt nicht noch damit anfangen.
Das klingt ziemlich danach, als würden Sie nicht damit rechnen, mit Listenplatz zehn auch der nächsten SPD-Landtagsfraktion anzugehören.
Wir müssen uns damit beschäftigen, dass das eine sehr reale Möglichkeit ist. Die Meinungsumfragen sehen die SPD gerade so zwischen sechs und neun Prozent. Und wenn man sich die vorhergehenden Wahlergebnisse anschaut, dann kann man davon zwar ausgehen, dass wir ein Sockel-Wählerpotenzial von etwa sechs Prozent in Thüringen haben und damit der Einzug in den Landtag relativ sicher ist. Die Chance, dass wir die Fünf-Prozent-Hürde überspringen werden, ist also nach wie vor relativ groß. Aber – so ehrlich muss ich auch zu mir selbst sein – ich habe große Zweifel daran, dass wir stark genug werden, damit ich mit Listenplatz zehn in den Landtag einziehen werde. Wir sind näher an sechs als an 15 Prozent.
Wie sehr bewegt dieser jüngste Parteitag die Thüringer SPD derzeit noch?
Ich kann nur für mich sprechen. Und mich bewegt er noch immer sehr, das muss ich wirklich sagen. Dass es da so turbulent zuging, überrascht mich nicht. Mit der Verabschiedung des Listenvorschlags war klar, dass es da zahlreiche Kampfkandidaturen geben würde. Aber insbesondere, wie hier mit Heike Taubert umgegangen wurde, macht mich immer noch fassungslos. Ich bin darüber wirklich entsetzt. Aber nicht nur darüber.
Worüber noch?
Es gibt auf dieser Liste auf den vorderen Listenplätzen keine profilierten Sozialpolitiker, keine profilierten Gewerkschafter. Das ist ein krasser Widerspruch zu den Themen, mit denen die SPD in den Wahlkampf geht: gute Löhne und eine starke soziale Infrastruktur. Das wird unseren Wahlkampf ungleich schwieriger machen; und auch die Arbeit in der nächsten Landtagsfraktion. Das war übrigens auch ein zentraler Grund, warum ich mich entschlossen hatte, mich um Listenplatz vier zu bewerben.
Und die Causa Taubert?
Auf dem Listenvorschlag war sie ja auf Platz zwölf gesetzt worden. Sie hat also noch schlechtere Chancen, erneut zur Abgeordneten gewählt zu werden als ich. Auf dem Parteitag hatte sie sich dann entschlossen, sich in einer Kampfkandidatur um Platz zwei gegen Cornelia Klisch zu bewerben, der sie sehr knapp unterlegen ist. Also ist sie jetzt tatsächlich auf Platz zwölf platziert. Aber über wen reden wir hier eigentlich? Heike Taubert ist eine extrem verdiente Sozialdemokratin. Sie ist die letzte Person aus der Gründergeneration der modernen Thüringer SPD, die noch im aktiven Dienst ist. Sie hat sich sehr um dieses Land und unsere Partei verdient gemacht. Immer dann, wenn es für die SPD in diesem Land schwierig wurde, war sie da. Zum Beispiel, als Andreas Bausewein 2017 von jetzt auf gleich den Parteivorsitz hingeschmissen hat. Oder als wir 2014 händeringend eine Spitzenkandidatin gesucht haben. Und dann wird sie auf Platz zwölf gesetzt und damit mehr oder weniger zu einer Kampfkandidatur gezwungen. Das ist unanständig – und das knappe Ergebnis dieser Abstimmung…
… 98 Stimmen für Klisch, 93 Stimmen für Taubert…
… zeigt, dass sehr viele Delegierte das auch so gesehen haben, wie ich es sehe. In der Partei insgesamt, würde ich sagen, sehen das sogar noch mehr Menschen so.
Sie sehen Ihre Partei als gespalten. Ihr Landesvorsitzender Georg Maier bestreitet das regelmäßig. Und tatsächlich ist der von ihm vorgelegte Entwurf der Landesliste doch bestätigt worden. Hat er den Laden am Ende nicht doch ziemlich gut im Griff und Sie gerade einfach wahnsinnig enttäuscht und frustriert?
Ja, die Landesliste von Georg Maier ist mit Mehrheit so bestätigt worden, wie sie vorgelegt wurde. Aber zu welchem Preis denn?! Fast die Hälfte der Partei wurde auf diesem Parteitag ausgegrenzt. Menschen, die mit mir zusammen in den vergangenen Jahren progressive, sozialdemokratische Politik gemacht haben und noch weiter machen wollten, haben kaum eine Chance, es in den nächsten Landtag zu schaffen.
Sie sind enttäuscht und frustriert.
Darum geht es doch gar nicht. Es geht darum, was dieser Parteitag über den zukünftigen Kurs der SPD aussagt – und über die Zukunft ihres Vorsitzenden. Nämlich, dass sich diese Partei unter Georg Maier erstens immer mehr hin zu CDU wendet, abwendet von Linken und Grünen als möglichen Koalitionspartnern. Und zweitens hat dieser Parteitag ganz klar gezeigt, dass es durch seine Passivität immer einsamer um Georg Maier wird und erkennbar ist, dass sich mehrere Menschen in Stellung bringen, um ihn in diesem Posten zu beerben… Georg Maier ist als Parteivorsitzender inzwischen nur noch geduldet.
Auf wen spielen Sie da an?
Schauen Sie sich die Liste genauer an. Da erschließt sich jedem unter den ersten sechs Plätzen einiges…
Diesem Parteitag gingen – oft hinter verschlossenen SPD-Türen – fast eineinhalb Jahre lang Gezerre um die Liste voraus. Was hat diese Zeit mit Ihnen gemacht?
Diese Zeit war menschlich sehr hart. Aber: Als ich mich 2011 als Juso-Landesvorsitzende verabschiedet habe, habe ich gesagt: Ich danke meinen Kritikern, ihr habt mich stärker gemacht. Das würde ich jetzt auch wieder so sagen. Genau so.
Freuen Sie sich auf Ihren Abschied aus der Politik?
Ich glaube nicht, dass ich mich aus der Politik verabschieden werden. Vielleicht aus der aktiven Politik, mal sehen. Aber das eine ist etwas anderes als das andere.