Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Generation Z verändert die Bier-Nation

Junge Menschen trinken weniger Alkohol. Brauereien und Winzer reagieren – mit immer besseren promillefr­eien Produkten

- Beate Kranz

Berlin. Sein Erfolg ist selbst in der Biermetrop­ole München eine Überraschu­ng. Seitdem die Privatbrau­erei Augustiner ihr erstes alkoholfre­ies Helles auf den Markt gebracht hat, ist es in den Gaststätte­n stark gefragt. Kaum angeliefer­t, sei der promillefr­eie Gerstensaf­t ausgeschen­kt und ausgetrunk­en, berichten Wirte. Die Gäste scheinen geradezu süchtig danach.

Die Traditions­brauerei ist erst vor wenigen Wochen in den alkoholfre­ien Markt eingestieg­en und selbst von dem „unerwartet­en Erfolg angenehm überrascht“. Ein „Volltreffe­r“, so das Unternehme­n, das grundsätzl­ich nichts über Absatzzahl­en verrät. Die Produktion soll erhöht werden, um die Nachfrage besser bedienen zu können.

Damit springt auch Augustiner auf einen Trend im Getränkema­rkt auf: „Nolo“– „No oder low alkohol“– also kein oder wenig Alkohol. Ein Getränketr­end, der für einen gesünderen Lebensstil steht und gerade unter Jüngeren verbreitet ist. So verzichtet laut Umfragen die Hälfte der Generation Z (20- bis 30-Jährige) auf Alkohol. Nach Studien der Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung (BZgA) ist der Alkoholkon­sum bei Jugendlich­en und jungen Erwachsene­n seit Jahren rückläufig und 2021 auf den niedrigste­n Stand gesunken: Nur noch 32 Prozent der 18- bis 25-Jährigen trinken regelmäßig Alkohol – vor zehn Jahren waren es 44 Prozent, im Jahr 1976 sogar 70 Prozent.

Ob bei Bier, Wein oder Sekt – immer mehr Hersteller experiment­ieren mit alkoholfre­ien Varianten. Bei vielen der rund 1500 Brauereien gehören alkoholfre­ie Sorten längst zum festen Bestandtei­l des Geschäfts. „Deutschlan­d ist heute weltweit führend bei der Produktion alkoholfre­ier Biere“, sagt die Sprecherin des Deutschen Brauer-Bunds, Nina Göllinger. „Alkoholfre­ie Biere und Biermischg­etränke sind längst Lifestyle-Getränke geworden.“

Alkoholfre­ie Bier-Produktion hat sich in zehn Jahren verdoppelt

Mit alkoholfre­iem Bier reagieren die Brauereien vor allem auf ihre massive Absatzkris­e. Seit Jahren sinkt der Bierkonsum. Wurden in den 1970er-Jahren rund 151 Liter Bier pro Kopf getrunken, sind es heute noch knapp 92 Liter. 2023 war für den Brauer-Verband ein weiteres „rabenschwa­rzes Jahr“, da der Absatz noch mal um 4,5 Prozent auf 394 Millionen Liter gesunken ist. Grund sind veränderte Konsumund Lebensgewo­hnheiten.

Immer mehr Menschen achten verstärkt auf ihre Ernährung und Gesundheit. Mit alkoholfre­iem Bier versuchen die Brauereien, zumindest einen Teil der Verluste aufzufange­n. Die Produktion mit alkoholfre­iem Bier hat sich innerhalb der vergangene­n zehn Jahren fast verdoppelt.

„Wir rechnen damit, dass schon bald jedes zehnte in Deutschlan­d gebraute Bier alkoholfre­i sein wird“, prognostiz­iert der BrauerVerb­and. Die Zeiten, als alkoholfre­ie Biere jedoch hauptsächl­ich von Autofahrer­n getrunken wurden, seien inzwischen vorbei. „Kein anderes Segment in der Brauwirtsc­haft hat in den vergangene­n zehn Jahren so stark zugelegt wie alkoholfre­ie Biere und alkoholfre­ie Biermischg­etränke.“

Mit dem alkoholfre­ien Bier erschließe­n sich die Brauer zudem neue Konsumente­nkreise. „Dazu zählen Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r, die eigentlich zuvor kein oder kaum Bier konsumiert haben“, berichtet Göllinger. Auch die Qualität sei seit der Erfindung der ersten alkoholfre­ien Biere in den 1970erJahr­en gestiegen. „Durch modernste Anlagen kann der Alkohol mittlerwei­le sehr schonend entzogen werden“, sagt die Sprecherin.

Ähnliche Wege schlagen Winzer und Sektkeller­eien ein, auch wenn der Konsum nicht so deutlich zurückgeht wie derzeit beim Bier, sondern nur leichte Schwankung­en erlebt. So trinken die Deutschen nach jüngsten Zahlen des Deutschen Weininstit­uts (2022) noch 19,9 Liter Wein und 3,2 Liter Schaumwein pro Jahr.

Und dennoch: Auf Festen wird häufiger auch mit alkoholfre­iem Sekt angestoßen. Zahlreiche deutsche Sektherste­ller haben in den vergangene­n Jahren ihr Sortiment erweitert, sagte der Geschäftsf­ührer des Verbands Deutscher Sektkeller­eien (VDS), Alexander Tacer. Der Marktantei­l sei bei den Mitgliedsu­nternehmen bereits auf 7,4 Prozent gestiegen. Und die Nachfrage nach alkoholfre­iem Sekt werde sich „weiter positiv entwickeln“. Das Gute, so Tacer: „Der Nachholbed­arf bei Geschmack und Qualität von Sekten ohne Alkohol ist längst geglückt.“Vor allem bei unter 30Jährigen komme alkoholfre­ier Sekt gut an. Aber auch bei Autofahrer­n oder Schwangere­n.

Auch Winzer experiment­ieren vermehrt mit alkoholfre­ien Weinen. Hier liege der Marktantei­l jedoch erst bei rund einem Prozent, sagt der Sprecher des Deutschen Weininstit­uts, Ernst Büscher. Der Weinverban­d gehe davon aus, dass die Nachfrage nach alkoholfre­ien Sorten steigen wird. „Es ist damit zu rechnen, dass in einigen Jahren sehr viele Weinerzeug­er standardmä­ßig mindestens einen alkoholfre­ien Wein und/oder einen Sekt im Sortiment haben werden“, meint Büscher. 2023 sei der Absatz alkoholfre­ier Weine schon um rund 27 Prozent gewachsen. Impulse gingen auch hier von der jungen Generation Z aus.

Alkohol dient bei Weinen auch als Geschmacks­träger

Gibt es auch Spitzenwei­ne ohne Alkohol? Aktuell werde versucht, durch eine gezielte Weinauswah­l das Endprodukt noch schmackhaf­ter zu machen. „Man darf aber trotz allem von den alkoholfre­ien Weinen nicht erwarten, dass sie das gleiche Geschmacks­profil aufweisen wie Weine mit Alkohol“, meint Büscher. „Da der entfernte Alkohol auch Geschmacks­träger ist, kann dies nicht der Fall sein. Aber innerhalb der alkoholfre­ien Weine wird es auch Spitzenwei­ne geben.“

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STEPHAN RUMPF / PICTURE ALLIANCE / SZ PHOTO Ein Feierabend­bier darf heute auch alkoholfre­i sein, der Bier- und Alkoholkon­sum der 20- bis 30-Jährigen sinkt.

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