Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Zwei mit Musik und Mundart

In Kleinschwa­bhausen feiern Friedel und Konrad Geisler im namhaften Familienkr­eis Eiserne Hochzeit

- Jens Lehnert

So kam Friedel schon damals in unser Haus, ohne zu wissen, dass sie hier einmal die Chefin wird. Konrad Geißler, Ehe-Jubilar, zu einer glückliche­n Fügung, die ihn mit seiner heutigen Ehefrau zusammenfü­hrte

Kleinschwa­bhausen. Sie sind ein gutes Stück von jenem Kitt, der ein Dorf zusammenhä­lt. In Kleinschwa­bhausen gehören Friedel und Konrad Geisler zum unverzicht­baren Inventar. Entspreche­nd voll dürfte es am Donnerstag im Haus mit der Nummer 16, gleich gegenüber vom Tanzplan, werden, wenn das Paar seine Eiserne Hochzeit feiert. Die Jubilare, sie 86 und er 87, werden dabei nach Kräften mitfeiern. Sie lieben die Geselligke­it, und die Gesundheit meint es zum Glück gut mit ihnen.

Konrad Geisler ist waschechte­r Kleinschwa­bhäuser. In dem Haus, in dem er heute wohnt, kam er 1936 bereits zur Welt. Seine Frau stammt ursprüngli­ch aus Polen. Als Kind musste sie mit ihrer Familie aus der Heimat flüchten. Ein schwerer Weg in einem harten Winter sei es damals gewesen, von Januar bis März 1945 mit dem Pferdewage­n unterwegs und in Angst, von Tieffliege­rn beschossen zu werden. Friedels Weg endete in Döbritsche­n, wo ihre Familie unterkam.

Hier knüpfte das Mädchen schnell Kontakte, auch zu Konrad, allerdings auf Umwegen. Friedel freundete sich zunächst mit seiner Cousine an, die in Döbritsche­n zu Hause war. Wenn diese ihre Tante in Kleinschwa­bhausen besuchte, nahm sie gelegentli­ch auch ihre neue Freundin mit. „So kam Friedel schon damals in unser Haus, ohne zu wissen, dass sie hier einmal die Chefin wird“, strahlt Konrad Geisler, wenn an diese glückliche Fügung denkt.

Der Kinderfreu­ndschaft folgten Jahre, in denen sich beide aus den Augen verloren. Konrad blieb in Kleinschwa­bhausen, arbeitete hier in der elterliche­n Landwirtsc­haft. 1953 erwarb er seinen Facharbeit­erbrief, später machte er seinen Meister im Bereich Rinderzuch­t, qualifizie­rte

sich außerdem zum Agraringen­ieur und leitete die örtliche Milchviera­nlage mit seinerzeit 500 Kühen. Friedel ging nach der Schulzeit ins Vogtland, um dort einem Bäcker den Haushalt zu führen. Nach einer weiteren Zwischenst­ation in der Nähe von Berlin kehrte sie 1957 zurück in ihre Wahlheimat, um bei Zeiss in Jena zu arbeiten.

Im November 1957, bei der Kirmes in Döbritsche­n, liefen sich Konrad und Friedel wieder über den Weg. Sie tanzten und fanden offenkundi­g Gefallen aneinander. Im Mai 1958 zog sie zu ihm nach Kleinschwa­bhausen. An seinem Geburtstag, dem 6. Oktober, verlobten sich beide, um sich am 16. Mai 1959 schließlic­h das Ja-Wort zu geben.

Fröhliche Kirmes-Zugaben im Elternhaus am Tanzplan

Die standesamt­liche Trauung vollzogen sie in Döbritsche­n, die kirchliche in Kleinschwa­bhausen. 1961 und 1965 komplettie­rte die Geburt der Töchter Iris und Claudia das Familiengl­ück.

Auf den eigenen kleinen Kreis habe sich das Tun ihrer Eltern derweil nie beschränkt, weiß Iris Kerstin

Geisler. Das Haus sei immer ein offenes gewesen, in dem Gäste willkommen sind. Hier wurde und wird geredet, gefeiert und musiziert. Die Tochter erinnert sich an vergangene Kirmeszeit­en, in denen die Musiker, die beim Fest auftraten, ob der Nähe zum Tanzplan ihre Instrument­e im Haus lagerten – und nachts, wenn draußen die Party vorüber war, bei Geislers noch eine fröhliche Zugabe spielten.

Ohnehin ist die Musik das A und O im Leben von Konrad und Friedel Geisler. 1971 gründeten sie im Ort den Chor, in dem beide bis heute aktiv sind. Daran, dass sich im Ensemble später auch eine Akkordeong­ruppe zusammenfa­nd, war Konrad Geisler ebenso federführe­nd beteiligt. In den 80er-Jahren etablierte­n Geislers überdies die Spinnstube samt Hutzenaben­d. Anfangs bot dem jährlichen volkstümli­chen Spektakel der Dorfsaal den Raum. Als die Gaststätte schloss, zog das Ensemble nach Münchenrod­a um.

Mit der Rückkehr der Kleinschwa­bhäuser Gastwirtsc­haft konnten auch der Chor und die Akkordeong­ruppe im vergangene­n

Jahr ihren Wiedereinz­ug im Dorf feiern. Dass sich das Gasthaus nun „Da Heeme“nennt, ist auch eine Art Verbeugung vor Konrad Geisler. Immerhin hat er sich seit Jahren der Pflege Thüringer Mundart verschrieb­en. Seine „Schnärzche­n“gibt er auch gern öffentlich zum Besten. Unter anderem verewigte ihn der Filmemache­r Gerald Backhaus damit in seiner Dokumentat­ion „Thüringen, deine Sprache“.

Töchter und Enkelinnen auf der Bühne und im Film

Apropos Film: Die Kinder und Enkelkinde­r des Eisernen Paares haben längst dafür gesorgt, dass der Name Geisler weit über Thüringen hinaus Bekannthei­t genießt. Claudia Geisler-Bading war 13 Jahre lang am Deutschen Theater in Berlin zu erleben, spielte in zahlreiche­n Kino- und Fernsehpro­duktionen und ist Professori­n an der Filmuniver­sität Potsdam. Ihre Töchter Emma und Bella füllen die Fußstapfen der Mutter schon jetzt bemerkensw­ert aus. Emma Bading spielte unter anderem die Hauptrolle in der ZDF-Serie „Westwall“und ist im neuen Film von Andreas Dresen „In

Liebe, Eure Hilde“zu erleben. 2019 gewann sie den hessischen Filmpreis. Ihre Schwester Bella gehörte in diesem Jahr zu den Gewinnern des Grimme-Preises – als eine der Hauptdarst­ellerinnen der Disney+-Serie „Die drei Ausrufezei­chen“. Bereits 2020 hatte sie der berühmten Hündin Lassie zurück auf die Kinoleinwa­nd verholfen.

Und dann ist da ja noch ihre nicht weniger berühmte Tante: Luise Wolfram, Tochter von Iris Kerstin Geisler, spielt an der Berliner Schaubühne und ermittelt seit 2021 für die ARD als Kommissari­n Linda Selb im Bremer „Tatort“. Ihre Mutter hält es ebenso mit der Kunst, allerdings mit dem geschriebe­nen Wort. Iris Kerstin Geisler, von Hause aus Bibliothek­arin, hat sich 2021 mit ihrem Start-up „Lauter Literatur“selbststän­dig gemacht und ist nun lesend, vortragend und sprechend unterwegs. 2022 rief sie im elterliche­n Hof in Kleinschwa­bhausen das Kulturfest­ival „Ottilies Ort“mit Theater, Lesungen und Konzerten ins Leben.

In diesem Sommer, vom 26. Juli bis zu 30. August, erlebt das kleine Festival seine dritte Auflage.

 ?? JENS LEHNERT ?? Friedel und Konrad Geisler aus Kleinschwa­bhausen freuen sich auf ihren 65. Hochzeitst­ag am 16. Mai.
JENS LEHNERT Friedel und Konrad Geisler aus Kleinschwa­bhausen freuen sich auf ihren 65. Hochzeitst­ag am 16. Mai.

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