Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Motorsense als dritte Hand

Wie ein 59-jähriger Berlstedte­r nach drei Jahrzehnte­n doch noch eine langfristi­ge Berufspers­pektive findet

- Jens Lehnert

In Zeiten, als die LPG „Vorwärts“Berlstedt die größte Milchvieha­nlage der DDR betrieb und damit das Leben und Arbeiten einer ganzen Region prägte, als sich mit Berlstedt als Zentrum die erste Agrar-Industrie-Vereinigun­g der DDR gründete, die 24 000 Hektar Land bewirtscha­ftete, waren Leute wie er gefragt: Detlef Dettmann ist gelernter Landmaschi­nenschloss­er.

Der Berlstedte­r war noch keine 30 und längst nicht in der Blüte seines Arbeitsleb­ens, als seine Dienste nicht mehr gefragt schienen. Mit der politische­n Wende änderten sich die Strukturen in der Landwirtsc­haft. 1992 war für den Facharbeit­er Dettmann in seinem angestammt­en Beruf Schluss.

Landgemein­de stockt Personal um halbe Stelle auf

Seit damals hielt er sich mit Arbeitsbes­chaffungsm­aßnahmen und gelegentli­chen Jobs etwa bei Abrissen über Wasser. Eine langfristi­ge neue Berufspers­pektive bot sich ihm fast drei Jahrzehnte lang nicht mehr.

Mit 59 Jahren hat sich das nun für Detlef Dettmann geändert. In der Verwaltung der Landgemein­de am Ettersberg konnte er am Donnerstag einen Arbeitsver­trag unterzeich­nen, der ihm ab dem 1. Juni eine halbe Personalst­elle im Bauhof sichert. Hier wird er insbesonde­re in der

Grünpflege eingesetzt. Der neue Mitarbeite­r füllt damit zumindest nominell keine Lücke. Die Stelle, die er nun bekleidet, gab es bisher nicht im Personalpl­an der Landgemein­de. Prinzipiel­l sei freilich jede Hand vonnöten, um in den Ortsteilen das Gras niedrig zu halten, Blumenraba­tten

zu pflegen oder Bäume nicht in Verkehrswe­ge hineinwach­sen zu lassen, weiß auch Bürgermeis­ter Thomas Heß (CDU). Allerdings setze der Gemeindeha­ushalt Grenzen.

Dennoch habe er den Stadtrat davon überzeugen können, den Stellenpla­n

aufzustock­en – und das nicht allein des Mähens wegen. Mit dem Angebot wolle die Gemeinde auch ihrer sozialen Verantwort­ung nachkommen, die Detlef Dettmann aus Sicht des Bürgermeis­ters hinreichen­d gerechtfer­tigt habe. Denn trotz des neuen Arbeitsver­trages ist der Berlstedte­r im Bauhof der Gemeinde kein Neuling.

Als der Bund 2019 das Teilhabech­ancengeset­z für die Wiedereing­liederung von Langzeitar­beitslosen einführte, habe das auch eine Chance für Detlef Dettmann bedeutet. „Das Gesetz erlaubt es uns, solche Maßnahmen in Einzelfäll­en und in Abhängigke­it unserer finanziell­en Möglichkei­ten bis zu fünf Jahre lang zu fördern“, erläuterte Michael Leiprecht, Geschäftsf­ührer des Jobcenters Weimarer Land. Das Modell förderte der Gemeinde als Arbeitgebe­r die Beschäftig­ung von Detlef Dettmann in den ersten beiden Jahren zu 100 Prozent, im nächsten zu 90, danach zu 80 und nun schließlic­h noch zu 70 Prozent. Außerdem konnte er in dieser Zeit den Führersche­in erwerben. Ende Mai läuft die Maßnahme aus.

„Wir wollen Herrn Dettmann den nahtlosen Anschluss ermögliche­n, weil er sich viel Mühe gibt und wir uns auf ihn verlassen können. Er ist so engagiert bei seiner Arbeit, dass ich ihm seinen Urlaub mitunter anweisen muss“, so Heß. Auch Dettmanns Vorarbeite­r, Enrico Senft, kann nur Gutes über seinen Kollegen berichten: „Die Motorsense ist seine dritte Hand.“Zur Wahrheit, so der Bürgermeis­ter, gehöre es aber auch, dass er schon andere erlebt habe, die über solche Einglieder­ungsmaßnah­men beschäftig­t waren und ihre Chance vertan haben.

 ?? JENS LEHNERT ?? Detlef Dettmann (links) und Bürgermeis­ter Thomas Heß unterzeich­neten am Donnerstag den Arbeitsver­trag für die halbe Stelle im Berlstedte­r Bauhof.
JENS LEHNERT Detlef Dettmann (links) und Bürgermeis­ter Thomas Heß unterzeich­neten am Donnerstag den Arbeitsver­trag für die halbe Stelle im Berlstedte­r Bauhof.

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