Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Mehr Leben auf dem August-Frölich-Platz
Wie sich ein noch viel befahrener Weimarer Knotenpunkt zum zentralen Kiez-Platz für die Bewohner der Westvorstadt entwickeln soll:
Die Metropole Berlin gilt vielen als überlaufen, hektisch, laut, schmutzig und unpersönlich. In mindestens einem Punkt hat sie allerdings Lebensqualität zu bieten, die sich in Weimar weniger ausgeprägt findet: Jeder Kiez hat seinen zentralen Platz, auf dem der Alltag zur Ruhe kommen kann, wo es grün ist, wo Kinder spielen, Eltern sich am Kiosk nebenan einen Kaffee holen, auf einer Bank Platz nehmen und Autos nur zur Randerscheinung gehören.
Die Verlagerung des Busbahnhofes ist für uns nicht das Hauptthema. Es gibt durchaus auch Anwohner, die ihn hier behalten wollen. Gall Podlaszewski , Mitglied der Bürgerinitiative für einen menschenfreundlichen August-Frölich-Platz
Genau solch einen Platz vermissen Bewohner der Weimarer Westvorstadt in ihrem Viertel. Den Raum, um Abhilfe zu schaffen, haben sie längst gefunden: den August-Frölich-Platz vor der katholischen Kirche. Allerdings ist der noch ein Stück davon entfernt, als Wohnzimmer für den Stadtteil zu taugen. Immerhin münden sechs gleichrangige, zum Teil schwer einsehbare Straßen auf den Platz. Und der Überland-Busverkehr bahnt sich hier seinen Weg zum Busbahnhof in der Fallerslebenstraße. Das macht Passanten und Leuten, die hier verweilen wollen, das Leben schwer – erst recht jenen, die nichts anderes möchten, als den Platz sicher zu überqueren.
Drei Tage Sperrung vor der Herz-Jesu-Kirche
Aus diesem Grund hatten Anwohner schon von 2021 auf 2022 eine Online-Petition verfasst, um eine Querungshilfe zu erhalten. Mehr als 1000 Befürworter unterzeichneten seinerzeit das Papier.
Dass es tatsächlich anders geht, erwies sich nun über Pfingsten. Die Bürgerinitiative für einen menschenfreundlichen August-FrölichPlatz richtete vor der Kirche von Samstag bis Montag ein Fest aus,
wofür der Platz an allen drei Tagen für den Fahrzeugverkehr gesperrt wurde. Dennoch stand Weimars Stadtverkehr nicht vorm Kollaps. Hier und da wunderten sich Fahrer zwar über die ungewohnte Blockade. Dennoch fanden sie einen Ausweg. Und die Busse, die sonst direkt gegenüber der Kirche halten, ordneten sich augenscheinlich problemlos an den Haltestellen entlang der Fallerslebenstraße ein.
Schon im März hatte die Stadt einen Versuch unternommen, um die Verkehrssituation dort zu entschärfen. Sowohl an der Einmündung der Steuben- als auch der Washingtonstraße wurden auf dem Platz provisorische Verkehrsinseln aufgestellt. Jene vor der ehemaligen Adler-Apotheke bewährt sich seitdem offenbar sehr gut. „Sie wirkt fast wie ein Zebrastreifen. Die Fahrer gehen hier bewusst vom Gas und geben Obacht“, sagt Gall Podlaszewski von der Bürgerinitiative.
Die Stadt wolle diese zunächst mobile Insel nun auch fest im Boden verdübeln. Auf der anderen Seite des Platzes zur Washingtonstraße
hin suche man hingegen noch nach einer praktikablen Lösung. Die hier aufgestellten Insel-Elemente erzielten bislang nicht die gewünschten Effekte, im Gegenteil. „Autos und Busse umfahren sie mitunter in so weiten Bögen, dass es für die Verkehrssituation eher noch gefährlicher wird“, so Podlaszewski. Aber: Die anwohnerfreundliche Umgestaltung des August-Frölich-Platzes sieht er ohnehin als Lern- und Erfahrungsprozess. „Das wird nicht alles gleich morgen passieren können.“
Für Vorschläge, was konkret hier passieren kann, ist die Initiative von Beginn an offen. Sie zu sammeln, ist Teil ihres Daseins. Eine Wegmarke hat sie sich für 2027 gesetzt, wenn der Platz zu drei neuen Bänken kommen soll. Ebenso hat für sie das Jahr 2029 Bedeutung. Schließlich war es lange erklärtes Ziel der Stadt, dann den Busbahnhof aus der Innenstadt auf einen neuen sogenannten Mobilitätsknoten nördlich des Bahnhofes zu verlagern. Das würde die Situation am August-FrölichPlatz entspannen. Ob sich die Idee
dieses neuen Verkehrsknotens, für den die Stadt auch Flächen der Bahn benötigt, ob der noch ungeklärten Nutzungsrechte im erhofften Zeitplan und Umfang verwirklichen lassen, ist jedoch vage.
Zwei Haltestellen könnten verlegt werden
„Die Verlagerung des Busbahnhofes ist für uns nicht das Hauptthema. Es gibt durchaus auch Anwohner, die ihn hier behalten wollen, um weiterhin einen kurzen Weg zum Bus zu haben“, sagt Podlaszewski. Einen guten Kompromiss sähe er etwa darin, auf die beiden Haltestellen gegenüber der Kirche, an denen ohnehin pro Tag weit weniger als zehn Busse stoppen, zu verzichten und sie zu den anderen in die Fallerslebenstraße zu verlegen. Der dadurch gewonnene Raum samt der gepflasterten Busspur vor der Koriat-Bäckerei solle dem Fußweg zugeschlagen werden.
Dadurch würde die Fahrbahn schmaler, was letztlich auch den Verkehr besser ordne und einbremse. Sollte der Busbahnhof doch irgendwann
umziehen, sei es denkbar, den Raum der Fallerslebenstraße zum Spielterrain zu gestalten, das sowohl die Jenaplanschule als auch die Kinder aus dem Viertel nutzen können, oder den darunter verlaufenden Lottebach freizulegen. Auch über die Idee, jenes Stück Lincolnstraße zwischen der HerzJersu-Kirche und der Insel an der Richard-Wagner-Straße aus dem Verkehr zu ziehen, zu begrünen und damit den Platz von Verkehr zu entlasten, wird gelegentlich geredet.
Die Initiative steht allerdings so weit in der Realität, dass sie solche Wünsche erst einmal unter der Kategorie Zukunftsmusik verbucht. Schließlich haben ihre Mitstreiter längst selbst erfahren, dass Machen Geld kostet. Fürs Platzfest zu Pfingsten erließ ihnen die Stadt zwar die Sondernutzungsgebühr, was immerhin rund 1000 Euro ausmache. Dafür, den Platz von einem Unternehmen mit Baken sperren und ausschildern zu lassen, mussten sie dennoch 3000 Euro berappen. Hierbei unterstützte der Erfurter Verein Culture goes Europe.