Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Chaot, Arzt, Rocker
Olympiasieger Hans-georg Aschenbach, der aus Brotterode stammt, wird heute 65
Freiburg. Das erste Geschenk hat Skisprung-legende Hansgeorg Aschenbach bereits vor seinem 65. Geburtstag am Dienstag erhalten. Der erfolgreichste Skispringer des 1970erjahrzehnts wurde mit der Geburt einer Enkeltochter zum sechsten Mal Opa. „Wie ein alter Großvater fühle ich mich aber überhaupt nicht. Ich bin fit, unternehmungslustig und manchmal auch ehrgeizig wie eh und je“, sagt der aus Brotterode in Thüringen stammende frühere Super-athlet.
Aschenbach arbeitet seit 1993 als niedergelassener Arzt im badischen Freiburg-munzingen. Die Freiburger Sportmediziner wollten ihn nach seiner Flucht aus der DDR nicht.
Aschenbach, einer der bisher nur drei deutschen Skisprungolympiasieger im Einzel, hat sein Leben lang polarisiert. Der heimatverbundene und weltoffene Ausnahmekönner war Weltmeister auf der Normal-, Groß- und Flugschanze, gewann die Vierschanzen-tournee und war Ddr-sportler des Jahres. „Als Sportler war ich ein ehrgeiziger und egoistischer Chaot, aber im Wettkampf psychisch stabil. Ich habe mich immer unter Druck gesetzt“, sagt Aschenbach der Deutschen Presse-agentur. Er galt als absoluter Vorzeige-sportler, studierte als diplomierter Sportlehrer noch Medizin an der Militärmedizinischen Sektion der Universität Greifswald.
Nach seiner Flucht 1988 machte der durch seine Sporterfolge bis zum Oberstleutnant der Nationalen Volksarmee aufgestiegene Arzt Staatsdopingpraktiken öffentlich. Die Stasi wollte den erfolgreichen Sportler sowie wohl ranghöchsten Offizier, der je in den Westen geflüchtet war, entführen. „Ich würde fast alles wieder genauso machen, auch wenn nicht alles richtig war“, sagt Aschenbach im Rückblick. „Ich bin öfter hinund hergerissen, im Zwiespalt gegenüber meiner Familie und denen, die mir die leistungssportliche Karriere ermöglicht haben.“
Feier zum Geburtstag ist nicht geplant
Unheimlich stolz ist er auf die Aufnahme in die „Hall of Fame“des deutschen Sports. „Das ist Stolz auf mich und Dankbarkeit gegenüber denjenigen, die mich zu den Erfolgen führten“.
Seine eigenen sportlichen Aktivitäten sind geringer geworden, aber nicht weniger ehrgeizig. „Zum bissel lockerem Radfahren kommt meine alte leidenschaftliche Liebe Fitness-raum. Bodybuilder wie Arnold Schwarzenegger oder Ralf Möller haben mich schon immer begeistert, auch wenn ich nicht in der Lage bin, auch nur annähernd so zu werden. Ich mach‘s aber für meinen Körper. Schließlich ist Eitelkeit nach wie vor mein zweiter Name“, sagt er schmunzelnd.
Eine Feier zum 65. Geburtstag hat Aschenbach nicht geplant. Er will stattdessen eine Woche „Bau-urlaub“für seinen Schwiegersohn nehmen, der ein Autohaus gekauft hat. Nach seinem 65. will er beruflich etwas kürzer treten, die Arbeit reduzieren. Auch um mehr Zeit für seine große Motorrad-leidenschaft zu haben. „Ich bin im Motorrad-club Black Devils. Da haben sich echte Freundschaften entwickelt. Mit meinen Kumpels bin ich Senioren-rocker“, sagt er schmunzelnd. Ehefrau Regina ist mit ihrer Harley auch dabei. „Das macht unheimlich viel Spaß.“