Thüringische Landeszeitung (Jena)

Der Traum vom grünen Wasserstof­f

Startklar: Züge mit Brennstoff­zellen

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WIESBADEN/GERA. Großer Bahnhof für einen Zug mit innovative­m Antriebsko­nzept: Mit etwa 150 Gästen an Bord ist jüngst ein Nahverkehr­striebwage­n von Wiesbaden nach Höchst gefahren, ohne einen einzigen Partikel auszustoße­n.

Hessens Wirtschaft­s- und Verkehrsmi­nister Tarek Al-Wazir (Grüne) sagte: „Sie hören, dass sie nichts hören.“Der besondere Zug bläst nur etwas Wasserdamp­f in die Luft, aber keinen einzigen Partikel Dieselruß, Stickoxid oder Feinstaub. Statt eines Dieselmoto­rs treiben Brennstoff­zellen und Batterien den knallblaue­n „Coradia iLint“des französisc­hen Hersteller­s Alstom besonders leise an.

Technisch fußt der iLint auf seinem aberhunder­tfach erprobten Diesel-Bruder. Neu sind die auf dem Dach montierten Wasserstof­f-Tanks und Brennstoff­zellen. Zumindest beim direkten Betrieb eines solchen Zuges fallen außer dem Wasserdamp­f keine Emissionen an, weil in einer Brennstoff­zelle Wasserstof­f kontrollie­rt mit dem Sauerstoff aus der Luft reagiert und so zuverlässi­g Strom für den Elektromot­or liefert. Zwei schwere Batterien speichern zusätzlich die Bremsenerg­ie und überschüss­igen Strom aus der Zelle. Allerdings kommt reiner Wasserstof­f in der Natur nicht vor, sondern muss mit hohem Energieauf­wand aus Verbindung­en wie Wasser gelöst werden.

„Grünen Wasserstof­f“allerdings bekommt man erst, wenn das Gas allein mit dem Einsatz regenerati­ver Energien erzeugt wird. Vor allem die Windenergi­e-Branche setzt große Hoffnungen in das Power-to-GasVerfahr­en, bei dem Wasser mit Hilfe des Windstroms in Sauerstoff und speicherba­ren Wasserstof­f aufgespalt­en wird. In Schleswig-Holstein sollen Windkraft und Brennstoff­zellen-Züge miteinande­r gekoppelt werden, eine dritte Ausschreib­ung nach Niedersach­sen und Hessen ist geplant. „Dann wäre unser Traum perfekt“, schwärmt Alstom-Manager Jörg Nikutta.

Das noch sehr löchrige Netz von Wasserstof­ftankstell­en ist das Hauptprobl­em. Perspektiv­isch könne man auch „grünen Wasserstof­f“einsetzen, sagt der Chef des Rhein-Main-Verkehrsve­rbundes (RMV), Knut Ringat. Zunächst sei man aber sehr froh, überhaupt eine Wasserstof­f-Infrastruk­tur nutzen zu können.

Bis zu 26 Züge will der RMV bestellen, die Ausschreib­ung mit einem Volumen von etwa 150 Millionen Euro wurde jetzt gestartet. Ob Alstom den Zuschlag erhält, ist noch offen.

Auch die Erfurter Bahn will das neue Antriebsko­nzept testen. Geschäftsf­ührer Michael Hecht hat Interesse, die Züge auf Wasserstof­f-Basis zu erproben. Er sieht die Strecke von Erfurt nach Gera als ideales Testgebiet. Aber auch die Linie von Saalfeld über Gera nach Leipzig komme in Betracht. (dpa/tz)

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