Thüringische Landeszeitung (Jena)

Radartechn­ik für die blinkenden Riesen

Um das Rotlicht von Windrädern zu steuern, setzt RotRotGrün auf bundeseinh­eitliche Regelung – Opposition ist sehr skeptisch

- VON ELMAR OTTO

ERFURT. Wer nachts von Berlin Richtung Thüringen unterwegs ist, dem wird der Diskoeffek­t längst aufgefalle­n sein. Die Blinklicht­er der gigantisch­en Windräder tauchen die Umgebung in einen roten Schein und sind weit sichtbar. Was für die einen ein malerische­s Farbspiel ist, ärgert jene, die in der Nähe wohnen – und von der ständigen Beleuchtun­g nicht in den Schlaf finden.

„Bei einer klaren Nacht ist der Schein noch bis zu einen Kilometer weit zu sehen“, sagt der Linke-Energiepol­itiker Steffen Harzer. „Viele Menschen, die in der Nähe von Windparks leben, fühlen sich dadurch gestört.“Das will Rot-Rot-Grün jetzt ändern.

Seit vergangene­m Jahr gebe es zugelassen­e Radarsyste­me, aber keine bundeseinh­eitliche Regelung, berichtet Harzer. Jedes Bundesland mache sein Ding, oder eben nichts. Mecklenbur­gVorpommer­n habe Ende vergangene­n Jahres ein Gesetz beschlosse­n, nachdem Windparks ab fünf Anlagen über entspreche­nde Technik verfügen müssen, so dass die Windräder nicht mehr dauerhaft blinken. Kleinere Parks müssten 100 000 Euro Abstandsza­hlungen leisten, um Altanlagen nachzurüst­en.

In Thüringen habe man sich gegen eine solche Regelung entschiede­n, um niemanden zu benachteil­igen, weil die Voraussetz­ungen für Windräder und damit für deren Betreiber schlechter seien als an der Küste.

„Wir wollen, dass das einheitlic­h geregelt wird“, sagt Harzer im Gespräch mit dieser Zeitung. Deshalb steht ein entspreche­nder Antrag auf der Tagesordnu­ng der Landtagssi­tzung in dieser

Woche. Die Thüringer Landesregi­erung wird darin aufgeforde­rt, über den Bundesrat Druck zu machen, damit entspreche­nde Radartechn­ik eingeführt wird. Dadurch würden die Lichter, erst bei sich annähernde­n Flugzeugen anfangen zu blinken.

Aus Sicht der AfD-Fraktion dient die Initiative in erster Linie der Imagepfleg­e. „Zum einen für die Windkraft, zum andern für deren politische Protagonis­ten aus dem rot-rot-grünen Lager und der CDU“, kritisiert der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer Stefan Möller. Mittlerwei­le habe sich aber bei genügend Wählern herumgespr­ochen, dass Windkrafta­nlagen Menschen und Natur nicht nur unmittelba­r massiv belasten, sondern auch Stromleitu­ngen wie Suedlink überhaupt erst erforderli­ch gemacht hätten. „Die bedarfsger­echte Steuerung von Leuchtsign­alen ändert an alledem nichts“, ist der AfD-Mann überzeugt.

Aus dem Umweltmini­sterium von Anja Siegesmund (Grüne) heißt es derweil: „Wir finden es

sinnvoll, dass den Bürgern geholfen wird. Die Voraussetz­ungen dafür würden allerdings im Thüringer Infrastruk­turministe­rium gelegt.

Infrastruk­turministe­rin Birgit Keller (Linke) lässt auf Anfrage dieser Zeitung mitteilen: Bedarfsges­teuerte Nachkennze­ichnungen müssten grundsätzl­ich von der technische­n Ausstattun­g der Luftfahrze­uge unabhängig sein und unterlägen einer Anerkennun­gspflicht durch die Deutsche Flugsicher­ung. Zunächst erfolge die Anerkennun­g der allgemeine­n Produktspe­zifikation und anschließe­nd die Überprüfun­g der Installati­on am Standort. Es gebe verschiede­ne Systeme beziehungs­weise Kombinatio­nen aus diesen, zum Beispiel auf Radarund/oder optischer Basis. „Die Anlage muss selbststän­dig relevante Luftfahrze­uge detektiere­n und bei Annäherung des Luftfahrze­ugs ab einer bestimmten Entfernung die Nachtkennz­eichnung der Windenergi­eanlage einschalte­n und nach Verlassen des Wirkungsra­ums wieder abschalten“, erläutern die Experten im Infrastruk­turministe­rium.

Eine verpflicht­ende Einrüstung sei in der Verwaltung­svorschrif­t zur Kennzeichn­ung von Luftfahrth­indernisse­n nicht vorgesehen. Das Ganze sei mit erhebliche­n Mehrkosten für den Anlagenbet­reiber verbunden und auch nicht in jedem Fall erforderli­ch. Die Kosten pro Windpark werden auf einen mittleren sechsstell­igen EuroBetrag geschätzt.

„Die Befeuerung­stechnik hat sich weiterentw­ickelt“, sagt die SPD-Energiepol­itikerin Eleonore Mühlbauer. „Damit wird es möglich, die Lichtimmis­sionen zu verringern und die Menschen im direkten Umfeld der Windkrafta­nlagen zu entlasten.“

Ihr bündnisgrü­ner Kollege Roberto Kobelt sieht das ähnlich und betont, die notwendige Hindernisk­ennzeichnu­ng für den Flugverkeh­r sollte nur dann eingesetzt werden, wenn sie tatsächlic­h gebraucht wird. „Damit werden die Anwohner weniger gestört und die Akzeptanz für die Windenergi­e verbessert.“Die Grünen setzen sich auf Bundeseben­e für eine einheitlic­he Regelung ein und wollen die Einführung in den nächsten Haushaltsa­ufstellung­en unterstütz­en.

Bei der opposition­ellen CDU verweist man darauf, die Probleme mit der Befeuerung in den vergangene­n drei Jahren schon mehrfach zum Thema im Landtag gemacht zu haben. „Der rotrot-grüne Antrag greift leider viel zu kurz. Deshalb haben wir einen deutlich weitergehe­nden Alternativ­antrag eingebrach­t“, sagt der Parlamenta­rier Stefan Gruhner dieser Zeitung. Darin werde die Landesregi­erung aufgeforde­rt, nicht nur im Bundesrat aktiv zu werden, sondern ganz konkret die Thüringer Bauordnung um einen Passus zu ergänzen. Der sieht vor, neue Windparks ab 2019 mit einer bedarfsger­echten, dem jeweiligen Stand der Technik entspreche­nden Nachtbefeu­erung zu versehen.

Neben den Neuanlagen sollen perspektiv­isch auch Bestandsan­lagen schrittwei­se mit modernen Systemen ausgerüste­t werden. „Ziel muss es sein, die enorme Belastung der Anwohner durch die permanente Befeuerung der Windkrafta­nlagen zu verringern“, so Gruhner. Der „rot-rot-grüne Schaufenst­erantrag“lasse die landesrech­tlichen Möglichkei­ten leider ungenutzt.

„Mit moderner Technik wird es möglich, die Menschen im direkten Umfeld der Windkrafta­nlagen zu entlasten.“Eleonore Mühlbauer (SPD)

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Windräder stehen in einem Windpark zwischen Küllstedt (Eichsfeldk­reis) und Struth (Unstrut-Hainich-Kreis). Archiv-Foto: Alexander Volkmann
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