Thüringische Landeszeitung (Jena)
127 Gramm zum Kuscheln
Silvio Dietzel zieht mit dem KattaWeibchen Ida zum vierten Mal ein WaisenÄffchen mit der Hand auf
SONDERSHAUSEN. Trennt man Ida von dem kleinen Stück braunen Fell, auf dem sie meist liegt, dann fiepst das Äffchen laut und versucht, sich verzweifelt an der haarigen Haut festzuklammern. Das Fellstück ist die Ersatzmutter für das drei Wochen alte Katta-Baby aus dem Affenwald Straußberg bei Sondershausen.
„Affenpapa“ist hingegen Silvio Dietzel. Bereits zum vierten Mal zieht er ein Affenkind aus seinem Erlebnispark per Hand auf. Erst im letzten Jahr war das Katta-Mädchen Heather nach 100 Tagen erfolgreicher Aufzucht durch einen tragischen Unglücksfall gestorben. Danach sollte mit dem Aufpäppeln von Waisenkindern endgültig Schluss sein. Aber das hatte sich der 47-jährige Affenwald-Chef wahrscheinlich schon öfters geschworen.
Dietzel kennt seine Äffchen ganz genau und streift im Frühjahr, wenn die Weibchen trächtig sind, besonders aufmerksam durch das Gehege. „Die Kattas bekommen ihre Jungen meist im März, im April und Mai folgen die Varis, von Mai bis Juli dann die Berberaffen“, zählt Dietzel auf. Auch das Katta-Weibchen Finju stand kurz vor ihrer Niederkunft, als Dietzel am 24. März gegen 14 Uhr seinen Rundgang machte.
Als der Chef gegen 17.30 Uhr vom Fußball zurückkam, sah er das Junge und bemerkte, dass Finja vom anderen Weibchen gemobbt wurde. „Finja ist mit zwei Jahren für eine Mutter noch sehr jung und bekam ihr Junges in diesem Jahr vor dem Alpha-Weibchen – das sorgte für Stress“, erklärt Silvio Dietzel die Situation. Finja verlor offensichtlich auf der Jagd im dichten Gebüsch kurz darauf ihr am Bauchfell klammerndes Jungtier. Dietzel fand das kleine, nur 67 Gramm wiegende Fellknäuel sehr schnell, während die Mutter es ebenso schnell aufgab. „Ein für Kattas durchaus normales Verhalten. Die Tiere trauern nicht so lange wie beispielsweise Gorillas“, weiß Dietzel.
Aber auch der Affenparkchef hatte sich geschworen, nicht mehr zu trauern und der „Natur ihren Lauf“zu lassen. „Ich überlegte zehn Minuten lang, dann nahm ich es zu mir.“Das AffenMädchen wurde Ida genannt, da in diesem Jahr die Namen aller Jungtiere mit dem Buchstaben „I“beginnen sollen. Silvio Dietzel musste nur noch Partnerin Sandra überzeugen, denn es standen wieder einmal unruhige Nächte bevor.
Doch die beiden hatten mit der Handaufzucht ja schon Erfahrung. Alle zwei Stunden bekam Ida ein winziges Fläschchen mit Säuglingsmilch. Inzwischen sind die Pausen zwischen den Mahlzeiten schon bis auf vier Stunden angewachsen, und das Äffchen bringt 127 Gramm auf die Waage. „Sie trinkt gut und sie ist vor allem viel ruhiger und nicht so anstrengend wie Heather“, zieht Dietzel den Vergleich zu seinem letzten „Baby“. Wenn Ida nicht in ihrer Katzenbox schläft, dann kuschelt sie wie alle ihre Vorgänger mit Vorliebe im alten Heiz-Hausschuh von Dietzels Oma.
Die kritische Phase der ersten ein, zwei Wochen ist überstanden. Silvio Dietzel nimmt Ida täglich mit in den Affenwald, der Kontakt zur Horde soll nicht abreißen. Ab Juli wird das Affenmädchen in den „Kindergarten“gehen. „Ich möchte sie stundenweise an die Gruppe gewöhnen“, erklärt Dietzel. „Wenn alles gut läuft, dann soll Ida ab August oder September im Gehege mit den anderen Affen zusammen leben.“
Noch in diesem Jahr will Dietzel zwei weitere Affenhäuser aufstellen. Das Göttinger Primatenzentrum möchte wegen eigener Umbauarbeiten fünf Varis und neun Kattas für anderthalb Jahre auslagern. „Das ist ein großer Vertrauensbeweis für unsere Arbeit“, findet Silvio Dietzel. In der Vergangenheit gab es schon öfters eine Zusammenarbeit – Studenten forschten auch im Straußberger Affenwald. Im vergangenen Jahr wurden rund 50 000 Besucher in dem Erlebnispark mit Sommerrodelbahn gezählt.
• Der Affenwald ist bis zum . Oktober täglich geöffnet.