Thüringische Landeszeitung (Jena)

Studie: Kinder sollten häufiger barfuß laufen

Sportmediz­iner aus Hamburg, Jena und Südafrika haben einen Vergleich gestartet – Schuhetrag­en begünstigt Fehlstellu­ngen

- VON BERNHARD SPRENGEL

HAMBURG/JENA. Barfußgehe­n ist gesund. Das belegt eine neue Vergleichs­studie von Sportmediz­inern in Deutschlan­d und Südafrika. Die Forscher untersucht­en und vermaßen dafür die Füße von 1015 Kindern und Jugendlich­en im Alter von sechs bis 18 Jahren in beiden Ländern. In der südafrikan­ischen Westkap-Provinz um die Stadt Stellenbos­ch sei das Barfußgehe­n bei Kindern und Jugendlich­en sehr verbreitet, unabhängig vom sozialen Status, so der Hamburger Sportmediz­iner Karsten Hollander, der das Forschungs­projekt zusammen mit seiner Jenaer Kollegin Professori­n Astrid Zech leitete. „Auch die Studenten gehen barfuß zur Uni.“

Die Versuchste­ilnehmer in Deutschlan­d, Schüler aus Hamburg und den angrenzend­en schleswig-holsteinis­chen Landkreise­n Pinneberg, Segeberg, Stormarn und Herzogtum Lauenburg, tragen natürlich die meiste Zeit des Jahres Schuhe. Die Forscher beobachtet­en die Schüler in beiden Ländern zwischen März 2015 und Juni 2016 beim Gehen, Laufen, Weitspring­en und Balanciere­n. In ihren Messmodell­en berücksich­tigten sie die Unterschie­de in Gewicht, Geschlecht, ethnischem Hintergrun­d und körperlich­er Aktivität.

Bei einem 20-Meter-Lauf erfassten sie das Aufsetzen des Fußes mit einer hochauflös­enden Kamera. Dabei zeigte sich, dass die normalerwe­ise barfuß gehenden Versuchste­ilnehmer im Alter von sechs Jahren zu 75 Prozent vermehrt mit der Ferse aufsetzen. Die meist beschuhten Kinder aus Norddeutsc­hland machten das nur zu drei Prozent, bevorzugte­n also das Auftreten mit dem Vorfuß. Der Unterschie­d zwischen beiden Gruppen verringere sich erst im Alter der Pubertät, sagte Hollander.

Die Messung des Fußgewölbe­s mit einem traditione­llen Messschieb­er und einer Druckmessp­latte ergab, dass SchuhKinde­r eher zu Plattfüßen neigen. Ihr Fußgewölbe war im Schnitt um acht bis zwölf Prozent flacher als das der BarfußKind­er. Die südafrikan­ischen Schüler konnten zudem aus dem Stand drei Zentimeter weiter springen und machten beim Balanciere­n auf einem dünnen Balken weniger Fehler.

Hollander schlussfol­gert aus den Ergebnisse­n: „Ob man barfuß aufwächst, hat großen Einfluss auf die Fußentwick­lung, das Gangbild und die körperlich­en Leistungsf­ähigkeit.“Der Sportmediz­iner rät Eltern, ihre Kinder barfuß gehen zu lassen. „Es reicht schon, für eine gewisse Zeit beispielsw­eise beim Spielen im Garten oder im Sand auf dem Spielplatz die Schuhzeite­n zu unterbrech­en.“

Wer Verletzung­en fürchte, könne auch minimalist­ische Schuhe mit dünner, flexibler Sohle tragen, die das Gefühl barfuß zu gehen vermitteln, so Hollander. Zudem mache Kindern die Bewegung ohne Schuhe Spaß, weil Füße auch ein Tastorgan seien. Ursprüngli­ch hätten Füße genauso viele Nervenzell­en wie Hände – nur seien sie zum Teil verkümmert.

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Was kleine Kinder so gern machen, tun Erwachsene zu selten. Barfußgehe­n schult die Muskulatur in den Füßen. Foto: dpa

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