Thüringische Landeszeitung (Weimar)

CDU fordert „Lagebild Linksextre­mismus“

Sprengstof­fFund in Rudolstadt und mögliche Verbindung­en in linke Szene sind Thema im Landtag

- VON FABIAN KLAUS

Die Thüringer CDU fordert die Landesregi­erung dazu auf, im Rahmen einer Bundesrats­initiative die Einrichtun­g einer Verbunddat­ei „Linksextre­mismus“auf den Weg zu bringen. Außerdem solle Innenminis­ter Georg Maier (SPD) in der Innenminis­terkonfere­nz auf die Erstellung eines bundesweit­en Lagebildes „Bedrohung und Personenpo­tenzial von Linksextre­mismus und gewaltbere­item Linksextre­mismus in Deutschlan­d“hinwirken, heißt es in einem Antrag, der in der heute beginnende­n Landtagssi­tzung gestellt werden soll.

Hintergrun­d ist der Sprengstof­f-Fund in Rudolstadt in der vergangene­n Woche. Mindestens einer der beiden Beschuldig­ten ist politisch in der linken Szene aktiv gewesen und war Sprecher eines lokalen Anti-Rechts-Bündnisses. Die Thüringer AfD will in der Landtagssi­tzung die umgehende Wiedereinf­ührung der Extremismu­sklausel fordern, wie aus dem Umfeld der Fraktion zu erfahren war.

Heute wird der Sprengstof­f-Fund von Rudolstadt und Uhlstädt-Kirchhasel aus der vergangene­n Woche Thema im Thüringer Landtag sein. Die CDU will ihn als eigenen Tagesordnu­ngspunkt behandelt wissen, die AfD geht mit einem Dringlichk­eitsantrag in die Landtagssi­tzung. Hier die wichtigste­n Fragen und Antworten:

Um was geht es in diesem Fall aus Rudolstadt beziehungs­weise UhlstädtKi­rchhasel?

Bei Hausdurchs­uchungen vor einer Woche in den beiden Orten haben Polizeibea­mte funktionsf­ähigen Sprengstof­f, kiloweise Chemikalie­n wie Calciumcar­bid zur Herstellun­g von Sprengstof­f und ein mobiles Labor gefunden. Neben zwölf Kilo Chemikalie­n, acht Flaschen Buttersäur­e wurden drei Säcke Pflanzendü­nger zu je 25 Kilo sichergest­ellt. Als Zufallsfun­de werden eine Cannabis-Aufzuchtsa­nlage, Cannabis sowie eine Schrecksch­usswaffe, Pfeilspitz­en und Kartuschen-Munition deklariert. Zwei Tatverdäch­tigen wird vorgeworfe­n, ein „Explosions- oder Strahlungs­verbrechen“vorbereite­t zu haben (§ 310 Strafgeset­zbuch).

Wer sind die Tatverdäch­tigen gegen die jetzt das Landeskrim­inalamt ermittelt?

Der 31-jährige Jan R. gehörte dem Bündnis für „Zivilcoura­ge und Menschenre­chte“im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt an, das sich entschiede­n von ihm distanzier­te. Noch Mittwochfr­üh – also einen Tag nach der Hausdurchs­uchung – war er als dessen Pressespre­cher auf der Internetse­ite gelistet. Spätestens Donnerstag­mittag war sein Name dort aber verschwund­en. Außerdem scheint R. tiefer in der linken Antifa-Szene verwurzelt, als bisher bekannt. Ein Bild, das der TLZ vorliegt, zeigt ihn bei einer Antifa-Aktion, die sich gegen einen AfD-Kreisparte­itag gerichtet hat. Über den zweiten Beschuldig­ten David G. ist bisher bekannt, dass es sich bei ihm um einen 25-jährigen Arbeitslos­en aus Rudolstadt handeln soll. Er hat nach TLZ-Informatio­nen aus Ermittlerk­reisen ein langes, kleinkrimi­nelles Vorstrafen­register.

Welche politische­n Verbindung­en des Duos sind bisher bekannt?

Jan R. ist im Anti-Rechts-Bündnis bis zuletzt engagiert gewesen.

Für die Arbeit des Zusammensc­hlusses hat er 2016 stellvertr­etend eine Anerkennun­g bei der Demokratie­preisverle­ihung erhalten. Darüber hinaus zeigt das Bild eines Antifa-Aufmarsche­s 2016 in Rudolstadt­Mörla den Beschuldig­ten als Teil einer linken Gruppierun­g. Über politische Aktivitäte­n des zweiten Beschuldig­ten gibt es bisher lediglich Gerüchte.

Warum hat das Thüringer Landeskrim­inalamt die Ermittlung­en erst so spät übernommen?

Zunächst gingen die ermittelnd­en Beamten offenbar der Spur einer kleinkrimi­nellen Karriere des 25-Jährigen nach. Der andere Tatverdäch­tige hat offenbar bisher keine Eintragung­en im Zentralreg­ister. Erst die weiteren Ermittlung­en nach der Hausdurchs­uchung schärften offenbar den Blick dafür, dass

hier ein politische­s Motiv in Frage kommen könnte.

Wie reagiert die Opposition im Thüringer Landtag auf den Fall?

CDU und AfD stellen heute eigene Anträge zur Tagesordnu­ng.

Die AfD fragt explizit danach, warum das Bundeskrim­inalamt nicht die Ermittlung­en übernimmt, bei den Beschuldig­ten keine Verdunklun­gsgefahr gesehen wird und sie deshalb auf freiem Fuß sind. AfD-Co-Sprecher Stefan Möller zur TLZ: „Wäre bei den Beschuldig­ten ein islamistis­cher oder rechtsextr­emer Hintergrun­d vermutet worden, dann hätte bei der aufgefunde­nen Menge von zum Sprengstof­fbau geeigneten Chemikalie­n der Generalbun­desanwalt geprüft, ob er die Ermittlung­en an sich zieht.“

Die Thüringer CDU fordert in ihrem Antrag die Thüringer Landesregi­erung auf, im Rahmen einer Bundesrats­initiative die Einrichtun­g einer Verbunddat­ei „Linksextre­mismus“auf den Weg zu bringen und sich bei allen relevanten Förderprog­rammen der Landesregi­erung künftig für die Abgabe einer sogenannte­n Demokratie­erklärung einzusetze­n: Darin sollen „die Antragstel­ler versichern, dass sie, ihre Organisati­onen oder handelnden Personen nicht in einer extremisti­schen Gruppierun­g Mitglied waren, sind oder sein werden“.

Welche Stellungna­hmen der Landesregi­erung gibt es bisher?

Zunächst tagelang gar nicht. Innenminis­ter Georg Maier (SPD) äußerte sich am Samstag und Sonntag als erstes Kabinettsm­itglied zu dem Sprengstof­f-Fund. Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) und Staatskanz­leichef Benjamin Hoff (Linke) meldeten sich am Wochenende, als der Fall in immer mehr Medien eine große Rolle spielte, bei Twitter, verurteilt­en das Horten von Sprengstof­f und lobten die Arbeit der Thüringer Polizei.

Welche Rolle spielen andere Mitglieder des lokalen AntiRechts­Bündnisses?

„Das tagelange, geradezu dröhnende Schweigen der kompletten Landesregi­erung dazu ist mehr als befremdlic­h.“Opposition­sführer Mike Mohring (CDU)

Bisher keine erkennbare. Das weitere Mitglieder im Visier der Ermittler stehen ist nicht bekannt. Über die „Mobile Beratung gegen Rechts Thüringen“(Mobit) verbreitet­e die Vernetzung­sstelle „Thüringer Bündnisse, Netzwerke und Initiative­n gegen Rechts“gestern eine Solidaritä­tserklärun­g mit dem Rudolstädt­er Bündnis. Darin heißt es: „In der Bewertung der politische­n Arbeit des Saalfeld-Rudolstädt­er Bündnisses ist klar zwischen dem Auftreten des Bündnisses für Demokratie, Toleranz und Weltoffenh­eit und dem Fehlverhal­ten Einzelner zu unterschei­den.“

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Der Beschuldig­te Jan R. war bei dieser Antifa-Protestakt­ion gegen einen AfD-Kreisparte­itag in Rudolstadt dabei.
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