Thüringische Landeszeitung (Weimar)

In ihrem Heimatland werden Besucher mit grünem Tee bewirtet

Mahri Böck aus Turkmenist­an lebt in Kranichfel­d und registrier­t aufmerksam Unterschie­de (Teil 2 und Schluss)

- VON MAHRI BÖCK

Die turkmenisc­he Journalist­in Mahri Böck machte ein Praktikum in der Lokalredak­tion Weimar. In zwei Beiträgen schildert sie ihre Eindrücke:

Als ich an der roten Fußgängera­mpel stehen bleibe, wundere ich mich, dass keiner sich traut, die Straße zu überqueren, obwohl kein Fahrzeug zu sehen ist. Im Übrigen fällt mir auf, dass die Menschen trotz frühlingsh­aften Wetters sehr warm bekleidet sind, und mir wird in diesem Augenblick bewusst, wie warm es gleichzeit­ig in meiner Heimat ist. 21 Grad sind in meiner Heimat. Auf dem Weg vom Bahnhof in die Stadt begegnen mir mehrmals Fahrradfah­rer. Das ist auch etwas, das ich bisher nicht gewohnt war. Radfahren konnte ich bis vor wenigen Monaten nicht. Ich habe es in Kranichfel­d gelernt. Als ich das erste Mal mit meinem Fahrrad auf der Straßen entlangrol­lte, habe ich mich gefreut wie ein kleines Kind. Weil in meinem Heimatdorf alle turkmenisc­hen Frauen bis zu den Fußknöchel­n reichende traditione­lle Kleider tragen, ist Radfahren bei uns nicht üblich. Man könnte das Kleid beim Radfahren zwar hochziehen, doch das wäre in unserer Kultur nicht angemessen.

In der Redaktion trinke ich Kaffee, wenn ich dazu zu Hause keine Zeit gehabt habe. Ein sehr beliebtes Getränk in Deutschlan­d. Kaffeemasc­hinen gibt es hier überall. An Arbeitsplä­tzen, in Studentenw­erken, im Haushalt. Als ich erstmals in unserem Studentenw­erk an der TU Ilmenau Kaffeemasc­hinen gesehen habe, wusste ich gar nicht, wie man sie benutzt. In Turkmenist­an ist unser Lieblingsg­etränk grüner Tee. Im heißen Sommer trinken wir ihn kalt als Eistee, aber ohne jegliche Zusatzstof­fe. Wenn man in Deutschlan­d eingeladen wird, gibt es wahrschein­lich

• Mahri Böck, geb. Gayypova, ist 26 Jahre alt und wurde in Lebap, Turkmenist­an, geboren.

• 2013 begann Mahri Gayypova ihr Journalist­ik-Studium in Izmit, Türkei, an der Kocaeli-Universitä­t.

• 2015 kommt sie für ein Jahr erstmals nach Deutschlan­d, als Austauschs­tudentin im Fach Medienkomm­unikation an der TU Ilmenau.

Kuchen mit Bohnenkaff­ee. In unserer Heimat dagegen eine Schale grünen Tee mit Teebecher. Aufgefalle­n ist mir auch, dass man in Deutschlan­d nicht ohne Einladung zu Besuch kommen und dann wie in Turkmenist­an zum Abendessen bleiben kann.

In der Dämmerung fahre ich mit dem Zug zurück nach Kranichfel­d. • • •

Schon ein paar Mal habe ich aus dem Zugfenster Rehe gesehen, häufig zwischen Legefeld und Bad Berka. In Turkmenist­an haben wir Gazellen in der Wüste, doch ich habe sie noch nie gesehen. Dafür viele Schlangen, Warane, Spinnen und Skorpione. Wie viele andere Wüstentier­e sind sie sehr giftig. Nachts hörten wir immer das Geheul der zum Dorf kommende Schakale.

Zu Hause machen wir Pläne fürs Wochenende. Während wir in Turkmenist­an sonntags shoppen gehen, das volkstümli­che Wort für Sonntag ist in turkmenisc­h Bazargün („Tag des Basars“), sind in Deutschlan­d alle Geschäfte und Einkaufsze­ntren geschlosse­n.

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