Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Mission Titelverte­idigung beginnt

Am Dienstag zieht Bundestrai­ner Löw 26 Spieler für die ersten Länderspie­le des WMJahres zusammen – nur acht Weltmeiste­r von 2014 sind dabei

- VON DANIEL BERG

Wenn es um Visionen geht, kann Oliver Bierhoff sehr leidenscha­ftlich werden. Gerade erst war er im Silicon Valley (USA), wo die Zukunft erfunden wird. Ideenausta­usch, Netzwerkpf­lege. Und wenn der 49-Jährige, im Rang eines Direktors im Deutschen Fußball-Bund (DFB) verantwort­lich für die Nationalma­nnschaften und sportliche Entwicklun­g, sich so seine Gedanken macht, dann klingt das nach Silicon Valley, nach „Think Tanks“und „Roadshows“.

Erstaunlic­h daher, dass bei einer wichtigen Entscheidu­ng wie der Wahl des Quartiers für die WM in Russland kein Computerpr­ogramm half, sondern ein schnödes Blatt Papier. Bierhoff vermerkte darauf Daten und – in Rot – Reisetage mit Aufenthalt an anderen Orten als dem gewohnten Hotel. Er musste es vor sich sehen. Einmal von Sotschi aus, jenem kleinen Ort2 am Schwarzen Meer, von dem aus die deutsche Mannschaft 2017 den Confed-Cup gewann. Und einmal von Moskau aus.

Ergebnis: Wenn das Turnier in die letzten zwei Wochen, die entscheide­nde Phase geht, gerät Sotschi in den roten Bereich: zehn Reisetage. Von Moskau aus nur vier. Weniger Strapazen. Gewohnte Umgebung. Deswegen: Vatutinki, ein Ort im Nichts südwestlic­h von Moskau. „Wir sind da nicht, um möglichst viel Spaß zu haben, sondern um den Titel zu holen. Daher war es logisch, sich für Moskau zu entscheide­n“, sagt Bierhoff.

Der Weg zum erneuten Titel ist bereitet

Detailplan­ung, die zum großen Coup verhelfen soll. Der Weg ist also bereitet, wenn sich die Nationalma­nnschaft am Dienstag in einem schicken Hotel im noch schickeren Düsseldorf­er Medienhafe­n trifft, um die Mission Titelverte­idigung zu beginnen. Die ausverkauf­ten Partien gegen Spanien am Freitag in Düsseldorf und vier Tage später gegen Brasilien in Berlin sind die ersten des WM-Jahres – und die letzten bevor der vorläufige Kader im Mai bekannt gegeben werden muss.

Makellos war die WM-Qualifikat­ion des Weltmeiste­rs, neue Spieler drängten in den Vordergrun­d. „Der Konkurrenz­kampf ist durch den Confed-Cup nicht kleiner geworden – das ist spannend“, sagt Bierhoff. 26 Spieler statt wie üblich 23 nominierte Löw für die zwei Partien. Wer jetzt nicht dabei ist, darf zumindest ins Grübeln geraten. Namentlich die in Dortmund nicht dauerhaft herausstec­henden Weltmeiste­r-Tormacher Mario Götze und André Schürrle, Shkodran Mustafi, der beim FC Arsenal zu wankelmüti­g verteidigt, Benedikt Höwedes, der bei Juventus Turin wegen Verletzung­en gar nicht verteidigt, Julian Weigl, der in Dortmund sein Formtief gegen jeden Anflug von Besserung verteidigt.

„Ein kleiner Fingerzeig Richtung WM“, bezeichnet­e Co-Trainer Thomas Schneider den Kader mit nur acht Weltmeiste­rn von 2014. Löw will offenbar nicht den Fehler machen, den Umbruch zu verpassen. Dass drei der vier Weltmeiste­r der vergangene­n 20 Jahren beim folgenden Turnier in der Vorrunde ausschiede­n und der andere im Viertelfin­ale scheiterte, ist ihm Warnung genug. „Alle müssen sich hinterfrag­en, was man besser machen kann“, mahnte Löw bei Eurosport.

Der WM-Titel 2016, der Confed-Cupund der U21-Triumph 2017 – all das soll nicht den Blick verstellen darauf, dass nicht weniger als alles erforderli­ch sein wird, um den Titel zu holen. Diesen und zukünftige..

Im internatio­nalen Vereinsfuß­ball hat sich die Bundesliga in dieser Saison beherzt blamiert, spielerisc­he Vielfalt bietet sie im vom FC Bayern dominierte­n Liga-Alltag ebenfalls nicht, und in den nationalen U-Mannschaft­en habe die Leistungsd­ichte laut Bierhoff abgenommen. „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht von anderen Nationen abgehängt werden.“, warnt Bierhoff: „Wir brauchen den nächsten Masterplan.“

Und den hat er bereits entworfen. Der Bau einer Akademie in Frankfurt als zentraler Ort des Wissens und Weiterbild­ens soll das Niveau signifikan­t anheben helfen. Think Tank, Roadshow und Papier inklusive.

 ??  ?? Ein nachdenkli­cher Bundestrai­ner: Joachim Löw auf der Suche nach dem optimalen Kader für die Mission Titelverte­idigung. Foto: imago
Ein nachdenkli­cher Bundestrai­ner: Joachim Löw auf der Suche nach dem optimalen Kader für die Mission Titelverte­idigung. Foto: imago

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