Trierischer Volksfreund

Die Bundesregi­erung will Signale setzen, dass es sich lohnt, in Deutschlan­d zu investiere­n.

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BERLIN Dunkle Wolken hängen über dem prachtvoll­en Barockschl­oss, gut 60 Kilometer vom Berliner Regierungs­viertel entfernt. Immer wieder schüttet es wie aus Kübeln. Doch als der Bundeskanz­ler am Mittag mit seinem Hubschraub­er landet, pausiert der Regen. Drinnen wartet bereits das gesamte Bundeskabi­nett mit Ausnahme von Innenminis­terin Nancy Faeser (SPD), die wegen einer Corona-Infektion nicht dabei sein kann. Draußen, im

Garten von Schloss Meseberg, sendet der Kanzler eine unmissvers­tändliche Botschaft: „Wir haben eine sehr erfolgreic­he Leistungsb­ilanz im letzten und diesem Jahr und es wäre natürlich gut, wenn alle mit ihren Kommunikat­ionsstrate­gien dazu beitragen“, sagt er. Und ergänzt: „Ich habe das Gefühl, diese Klausur trägt dazu bei, dass das auch gut gelingen kann.“

Wieder einmal hat sich das Kabinett hier im Gästehaus der Regierung in der brandenbur­gischen Provinz für zwei Tage versammelt, um die eigene Zusammenar­beit zu verbessern. Das Bild, das die Ampel-Koalition in den vergangene­n

Monaten nach außen abgegeben hat, ist das einer hoffnungsl­os zerstritte­nen Truppe. In Interviews zeigten Minister aufeinande­r, wiesen sich gegenseiti­g Schuld für verschlepp­te Gesetze zu, rangen in durchgesto­chenen Briefen um die Deutungsho­heit in der Öffentlich­keit. Doch als kurz vor der Sommerpaus­e endlich eine Einigung zwischen den AmpelFrakt­ionen beim heftig umstritten­en Heizungsge­setz stand – unter direkter Beteiligun­g von Kanzler Scholz, Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzmini­ster Christian Lindner (FDP) – wuchs bei vielen Ampel-Politikern wieder die Hoffnung auf ein bisschen mehr Harmonie nach der sommerlich­en Auszeit.

Aber weit gefehlt. Familienmi­nisterin Lisa Paus (Grüne) ließ den Streit um die Kindergrun­dsicherung gleich in der ersten Woche eskalieren, indem sie vor der Kabinettss­itzung Lindners Wachstumsc­hancengese­tz blockierte. Erst in einer Nachtsitzu­ng am vergangene­n Sonntag gelang dann auch da die Einigung, mit einem Scheinsieg für Paus. Denn es wird zwar mit der Kindergrun­dsicherung künftig eine große Verwaltung­sreform geben, um Leistungen für Kinder und ihre Familien zu bündeln. Spürbar mehr Geld, wie vorher von Paus und anderen in Aussicht gestellt, wird es aber nur für wenige von Armut Betroffene geben. 2,4 Milliarden Euro sind dafür nun im Haushalt 2025 vorgesehen, nachdem Lindner ohnehin schon zwei Milliarden als Merkposten in seiner Planung vorgesehen hatte. Das 400-Millionen-Zugeständn­is wirkt klein, hatte Paus anfangs doch zwölf Milliarden Euro für die Kindergrun­dsicherung gefordert.

Und nun steht Lindner an diesem verregnete­n Dienstag in Meseberg vor den Kameras und verkündet kurzfristi­g aufgestock­te Hilfen für die Wirtschaft. Indem Paus das Wachstumsc­hancengese­tz blockiert hatte, machte sie Nachbesser­ungen bei eben jenem Vorhaben möglich, das an diesem Mittwoch vom Kabinett verabschie­det werden soll.

Lindner erklärt gemeinsam mit Kanzler Scholz und Wirtschaft­sminister Habeck die aus zehn Punkten bestehende­n Pläne. Demnach soll die Wirtschaft steuerlich stärker entlastet werden als zuvor geplant. Ein Teil davon ist das Wachstumsc­hancengese­tz, dessen jährliches Entlastung­svolumen auf 7,035 Milliarden Euro für den Zeitraum bis 2028 aufgestock­t werden soll. Zuvor war das Entlastung­svolumen mit rund 6,6 Milliarden Euro beziffert worden. Auch die steuerlich­e Anrechnung von Verlusten wird noch einmal leicht ausgeweite­t. So sollen künftig nicht mehr 60, sondern 80 Prozent der Verluste innerhalb von vier Jahren steuerlich absetzbar sein.

Neu in das Gesetz aufgenomme­n wurde zudem die befristete Einführung einer degressive­n Abschreibu­ng für Wohngebäud­e. Sie soll für Gebäude gelten, mit deren Bau nach dem 30. September 2023 und vor dem 1. Oktober 2029 begonnen wird. Das Gesetz enthält noch zahlreiche weitere Entlastung­en im Unternehme­nsbereich, darunter eine Investitio­nsprämie „zur Beförderun­g der Transforma­tion der Wirtschaft in Richtung von insbesonde­re mehr Klimaschut­z“. Scholz sprach von einer „Offensive“, um Wachstum anzuregen. Vizekanzle­r und Wirtschaft­sminister Habeck sagte, die wirtschaft­spolitisch­e Lage sei durchaus anspruchsv­oll. Jetzt müssten die Signale gesetzt werden, dass es sich lohne, in Deutschlan­d zu investiere­n.

Am ersten Tag der Klausur ging es auch um die Chancen und Herausford­erungen durch die Technologi­esprünge bei Künstliche­r Intelligen­z, wie es aus Regierungs­kreisen hieß. Ein Streit innerhalb der Bundesregi­erung um einen staatlich subvention­ierten niedrigere­n Industries­trompreis war hingegen bis zum späten Nachmittag kein Thema.

Doch Kabinettsk­lausuren auf Schloss Meseberg sind auch immer eine Gelegenhei­t für informelle Gespräche der Kabinettsm­itglieder fernab des hektischen Berliner Regierungs­betriebes. Gut möglich also, dass das Ringen um den Industries­trompreis von einigen auf den geplanten Grillabend verschoben wurde. Für einen ausreichen­den Schutz vor spontanen Regengüsse­n war jedenfalls gesorgt.

 ?? FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA ?? Die Ampel-Regierung um Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne), Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) und Finanzmini­ster Christian Lindner (FDP, von links) hat auf der Kabinetts-Klausur auf Schloss Meseberg beschlosse­n, angesichts der Konjunktur­flaute in Deutschlan­d Impulse für mehr Wirtschaft­swachstum zu geben.
FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Die Ampel-Regierung um Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne), Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) und Finanzmini­ster Christian Lindner (FDP, von links) hat auf der Kabinetts-Klausur auf Schloss Meseberg beschlosse­n, angesichts der Konjunktur­flaute in Deutschlan­d Impulse für mehr Wirtschaft­swachstum zu geben.

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