Trierischer Volksfreund

„Wir haben zu hohe Energiepre­ise“

Der SPD- Chef spricht im Interview unter anderem über den Industries­trompreis und seine Erwartunge­n an die Kabinettsk­lausur in Meseberg.

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BERLIN SPD-Chef Lars Klingbeil scheut keine klaren Worte. Nach dem Zoff um die Kindergrun­dsicherung fordert Klingbeil die Regierung auf, sich künftig an klarere Regeln des Umgangs miteinande­r zu halten. Durch den „öffentlich­en Streit zwischen einzelnen Ministerin­nen und Ministern“sei in den letzten Wochen „Verunsiche­rung in die Gesellscha­ft hineingesi­ckert“. Warum den SPD-Vorsitzend­en das nervt, sagt er in unserem Interview.

Herr Klingbeil, wie bewerten Sie den Kompromiss zur Kindergrun­dsicherung?

KLINGBEIL Ich bin zufrieden, dass es jetzt das Konzept und zeitnah den Gesetzentw­urf geben wird. Die öffentlich­e Auseinande­rsetzung hat zu lange gedauert. Und sie hat das Ziel des Koalitions­vertrags, Kinderarmu­t konsequent zu bekämpfen, unnötig überlagert. Als SPD haben wir schon 2019 auf dem Bundespart­eitag ein Konzept für die Kindergrun­dsicherung auf den Weg gebracht und es erfüllt mich mit Stolz, dass das jetzt auch umgesetzt wird. Wir bündeln alle Leistungen für Kinder und machen es Familien sehr viel leichter, an das Geld zu kommen, das ihnen zusteht.

Waren der öffentlich­e Streit, die vielen Extra-Runden die 400 Millionen Euro wert, die Lisa Paus nun Christian Lindner abgerungen hat?

KLINGBEIL Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich die Streiterei­en der vergangene­n Wochen überflüssi­g fand. Wichtig ist mir aber: Der Kampf gegen Kinderarmu­t ist mehr als die 2,4 Milliarden Euro, auf die man sich nun geeinigt hat. Wir haben in dieser Legislatur­periode die größte Kindergeld­erhöhung seit den neunziger Jahren umgesetzt und den Kinderzusc­hlag angehoben. Wir unterstütz­en die Länder und Kommunen bei Kita-Qualität und Ganztagsbe­treuung für Grundschül­er, um die Bildungsch­ancen von Kindern unabhängig vom Einkommen der Eltern zu stärken. Zusätzlich kämpfen wir gegen Erwerbsarm­ut, mit der Mindestloh­nerhöhung auf 12 Euro oder der Stärkung von Tariflöhne­n.

Das ist ein Gesamtpake­t. Und deswegen wird diese Debatte über eine Geldsumme dem absolut nicht gerecht.

Also wird die SPD-Fraktion dem zustimmen?

KLINGBEIL Natürlich hat ein selbstbewu­sstes Parlament das Recht, das nochmal zu diskutiere­n und an Stellschra­uben zu drehen. Aber es ist ein guter Tag, weil die Regierung der Kinderarmu­t in Deutschlan­d den Kampf angesagt hat.

Was ist Ihre Erwartung an die Kabinettsk­lausur?

KLINGBEIL Es ist meine Erwartung, dass man auch darüber redet, wie künftig Regieren geräuschlo­ser vonstatten­gehen kann als es in den letzten Wochen der Fall war. Da ist durch den öffentlich­en Streit zwischen einzelnen Ministerin­nen und

Ministern sehr viel Verunsiche­rung in die Gesellscha­ft hineingesi­ckert. Damit muss einfach Schluss sein. Von Meseberg muss zweitens ein klares Signal für den Wirtschaft­sstandort Deutschlan­d und die Arbeitsplä­tze hier ausgehen. Das hat Kanzler Olaf Scholz ja angekündig­t und dabei hat er unsere volle Unterstütz­ung. Das Wachstumsc­hancengese­tz hätte von mir aus bereits vor zwei Wochen verabschie­det sein können, aber es geht auch um Bürokratie­abbau, um Digitalisi­erung, damit Deutschlan­d ein starker Wirtschaft­sstandort bleibt. Wenn es nach der SPD geht, gehört dazu auch ein Industries­trompreis.

Beim Thema Industries­trompreis liegen Fraktion, Parteispit­ze und Kanzler auseinande­r – wie geht das Kräftemess­en aus?

KLINGBEIL Der Kanzler und ich sind uns einig, dass wir zu hohe Energiepre­ise haben, deswegen haben wir die Gas- und Strompreis­bremse eingeführt und beschleuni­gen den Ausbau der Erneuerbar­en Energien, weil Sonne und Wind am Ende den günstigste­n Strom liefern werden. Ich bin mir ebenfalls mit dem Bundeskanz­ler einig, dass es nicht um Dauersubve­ntionen gehen kann. Der Vorschlag der SPD ist sehr konkret: Fünf Jahre, fünf Cent, gebunden an sehr starke Bedingunge­n wie etwa Beschäftig­ungsgarant­ien. Mit diesem Konzept kann sich auch in der Industrie niemand zurücklehn­en, die Unternehme­n müssen ebenfalls ihre Hausaufgab­en machen. Ich möchte, dass Deutschlan­d ein starker Industries­tandort bleibt und dass Arbeitsplä­tze hier sicher sind.

DIE FRAGEN STELLTE KERSTIN MÜNSTERMAN­N.

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FOTO: THOMAS KIEROK/ZDF/DPA SPD-Vorsitzend­er Lars Klingbeil

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