Neuer Widerstand gegen Assad formiert sich
ANALYSE In Syrien sind erneut Proteste gegen die Regierung ausgebrochen. Die Demonstrationen sind Ausdruck der Verzweiflung nach mehr als zehn Jahren Krieg.
DAMASKUS Auf den Straßen Syriens erschallt wieder der Ruf „Weg mit dem Regime“: Tausende Menschen in mehreren Provinzen des Bürgerkriegslandes demonstrieren seit Tagen gegen schlechte Lebensbedingungen, steigende Preise und die Regierung von Präsident Baschar alAssad. Die Sicherheitskräfte lassen die Demonstranten bisher gewähren, um nicht noch mehr Proteste zu provozieren, doch eine neu gegründete Protestbewegung sagt Assad den Kampf an.
Die Proteste brachen in den Provinzen Sweida und Daraa im Süden Syriens aus. In der Hauptstadt Damaskus wurde ein Beamter festgenommen, der Assad auf Facebook kritisiert hatte. In Sweida, wo viele Drusen leben, errichteten Demonstranten Straßenbarrikaden aus brennenden Reifen und schweißten die Tür am Eingang zum Gebäude der regierenden Baath-Partei zu. Aktivisten berichteten, am Dienstag seien Demonstranten in Sweida zum zehnten Mal in Folge zu einer Kundgebung zusammengekommen. In Daraa trugen Demonstranten Schilder mit der Aufschrift „Nehmt euren Präsidenten und haut ab“, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitteilte.
Daraa hat den Beinamen „Wiege der Revolution“, weil dort im März 2011 die ersten Proteste gegen Assad stattfanden, die zum Bürgerkrieg
führten. Seitdem sind mehr als 200 000 Menschen bei Gefechten ums Leben gekommen. Sechs Millionen Syrer flohen vor der Gewalt ins Ausland, fast sieben Millionen weitere wurden zu Flüchtlingen im eigenen Land. Heute leben neun von zehn Syrern in Armut.
Assad macht die westlichen Sanktionen gegen sein Regime für die Krise verantwortlich. Seine Regierung verdoppelte vor zwei Wochen die Beamtengehälter und den Sold für die Soldaten, um der Unzufriedenheit in der Bevölkerung entgegenzuwirken.
Wegen der hohen Inflation reichen die neuen Gehälter für viele Menschen aber immer noch nicht, um ihre Familien zu ernähren. Zudem senkte die Regierung die staatlichen Subventionen auf Benzin, was den Sprit verteuerte.
Nach zwölf Jahren Krieg kontrolliert Assad, der sich auf die Minderheit der Alawiten in dem mehrheitlich sunnitischen Land stützt, rund zwei Drittel des Landes. Er hat angekündigt, die Rebellenprovinz Idlib im Nordwesten Syriens und die Gebiete östliche des Euphrat, in denen die USA und die verbündete Kurdenmiliz YPG das Sagen haben, zurückzuerobern. Doch seine Armee ist zu schwach, zudem hat Assads Partner Russland seit Beginn des UkraineKrieges einen Teil seiner Soldaten aus Syrien abgezogen.
Einige arabische Staaten hatten in den letzten Monaten ihre Beziehungen mit Syrien normalisiert. Sie wollen Assad mit der Annäherung dazu bringen, Drogenexporte aus Syrien zu stoppen. Internationale Ermittler werfen dem syrischen Präsidenten vor, das Aufputschmittel Captagon tonnenweise herstellen und in Nachbarländer exportieren zu lassen, um sein Regime zu finanzieren.
Assads Regime unterdrückt Dissens mit Mord und Folter und hat im Laufe der Jahre mehrmals Proteste gegen schlechte Lebensbedingungen niedergeschlagen. Dennoch meldete sich jetzt eine neu gegründete Protestbewegung zu Wort, die ein Netz von Unterstützern in allen Landesteilen aufgebaut und laut Medienberichten viele alawitische Anhänger hat. Die „Bewegung des 10. August“strebe Assads Sturz mit friedlichen Mitteln an, teilte die Anfang August gegründete Gruppe auf Facebook mit. Mitglieder der Organisation rufen auf Handzetteln, die sie in syrischen Städten verteilen, zu Reformen auf. Die Gruppe fordert Assads Regierung zur Freilassung aller politischen Gefangenen, Lohnerhöhungen und neuen Subventionen auf Brot und Treibstoff auf.
USTUS AUCAP