J.R.R. Tolkien, Herr der Fantasy, starb vor 50 Jahren
LONDON (dpa) „In einem Loch im Boden, da lebte ein Hobbit.“Mit diesen Worten leitet J.R.R. Tolkien sein 1937 erschienenes Buch „Der Hobbit“ein. Der während der Korrektur von Klausuren seiner Studenten aus Langeweile auf ein leeres Blatt Papier gekritzelte Satz ist der Startschuss für ein wegweisendes literarisches Werk, an dem seitdem kein Fantasy-Autor mehr vorbeikommt.
Das 1954 und 1955 in drei Bänden erschienene epische Werk „Der Herr der Ringe“um die Abenteuer des Hobbits Frodo in der prähistorischen Fantasiewelt Mittelerde machen den Professor für Altenglisch an der Universität Oxford zu einem der meistgelesenen Autoren aller Zeiten. Tolkien stirbt vor 50 Jahren, am 2. September 1973. Sein Vermächtnis könnte jedoch kaum lebendiger sein.
Geboren wird der Engländer, der mit vollem Namen John Ronald Reuel Tolkien heißt, am 3. Januar 1892 in Bloemfontein in der damaligen Burenrepublik Oranje-Freistaat im heutigen Südafrika. Der Vater hatte dort als Bankkaufmann eine vielversprechende Stelle erhalten. Als die Mutter mit den beiden Söhnen auf Heimaturlaub ist, stirbt der Vater unerwartet. Die Familie kehrt nicht wieder nach Afrika zurück.
Tolkien wächst in Birmingham auf. Seine Mutter konvertiert später zum katholischen Glauben, dem auch ihr Sohn zeitlebens eng verbunden bleibt. Von ihr lernt er auch die Liebe zu Sprachen, Sagen und Mythologie. Ein Schatz an Legenden fehlt seiner englischen Heimat, findet er - und macht sich daran, ihn zu schaffen.
Die Bewohner der englischen Midlands dürften zum Teil Vorbild für die liebenswerten wie einfachen Hobbits gewesen sein. Diese sind gutmütige und gesellige menschenähnliche Wesen von kleinem Wuchs und mit behaarten Füßen, die eher ängstlich als heldenhaft sind, aber im Angesicht einer Herausforderung stets über sich hinauswachsen. Sie nehmen in Tolkiens Werken die Hauptrolle ein neben Elben, Zwergen, Orks und anderen Wesen.
Durch „The Lord of the Rings“wird Tolkien zu einem Star, der selbst Fanpost von gekrönten Häuptern erhält. Was seine Fantasy-Bücher von früheren und auch vielen nachkommenden unterscheidet, ist die große
Detailtiefe und Kohärenz der Erzählungen. Der Veröffentlichung seiner Bücher geht jahrzehntelange Arbeit voraus. „Zwischen dem Beginn und der Veröffentlichung von Herr der Ringe vergehen 40 Jahre, in denen er an seiner Mythologie arbeitet“, sagt Stuart Lee, Dozent für Englisch an der Universität Oxford.
Schon als Soldat im Ersten Weltkrieg beginnt Tolkien mit der Ausarbeitung von Landkarten und Namen. Der Philologe beherrscht gut ein Dutzend Sprachen, darunter Gotisch, Alt- und Mittelenglisch, Walisisch, Finnisch und mehrere skandinavische Sprachen. Für seine Fabelwesen erfindet er Fantasiesprachen wie die Elbensprachen Quenya und Sindarin.
Prägend sind aber auch die Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg: Die von Kratern überzogenen Schlachtfelder sind Inspiration für die lebensfeindliche Landschaft Mordors, des Reichs des bösen Herrschers Sauron.
Tolkien ist zeitlebens Maschinen und der modernen Welt gegenüber misstrauisch. Der von Sauron geschaffene Ring, mit dem er alle Wesen unterdrücken will, ist eine Analogie für eine von Maschinen dominierte Welt. „Der Ring ist die ultimative Maschine, weil er zur Unterdrückung geschaffen wurde“, sagt Tolkiens Sohn Christopher, der das literarische Erbe des Vaters verwaltet, in einer Dokumentation einst.