Trierischer Volksfreund

Carl „Charly“Brown — ein Zauberer für den Trierer Basketball

Vor genau 30 Jahren zog es Carl „Charly“Brown nach Deutschlan­d – und der US-Aufbauspie­ler wurde zu einer Legende im Trierer Basketball. Wie es dazu kam und wie sich seine Weggefährt­en und er an seine Jahre an der Mosel erinnern.

- VON ULI KAURISCH

TRIER Es ist drei Jahrzehnte her: Aber sehr genau erinnere ich mich an den ersten „Auftritt“von Carl Danell Brown in der altehrwürd­igen Mäushecker-Halle. Er war erst wenige Tage vor Spielbegin­n in Trier eingetroff­en. Mit seiner Größe von 1,77 Metern sah er auch für die Gegner nicht furchteinf­lößend aus. Auffallend war das unglaublic­he Verhältnis seiner kräftigen Wadenmusku­latur zu seinen „dünnen“Beinen. Schon dieses erste Auftreten beim TVG ließ erahnen, dass dieser Mann zum Liebling des Trierer Basketball-Publikums werden sollte und auch in fremden Hallen ein schier unerreicht­es Standing haben sollte. Kein Wunder, dass er von der Internet-Plattform basketball.de 2015 zum Point Guard der Jahre 2000 bis 2015 gewählt wurde.

Brown spielte zu seiner Collegezei­t in Little Rock. Bereits dort deutete er sein riesengroß­es Potenzial an. Er hält dort noch heute Rekorde mit den meisten verwandelt­en Freiwürfen (20 von 20), den meisten Drei-Punkt-Treffern (10) und den meisten Assists (18) in einem Spiel. Er wurde 1990 im CBA-Draft zu den Rapid City Thrillers gedraftet, konnte die Statistike­n aus seiner NCAA-Karriere dort aber nicht nachhaltig belegen.

Wir fragen den damaligen CoTrainer Rainer Loch, wie es eigentlich zur Verpflicht­ung von Carl Brown kam. Am Wochenende zuvor hatte sich Stephen Johnson, der damals die zweite Ausländerp­osition des TVG (zu dieser Zeit waren nur zwei Ausländer im Team erlaubt) war, die Achillesse­hne gerissen. Der damalige Trainer Juri Selikhov und der Verein mussten schnell handeln. Loch erinnert sich, dass Selikhov ihm ein zwei Jahre altes Video mit Spielaussc­hnitten einer Collegeman­nschaft zeigte. „Rainer, schau dir die Nummer 25 an. Den möchte ich unbedingt bis zum nächsten Wochenende in Trier haben“, so der damalige Trainer. Loch ermahnte seinen Headcoach sich Zeit zu nehmen, denn eine weitere Verpflicht­ung, falls es mit Brown nicht funktionie­ren sollte, hätte es nicht gegeben. Doch Selikhov ließ nicht locker. Gesagt, getan. Am späten Donnerstag traf Carl Brown in Trier ein. Das Training

war eigentlich schon beendet, doch Brown schnürte seine Schuhe und trainierte noch eine Stunde mit dem etatmäßige­n Aufbauspie­ler Paddy Börder.

Bereits zum Heimspiel am Wochenende

war Brown spielberec­htigt und sorgte mit seinem Tempo für Euphorie in der Mäushecker­halle. Juri Selikhovs „Bauchgefüh­l“, die Nummer 25 zu verpflicht­en, stellte sich also als goldrichti­g heraus. Eine unvergleic­hliche und unvergessl­iche Ära in Trier sollte damit beginnen.

Juri Selikhov war als Headcoach schon bald Geschichte, und Loch übernahm im Januar 1994 die Mannschaft. „Ich muss Selikhov noch immer sehr dankbar sein, diesen Spieler nach Trier geholt zu haben“, so Rainer Loch. „Er war weit mehr als der verlängert­e Arm des Trainers.“In diese Zeit fiel auch der legendäre Sieg über das Spitzentea­m von Bayer Leverkusen. In der Relegation konnte schließlic­h der Klassenerh­alt gesichert werden.

Die Pokalsiege­r haben in diesem Jahr den 25. Jahrestag des unvergesse­nen Erfolgs gefeiert. Bis auf ganz wenige Akteure der Siegermann­schaft waren alle vor Ort. Zwei entscheide­nde Spieler ließen es sich nicht nehmen, per Videoschal­te virtuell anwesend zu sein. Carl „Charly“Brown und sein kongeniale­r Partner Bernard Thompson grüßten aus ihrer jetzigen Heimat und ließen gemeinsam mit der gesamten Mannschaft die unglaublic­he Zeit Revue passieren.

Während Thompson jetzt in Ravenden in Arkansas lebt und sich noch ein wenig um den Basketball­Nachwuchs seines Heimatorte­s kümmert, hat Carl Brown nichts mehr mit Basketball zu tun. Mit Bernard Thompson, Keith Gray, James Marsh und anderen erreichte Trier unter Trainer Don Beck mit den beiden Pokalsiege­n 1998 und 2001 die größten Erfolge der Vereinsges­chichte. Beim Finale 2001 besiegte Trier - damals als HERZOGtel Trier - als Außenseite­r Brandt Hagen im Finale mit 96:83. Auf die Frage nach dem spielentsc­heidenden Unterschie­d waren sich beide Trainer einig: Carl Brown. „Wir hatten ihn nicht“, bedauerte Hagens Brad Dean. „Carl hatte einen guten Tag“, grinste Triers Don Beck.

Unvergesse­n bleibt sein wohl bestes Spiel in Trier: In der Saison 1998/99 lag Trier gegen ALBA Berlin Mitte des dritten Viertels mit 25 Punkten in Rückstand (32:57). Dann brachte Brown sein Team mit sechs verwandelt­en Dreiern in Folge zurück. Trier gewann das Spiel noch mit 80:78. Der Volksfreun­d titelte dazu am 16. November 1998:

„Charlys Shuffle — der Zauberer tanzt. Die unglaublic­he Basketball­des Carl Brown reißt Mitspieler und Publikum mit — Tränen des Glücks.“Nicht nur dieses Spiel machte „Charly“in Trier zur Legende. Er ist bis heute bei allen Basketball­fans in Trier eine Identifika­tionsfigur geblieben.

Seine persönlich­e Anerkennun­g erfuhr Charly Brown durch seine häufige Wahl ins All-Star-Team der Bundesliga, wo er 2003 auch als MVP (wertvollst­er Spieler) geehrt wurde.

Charly wechselte innerhalb der Bundesliga nach Leverkusen, konnte aber wegen zahlreiche­r Verletzung­en die Erwartunge­n nicht in vollem Umfang erfüllen. In Oldenburg, wohin er 2004/05 seinem Trainer Don Beck folgte, erreichte er mit seiner Mannschaft die Play-Offs, ehe er 2005/06 seine Bundesliga-Karriere in Trier beendete. Seine Bindung zu Trier war so groß, dass er in der Saison 2006/2007 noch einmal nach Deutschlan­d zurückkehr­te, um die MJC Trier in der Regionalli­ga zu unterstütz­en.

Insgesamt neun Jahre hat Don Beck mit Carl Brown gearbeitet. Auch er hat eine ganz große Meinung von seinem ehemaligen Spieler. „Er war einfach speziell und dies meine ich absolut positiv.“Er war laut Beck nicht nur ein großartige­r Spieler, sondern „auch ein toller Mensch“, mit dem man viel Spaß haben konnte. Don Beck schätzte seine „unglaublic­he Energie, die er auf das Spielfeld brachte. Er sah in Brown einen echten Leader, der seine Mitspieler mit seinem Siegeswill­en inspiriert­e. „Er war die Maschine, die uns zu unseren großen Erfolgen führte. Es war eine große Ehre für mich, mit ihm arbeiten zu können.“

Carl Brown lebt wieder in Little Rock in Arkansas und ist nach eigenen Angaben sehr zufrieden mit seinem Leben und blickt sehr gerne auf seine Zeit in Trier, die er als die „beste seines Lebens“bezeichnet, zurück. „Mein Ziel ist es Trier irgendwann in nächster Zeit einen Besuch abzustatte­n“, sagt Brown, der sehr zurückhalt­end ist und nicht über sein derzeitige­s Privatlebe­n sprechen möchte. In Trier hat er aber noch viele Freunde und Bekannte, „die ich ganz herzlich grüßen möchte.“

Produktion dieser Seite: Andreas Conrad

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FOTO:ARCHIV/HARALD TITTEL In einem legendären Spiel gegen Alba Berlin wurde Carl „Charly“Brown zum Matchwinne­r.
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FOTO: WILLY SPEICHER Zum 25. Jahrestag: Brown und sein kongeniale­r Partner Bernard Thompson grüßten aus ihrer jetzigen Heimat per Videoschal­te.
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FOTO: ARCHIV/WILLY SPEICHER In der Saison 2006/2007 kehrte Brown noch einmal zurück, um die MJC Trier in der Regionalli­ga zu unterstütz­en.
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FOTO:ARCHIV/HARALD TITTEL Große Ehre: Carl Brown durfte sich nach dem Pokalsieg in das Goldene Buch der Stadt Trier eintragen.

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