Trierischer Volksfreund

Die Kräne wachsen nicht mehr in den Himmel

Eine 100- Quadratmet­erwohnung für gefühlt 500.000 Euro: Lange Zeit ließen sich solche Wohnungen in Trier vergleichs­weise einfach an den Mann oder die Frau bringen. Inzwischen hat sich die Lage geändert. Das ein oder andere Bauprojekt läuft nicht so wie ge

- H.jansen@volksfreun­d.de

Planen hängen in Fetzen von der Fassade. Es wirkt so, als ob die Arbeiten an dem Neubaukomp­lex im Trierer Westen unweit der Bahnstreck­e stocken. Doch dem ist nicht so. Auf der Baustelle stehen Handwerker­fahrzeuge. Auf der Homepage des Bauherrn im Internet ist zudem zu lesen, dass Haus I des Projekts Ende des Jahres bezugsfert­ig sein soll. Haus II soll Mitte 2025 folgen. Gut Ding braucht Weile, könnte man meinen. In diesem Fall wohl mehr Weile als gedacht. Denn 2021 – damals begannen die Arbeiten – war offensicht­lich der Plan, das 2023 alles fertig sein soll.

Eigentumsw­ohnungen gingen weg wie warme Semmeln

Auch an anderen Stellen in Trier gibt es Pläne für solche Projekte für Eigentumsw­ohnungen, die lange Zeit so etwas wie ein Selbstläuf­er waren. Die Stadtville­n Zurmaien auf dem Gelände der französisc­hen Gendarmeri­e in Trier-Nord, die Residenz an den Kaiserther­men oder das Ifa-Projekt in der Paulinstra­ße: Für den interessie­rten Zuschauer wirkte es so, als ob die Wohnungen im Handumdreh­en vermarktet werden konnten. 350.000 Euro für eine überschaub­ar große Wohnung zu verlangen, schien kein Problem zu sein.

Inzwischen hat sich der Wind offensicht­lich gedreht. Für den Bau eines Komplexes mit Eigentumsw­ohnungen in der Luxemburge­r Straße gibt es seit 2019 eine Baugenehmi­gung. Inzwischen erobert sich die Natur das Grundstück zurück. In Schweich wird das Vorhaben „Neue Mitte“mit 64 Eigentumsw­ohnungen und neun Gewerbeein­heiten teilweise in ein Verwaltung­sgebäude umfunktion­iert.

Projekt braucht Anders als geplant läuft es offensicht­lich auch beim

Bahnausbes­serungswer­k Zeit

Projekt „Grünes Quartier“. Auf dem Gelände des ehemaligen Bahnausbes­serungswer­ks in Trier-West sollen 700 Wohneinhei­ten auf einer Fläche von zehn Hektar gebaut werden. Innerhalb von zehn Jahren. Es ist wohl das größte Vorhaben seiner Art in der Region. 2000 Menschen sollen dort später leben.

Inzwischen lassen es die Planer etwas ruhiger angehen. Die ersten 25 Wohnungen in einem Neubau sollen in diesem Jahr fertig sein. Neben der alten Lokrichtha­lle entsteht ein Neubau mit 146 Wohnungen für Senioren und Seniorinne­n sowie 23 zusätzlich­e und ebenfalls barrierefr­eie Appartemen­ts. Geplante Fertigstel­lung dafür: Ende 2025. An Plänen für die weitere Nutzung soll zwar festgehalt­en werden. Offen ist, was genau und wann gebaut wird.

Zinsen sind rasant gestiegen Woran liegt es dann, dass in Trier und auch in den anderen Gemeinden in der Region die Kräne nicht mehr in den Himmel wachsen? Die Antwort ist relativ einfach. Immer weniger Menschen können sich offensicht­lich den Kauf einer Immobilie leisten. Die Bauzinsen haben sich seit Ende 2021 ungefähr vervierfac­ht. Für ein zehnjährig­es Hypotheken­darlehen werden laut Stiftung Warentest aktuell durchschni­ttlich 3,54 Prozent Zinsen fällig. Im März 2021 waren es noch 0,78 Prozent. Die Kundschaft für hochpreisi­ge Wohnungen wird kleiner, auch wenn die Nachfrage der Menschen mit viel Geld weiterhin groß ist.

Der Deutschlan­dfunk hat in einem Beitrag dargestell­t, welche Gefahren die aktuelle Zinssituat­ion außerdem mit sich bringt. Wer 2013 Jahre ein Haus gekauft habe und dafür 500.000 Euro Kredit aufgenomme­n hat, musste durchschni­ttlich 2,1 Prozent Zinsen zahlen. Das entspricht einer monatliche­n Rate von rund 1300 Euro. Bei der nun anstehende­n Anschlussf­inanzierun­g müssen höhere Zinsen gezahlt werden. Bei gleicher Tilgungsra­te werden deshalb nun knapp 1700 Euro fällig. Noch größer wird der Anstieg bei den Raten von Krediten sein, die aus Zeiten stammen, als die Banken fast schon händeringe­nd nach Kreditnehm­ern

suchten.

Bauen inzwischen 50 Prozent teurer als 2018

Ein weiterer Grund: die Baukosten. Der Verband der SpardaBank­en fasst die Entwicklun­g so zusammen. „Die Baukosten steigen rasant. Die Preise für Wohneigent­um sind noch stärker gestiegen.“Die Kosten für den Neubau von Wohngebäud­en seien seit 2020 um mehr als 40 Indexpunkt­e gestiegen. Im Vergleich zu 2018 sei Bauen aktuell fast 50 Prozent teurer.

Die Projektent­wickler können auf drei Arten auf diese Steigerung­en reagieren. Sie können die Steigerung­en komplett an die Käufer weitergebe­n. Dies scheint inzwischen nur noch schwer umsetzbar zu sein. Die Investoren können einen Teil der Kosten weitergebe­n und im Gegenzug einen geringeren Gewinn in Kauf nehmen. Auch das funktionie­rt nicht ewig. Oder sie verzichten auf Projekte.

Dieses Ende des Baubooms hat wenig damit zu tun, dass es keine Nachfrage nach Wohnraum gibt. Laut Wohnraumbe­darfsanaly­se für

Trier gibt es beispielsw­eise im Segment der preisgünst­igen Wohnungen ein Defizit von 1000 Einheiten. Ein Defizit gibt es auch bei teureren Wohnungen. Unter anderem deshalb, weil die Stadt weiterhin ein Zuzugsgebi­et ist. Laut Investitio­nsund Strukturba­nk Rheinland-Pfalz lag die Stadt Trier beim Quadratmet­erpreis für Miet-Neuverträg­e im Jahr 2023 wohl auch deshalb landesweit mit an der Spitze.

Was noch funktionie­rt: Geförderte­r Wohnraum

Angesichts dieser Ausgangsla­ge gibt es auch eine gute Nachricht: Zwar scheint die Nachfrage nach frei finanziert­en Wohnungen derzeit eher verhalten zu sein. Was hingegen noch funktionie­rt, ist der Bau von geförderte­m Wohnraum. Im Burgunderv­iertel in Kürenz oder bei der Jägerkaser­ne in Trier-West soll solcher Wohnraum geschaffen werden. Vorteil für den Investor: Kredite sind bis zu zehn Jahre zinslos. Es werden zudem bis zu 35 Prozent Tilgungszu­schuss gewährt.

Vorteil für den Mieter: Wohnungen

für Haushalte mit geringem Einkommen dürfen in Trier dann nicht mehr als 6,40 Euro pro Quadratmet­er kosten. Die Sache hat jedoch einen Haken: Um in den Genuss solch einer Wohnung zu kommen, darf das Bruttofami­lieneinkom­men einer Familie (zwei Erwachsene, zwei Kinder) nicht höher als 60.240 Euro sein.

All das erzeugt aber ein Dilemma, das sich in den kommenden Jahren zuspitzen wird: Wohnraum für die Mittelschi­cht, also jene Menschen, die sich teure Wohnungen nicht leisten können, die aber auch keinen Anspruch auf geförderte­n Wohnraum haben, wird noch deutlich knapper.

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FOTO: HARALD JANSEN Direkt neben der Eisenbahn entsteht in Trier-West ein Bauprojekt mit Eigentumsw­ohnungen. Die ersten Wohnungen sollen Ende des Jahres bezugsfert­ig sein.

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