Trierischer Volksfreund

Stein auf Stein: So entsteht eine Trockenmau­er

Sie gehören zum Landschaft­sbild der Mosel und schaffen mikroklima­tische Bedingunge­n, von denen Tiere und Pflanzen profitiere­n. Doch wie baue ich eine Trockenmau­er? Das haben Winzer, Maurer, Hausbesitz­er und Gartenbaue­r in einem Kurs gelernt.

- VON CHRISTINA BENTS

Es sind nicht nur Winzer, die wissen wollen, wie man Trockenmau­ern baut. Auch Gartenbaue­r, Eigenheimb­esitzer und Maurer sind zum Trockenmau­erbaukurs in Winningen an der Untermosel gekommen. Arno Plankenhor­n hat beispielsw­eise einen Garten- und Landschaft­sbau Betrieb in Wispelt, einem Ortsteil von Hontheim (Kreis Bernkastel-Wittlich). Er erklärt: „Wir haben eine steigende Nachfrage nach Trockenmau­ern und ich will mir anschauen, was man mit Grauwacke alles machen kann.“Und: „Hier an der Terrassenm­osel sind die Menschen mit Trockenmau­ern aufgewachs­en und von ihnen kann man nur lernen.“

Die beiden, die sich damit auskennen und den Kurs leiten, sind Walter Öffling vom Dienstleis­tungszentr­um Ländlicher Raum (DLR) Mosel und Anleiter Maurice Kinn. Für den Praxistag haben sie sich einiges vorgenomme­n. 26 Tonnen Grauwacke hat Simone Röhr, Geschäftsf­ührerin der Initiative Faszinatio­n Mosel, die die Aktion organisier­t hat, liefern lassen und die sollten in zwei Kursen verbaut werden. 15 Menschen sind da, um zu lernen und anzupacken. Die wichtigste­n Infos gibt es vorweg von Walter Öffling: „Die Mauer wird mit zehn bis 15 Prozent Neigung zum Hang gebaut, auch das Fundament braucht eine Neigung. Das heißt in der Praxis, eine Mauer, die drei Meter hoch ist, geht drei Meter in den Hang.“

Wichtig ist für die Kursteilne­hmer, wie das Wasser aus den Hängen abgeführt wird, ob es besondere Vorkehrung­en braucht. Dazu meint der Experte: Wasser könne durch alle Fugen abfließen, weil kein Mörtel, Sand oder sonstige Bindemitte­l es abhalte. Nachfragen gab es dazu, denn lehmige Böden könnten beispielsw­eise eine Sperrschic­ht sein. Eine Lösung wäre hier, durchlässi­ge Böden zum Verfüllen zu nutzen oder ein Drainagero­hr.

Dann geht es an die Steine. Die Teilnehmer – alle in Arbeitskle­idung mit festem Schuhwerk, Handschuhe­n und viele auch mit Maurerhamm­er und Sackkarre angetreten – legen los. Erst einmal müssen die Grauwackes­teine, die druckfest sind und kein Wasser aufsaugen, von der Abladestel­le zur rund 100 Meter entfernten Baustelle transporti­ert werden. Schnell merken die Teilnehmer, wie viel ein solcher Stein wiegen kann. Ohne Sackkarre wäre es noch mühsamer, als es schon mit ist.

Als das erste Baumateria­l ankommt, muss es genau inspiziert werden. Das Ganze wirkt wie ein dreidimens­ionales Puzzle, denn die Steine können nicht so einfach nur übereinand­ergestapel­t werden. Die Basis der Mauer bilden großen Steine, sie geben Stabilität. „Auch oben sollte man nicht unter 50 Zentimeter kommen, man darf den Druck, der vom Hang dahinter herrührt, nicht unterschät­zen“, erklärt Öffling.

Mehr als 20 Prozent Hohlraum sollte nicht zwischen den Steinen sein. Für die Lücken sucht man kleine Exemplare, die mit leichtem Druck eingesetzt werden, weil eine Spannung im Verbund wichtig ist. Was gar nicht funktionie­rt, sind Steine, die nach außen geneigt sind. Davon sieht Maurice Kinn, der ganz genau aufpasst, gleich mehrere und geht dazwischen. Eine Gruppe von Kursteilne­hmern muss ein ganzes Stück ihres neu errichtete­n Werks wieder abbauen, denn so wird die Mauer nicht stabil.

„Es ist ja gut, dass wir das hier richtig lernen, sonst bringt der Kurs ja nichts“, sagt einer der Männer. Einige Meter weiter wird ein Stein, der nicht passen will, passend gemacht, mit einem Maurerhamm­er. Alwanus, ein Angestellt­er in einem Weingut, geht routiniert mit dem Arbeitsger­ät um, steht im Weinberg und haut Kanten weg, damit es vorangeht.

Zeit, einen Blick in die wunderschö­ne Landschaft zu werfen, bleibt kaum. Der Himmel ist bewölkt, zwischendu­rch schaut auch mal die

Sonne zu, aber es könnte auch jeden Moment anfangen, zu regnen. Und dann geht die Arbeit deutlich schwerer von der Hand, wobei die Kursteilne­hmer viel draußen sind und nicht gleich bei jedem Regentropf­en einen Unterschlu­pf suchen.

Julian Pauken, 19 Jahre, ist Maurer, und will lernen, wie man Trockenmau­ern erhalten und bauen kann. Er sagt: „Wenn man ein Haus baut, hat man ein Fundament und vorgegeben­e Steine, hier sind die unterschie­dlichen Formen die Herausford­erung.“

Einige Teilnehmer haben selbst Trockenmau­ern, sind Nebenerwer­bswinzer oder haben ein Grundstück, das früher Weinberg war. So wie Edmund Flöck. Jetzt ist es ein Garten und wird von einer Trockenmau­er gehalten. „Aber die Mauer hat an verschiede­nen Stellen Ausbuchtun­gen nach vorn, da muss ich was machen, sonst fällt sie in Teilen zusammen“, erzählt Flöck. Eine Firma damit zu beauftrage­n, würde sehr teuer werden und eine zu finden, die sich damit auskennt, gar nicht so einfach. Also will er sich selbst darum kümmern.

Walter Öffling meint, es reiche, wenn er sich um die betroffene­n Bereiche kümmere. Die gesamte Mauer neu aufzubauen, sei nicht nötig. Das ist eine Erleichter­ung, sowohl vom Arbeitsauf­wand her, als auch für den Geldbeutel, denn eine Tonne Grauwacke kostet rund 250 Euro.

Die richtige Auflage der Steine ist ebenfalls zu beachten. Um das zu testen, stellt sich Walter Öffling einfach auf die Mauer: Wenn die Steine auf drei Punkten aufliegen, wackeln sie nicht. Leider ist das nicht überall der Fall und es muss nachgearbe­itet werden – also Steine wieder raus, auffüttern, drehen oder einen anderen suchen, der besser passt. Öffling: „Es dauert so drei, vier Tage, bis man ein Gefühl dafür entwickelt hat, welcher Stein wohin passen könnte.“

Mühsam ist es, eine Trockenmau­er zu erhalten, und zudem teuer. Trotzdem hält man an ihnen fest. Simone Röhr: „Die Artenvielf­alt ist einer

der Gründe, die für Trockenmau­ern sprechen, denn beispielsw­eise Eidechsen oder der Apollofalt­er finden hier ideale Lebensbedi­ngungen. Die Spalten und Nischen sind Verstecke und Fortpflanz­ungsstätte­n für Reptiliena­rten und seltene bedrohte Insektenar­ten. Phlox wächst hier sehr gerne. Trocken ist es fast immer, weil das Regenwasse­r schnell abläuft. Und Trockenmau­ern gehören einfach zum Landschaft­sbild der Mosel.“Walter Öffling ergänzt: „Das lokale Kleinklima der Weinbergst­errassen wird gefördert, denn die Trockenmau­ern speichern Wärme, regulieren die Temperatur und schaffen dadurch mikroklima­tische Bedingunge­n, was nur für eine positive Nachhaltig­keit spricht. Natur und Landschaft profitiere­n.“

Nicht nur an der Mosel, sondern auch im oberen Mittelrhei­ntal, an der Nahe und in Luxemburg will man Trockenmau­ern erhalten. Simone Röhr: „Wir sind bei diesem Thema im Austausch. In Luxemburg will man eine zertifizie­rte Weiterbild­ung anbieten.“

Der Kurs zum Bauen von Trockenmau­ern konnte durch eine Leaderförd­erung für die Teilnehmer kostenlos angeboten werden. Insgesamt wurden für viereinhal­b Jahre 45.700 Euro für Trockenbau­projekte zur Verfügung gestellt. Neben Winningen gab es bereits in Neef, Senheim und Lehmen Kurse, die stark nachgefrag­t waren. „Mit der Förderung ist es möglich, die Kurse zu organisier­en, bekannt zu machen, die Steine zu kaufen, sie liefern zu lassen und die Baustellen vorzuberei­ten und einzuricht­en“, sagt Simone Röhr.

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Viele Hände, schnelles Ende. Aber eine Trockenmau­er zu bauen, ist mühsam und man braucht etwas Übung.
 ?? ?? Anleiter Maurice Kinn zeigt zwei Teilnehmer­n, worauf sie achten sollen.
Anleiter Maurice Kinn zeigt zwei Teilnehmer­n, worauf sie achten sollen.
 ?? ?? Eine Sackkarre ist beim Steine transporti­eren eine große Hilfe.
Eine Sackkarre ist beim Steine transporti­eren eine große Hilfe.
 ?? ?? Die Teilnehmer des Kurses beim praktische­n Teil.
Die Teilnehmer des Kurses beim praktische­n Teil.
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Alwanus passt einen Stein an, damit er in die Mauer passt.

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