Stein auf Stein: So entsteht eine Trockenmauer
Sie gehören zum Landschaftsbild der Mosel und schaffen mikroklimatische Bedingungen, von denen Tiere und Pflanzen profitieren. Doch wie baue ich eine Trockenmauer? Das haben Winzer, Maurer, Hausbesitzer und Gartenbauer in einem Kurs gelernt.
Es sind nicht nur Winzer, die wissen wollen, wie man Trockenmauern baut. Auch Gartenbauer, Eigenheimbesitzer und Maurer sind zum Trockenmauerbaukurs in Winningen an der Untermosel gekommen. Arno Plankenhorn hat beispielsweise einen Garten- und Landschaftsbau Betrieb in Wispelt, einem Ortsteil von Hontheim (Kreis Bernkastel-Wittlich). Er erklärt: „Wir haben eine steigende Nachfrage nach Trockenmauern und ich will mir anschauen, was man mit Grauwacke alles machen kann.“Und: „Hier an der Terrassenmosel sind die Menschen mit Trockenmauern aufgewachsen und von ihnen kann man nur lernen.“
Die beiden, die sich damit auskennen und den Kurs leiten, sind Walter Öffling vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Mosel und Anleiter Maurice Kinn. Für den Praxistag haben sie sich einiges vorgenommen. 26 Tonnen Grauwacke hat Simone Röhr, Geschäftsführerin der Initiative Faszination Mosel, die die Aktion organisiert hat, liefern lassen und die sollten in zwei Kursen verbaut werden. 15 Menschen sind da, um zu lernen und anzupacken. Die wichtigsten Infos gibt es vorweg von Walter Öffling: „Die Mauer wird mit zehn bis 15 Prozent Neigung zum Hang gebaut, auch das Fundament braucht eine Neigung. Das heißt in der Praxis, eine Mauer, die drei Meter hoch ist, geht drei Meter in den Hang.“
Wichtig ist für die Kursteilnehmer, wie das Wasser aus den Hängen abgeführt wird, ob es besondere Vorkehrungen braucht. Dazu meint der Experte: Wasser könne durch alle Fugen abfließen, weil kein Mörtel, Sand oder sonstige Bindemittel es abhalte. Nachfragen gab es dazu, denn lehmige Böden könnten beispielsweise eine Sperrschicht sein. Eine Lösung wäre hier, durchlässige Böden zum Verfüllen zu nutzen oder ein Drainagerohr.
Dann geht es an die Steine. Die Teilnehmer – alle in Arbeitskleidung mit festem Schuhwerk, Handschuhen und viele auch mit Maurerhammer und Sackkarre angetreten – legen los. Erst einmal müssen die Grauwackesteine, die druckfest sind und kein Wasser aufsaugen, von der Abladestelle zur rund 100 Meter entfernten Baustelle transportiert werden. Schnell merken die Teilnehmer, wie viel ein solcher Stein wiegen kann. Ohne Sackkarre wäre es noch mühsamer, als es schon mit ist.
Als das erste Baumaterial ankommt, muss es genau inspiziert werden. Das Ganze wirkt wie ein dreidimensionales Puzzle, denn die Steine können nicht so einfach nur übereinandergestapelt werden. Die Basis der Mauer bilden großen Steine, sie geben Stabilität. „Auch oben sollte man nicht unter 50 Zentimeter kommen, man darf den Druck, der vom Hang dahinter herrührt, nicht unterschätzen“, erklärt Öffling.
Mehr als 20 Prozent Hohlraum sollte nicht zwischen den Steinen sein. Für die Lücken sucht man kleine Exemplare, die mit leichtem Druck eingesetzt werden, weil eine Spannung im Verbund wichtig ist. Was gar nicht funktioniert, sind Steine, die nach außen geneigt sind. Davon sieht Maurice Kinn, der ganz genau aufpasst, gleich mehrere und geht dazwischen. Eine Gruppe von Kursteilnehmern muss ein ganzes Stück ihres neu errichteten Werks wieder abbauen, denn so wird die Mauer nicht stabil.
„Es ist ja gut, dass wir das hier richtig lernen, sonst bringt der Kurs ja nichts“, sagt einer der Männer. Einige Meter weiter wird ein Stein, der nicht passen will, passend gemacht, mit einem Maurerhammer. Alwanus, ein Angestellter in einem Weingut, geht routiniert mit dem Arbeitsgerät um, steht im Weinberg und haut Kanten weg, damit es vorangeht.
Zeit, einen Blick in die wunderschöne Landschaft zu werfen, bleibt kaum. Der Himmel ist bewölkt, zwischendurch schaut auch mal die
Sonne zu, aber es könnte auch jeden Moment anfangen, zu regnen. Und dann geht die Arbeit deutlich schwerer von der Hand, wobei die Kursteilnehmer viel draußen sind und nicht gleich bei jedem Regentropfen einen Unterschlupf suchen.
Julian Pauken, 19 Jahre, ist Maurer, und will lernen, wie man Trockenmauern erhalten und bauen kann. Er sagt: „Wenn man ein Haus baut, hat man ein Fundament und vorgegebene Steine, hier sind die unterschiedlichen Formen die Herausforderung.“
Einige Teilnehmer haben selbst Trockenmauern, sind Nebenerwerbswinzer oder haben ein Grundstück, das früher Weinberg war. So wie Edmund Flöck. Jetzt ist es ein Garten und wird von einer Trockenmauer gehalten. „Aber die Mauer hat an verschiedenen Stellen Ausbuchtungen nach vorn, da muss ich was machen, sonst fällt sie in Teilen zusammen“, erzählt Flöck. Eine Firma damit zu beauftragen, würde sehr teuer werden und eine zu finden, die sich damit auskennt, gar nicht so einfach. Also will er sich selbst darum kümmern.
Walter Öffling meint, es reiche, wenn er sich um die betroffenen Bereiche kümmere. Die gesamte Mauer neu aufzubauen, sei nicht nötig. Das ist eine Erleichterung, sowohl vom Arbeitsaufwand her, als auch für den Geldbeutel, denn eine Tonne Grauwacke kostet rund 250 Euro.
Die richtige Auflage der Steine ist ebenfalls zu beachten. Um das zu testen, stellt sich Walter Öffling einfach auf die Mauer: Wenn die Steine auf drei Punkten aufliegen, wackeln sie nicht. Leider ist das nicht überall der Fall und es muss nachgearbeitet werden – also Steine wieder raus, auffüttern, drehen oder einen anderen suchen, der besser passt. Öffling: „Es dauert so drei, vier Tage, bis man ein Gefühl dafür entwickelt hat, welcher Stein wohin passen könnte.“
Mühsam ist es, eine Trockenmauer zu erhalten, und zudem teuer. Trotzdem hält man an ihnen fest. Simone Röhr: „Die Artenvielfalt ist einer
der Gründe, die für Trockenmauern sprechen, denn beispielsweise Eidechsen oder der Apollofalter finden hier ideale Lebensbedingungen. Die Spalten und Nischen sind Verstecke und Fortpflanzungsstätten für Reptilienarten und seltene bedrohte Insektenarten. Phlox wächst hier sehr gerne. Trocken ist es fast immer, weil das Regenwasser schnell abläuft. Und Trockenmauern gehören einfach zum Landschaftsbild der Mosel.“Walter Öffling ergänzt: „Das lokale Kleinklima der Weinbergsterrassen wird gefördert, denn die Trockenmauern speichern Wärme, regulieren die Temperatur und schaffen dadurch mikroklimatische Bedingungen, was nur für eine positive Nachhaltigkeit spricht. Natur und Landschaft profitieren.“
Nicht nur an der Mosel, sondern auch im oberen Mittelrheintal, an der Nahe und in Luxemburg will man Trockenmauern erhalten. Simone Röhr: „Wir sind bei diesem Thema im Austausch. In Luxemburg will man eine zertifizierte Weiterbildung anbieten.“
Der Kurs zum Bauen von Trockenmauern konnte durch eine Leaderförderung für die Teilnehmer kostenlos angeboten werden. Insgesamt wurden für viereinhalb Jahre 45.700 Euro für Trockenbauprojekte zur Verfügung gestellt. Neben Winningen gab es bereits in Neef, Senheim und Lehmen Kurse, die stark nachgefragt waren. „Mit der Förderung ist es möglich, die Kurse zu organisieren, bekannt zu machen, die Steine zu kaufen, sie liefern zu lassen und die Baustellen vorzubereiten und einzurichten“, sagt Simone Röhr.