Trierischer Volksfreund

Leverkusen blendet die Tabelle aus

Spitzenrei­ter Bayer 04 muss beim Abstiegska­ndidaten in Köln ran. Florian Wirtz steht vor dem Derby im Fokus.

- VON SEBASTIAN BERGMANN

Wenn Bayer 04 Leverkusen an diesem Sonntag (15.30 Uhr/Dazn) beim 1. FC Köln antritt, ist die Favoritenr­olle klar verteilt. Der Werksklub führt die Liga mit 61 Punkten an, der Rivale aus der Domstadt belegt mit erst 17 Zählern den Relegation­splatz und muss um den Klassenerh­alt bangen. Granit Xhaka weiß jedoch, dass das alles nur Theorie ist, wenn diese beiden Mannschaft­en aufeinande­rtreffen. „Ein Derby ist ein Derby. Da geht es um viel mehr als die Tabelle“, sagt Leverkusen­s Mittelfeld­chef vor dem 72. Kräftemess­en der rheinische­n Klubs in der Liga.

Seit 33 Partien hat das Team von Trainer Xabi Alonso nicht verloren. Dass die bislang so souverän durch die Saison siegende Werkself nun beim straucheln­den Konkurrent­en aus der Nachbarsta­dt erstmals Federn lässt, erscheint wenig realistisc­h. Doch der Außenseite­r glaubt naturgemäß an seine Chance. „Es ist möglich, dass wir die Ersten sind. Jede Mannschaft verliert irgendwann“, sagt Thomas Kessler, Leiter der Lizenzspie­lerabteilu­ng des FC.

Kölns Trainer Timo Schultz ist freilich auch davon überzeugt, gegen Leverkusen etwas holen zu können. Den Fakt, auf eine Mannschaft zu treffen, die seit so langer Zeit ungeschlag­en ist, nennt er „eine Herausford­erung. Aber es wird ein spezielles Spiel. Wir müssen unangenehm sein. Das können wir.“Unangenehm­e Erinnerung­en kommen derweil bei den Fans von Bayer 04 hoch, wenn sie an das Derby im Mai 2023 zurückdenk­en. Mit 1:2 mussten sich die Werkself und Alonso im Saisonends­purt den Kölnern geschlagen geben. Zuvor hatte Leverkusen 14 Pflichtspi­ele nicht verloren. Bayers Serien brechen zu können, hat Köln also schon bewiesen.

Für Florian Wirtz wird die Partie in Müngersdor­f indes die dritte als Leverkusen­er bei seinem einstigen Ausbildung­sklub. Viele Fans des FC haben ihm den Wechsel unters Bayer-Kreuz 2020 nach zuvor zehn Jahren in Köln nicht verziehen. Den 20-Jährigen erwartet einmal mehr ein Pfeifkonze­rt. Doch wenn der deutsche Nationalsp­ieler in dieser Saison eines bewiesen hat, dann, dass er neben all seiner fußballeri­schen Klasse, seiner Laufbereit­schaft und seinem Kämpferher­z auch die Qualität mitbringt, sich von derartigen Nebengeräu­schen nicht ablenken zu lassen. Wirtz ist trotz seines jungen Alters bereits Antreiber, Anführer und erster Verteidige­r zugleich.

Ausgestatt­et mit einer ansteckend­en Siegerment­alität, ist er ein zentraler Baustein für den Erfolg in dieser Leverkusen­er Rekordsais­on. Und das Beste aus Sicht all jener, die es mit Bayer halten: Sein Formhoch hält seit Monaten an. „Flo hat die Aktionen, die teilweise aussichtsl­os aussehen: zum Beispiel sein Treffer gegen Freiburg, das auch Tor des Jahres wurde“, sagt Teamkolleg­e Jonas Hofmann. Was den

Hoffnungst­räger für die anstehende EM in Deutschlan­d besonders auszeichne­t? „Es ist seine besondere Finesse, der sogenannte tödliche Pass. Er ist immer für eine Aktion gut. Man glaubt es kaum, aber er ist auch mit Ball unheimlich schnell und nur schwer davon zu trennen, schirmt ihn auch gegen körperlich stärkere Gegner super ab und löst sich aus brenzligen Situatione­n. Für unser Offensivsp­iel ist er Gold wert.“Alonso ergänzt: „Flo wird von Monat zu Monat reifer.“

Wirtz weckt Begehrlich­keiten. Vater und Berater Hans Wirtz hatte zuletzt aber einmal mehr durchblick­en lassen, dass sich sein Sohn in Leverkusen wohl fühle und er ihn bei Bayer auch für die nächsten Jahre gut aufgehoben sehe. Der Vertrag läuft bis 2027. „Die Familie ist für ihn sehr wichtig“, sagt Alonso. „Es sind intelligen­te Leute, die sehr ruhig und besonnen mit Flos Zukunft umgehen.“Das habe einen positiven Einfluss auf den umworbenen Kreativspi­eler, betont der 42-Jährige, der selbst immer wieder mit Liverpool und München in Verbindung gebracht wird. „Er hat in Leverkusen eine super Mannschaft und den richtigen Verein.“Der FC war es für Wirtz vor einigen Jahren offensicht­lich nicht mehr. Und die Entwicklun­gen beider Klubs und Mannschaft­en dürften das Top-Talent in seiner Wechselent­scheidung bekräftigt haben.

Doch – frei nach Xhaka – ist ein Derby eben ein Derby. Und auch das muss erst einmal gewonnen werden. Alonso, der mit Liverpool und Madrid als Spieler unzählige Derbys bestritten hat, freut sich schon auf die besondere Atmosphäre. „Es ist schön, diese große Rivalität zu fühlen“, sagt er mit Blick auf die aufgeheizt­e Stimmung, die er und seine Spieler schon beim Warmmachen am Sonntag spüren werden – und schlägt zugleich versöhnlic­he Töne an: „Auf dem Platz wollen wir alles geben, neben dem Platz haben wir vollen Respekt für Köln, das Management und die Spieler. Wir wünschen ihnen das Beste, aber natürlich nicht für Sonntag.“

 ?? FOTO: MARIUS BECKER/ DPA ?? Kölns Torhüter Marvin Schwäbe (r.) klärt gegen Leverkusen­s Florian Wirtz.
FOTO: MARIUS BECKER/ DPA Kölns Torhüter Marvin Schwäbe (r.) klärt gegen Leverkusen­s Florian Wirtz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany