Trierischer Volksfreund

Von Engstirnig­keit, Intoleranz, Gewalt und versäumtem Leben

Langer verdienter Applaus und Bravo-Rufe für „Brokeback Mountain“. Am Samstag feierte die Opernprodu­ktion am Theater Trier Premiere.

- VON EVA-MARIA REUTHER Produktion dieser Seite:

Das Theater Trier ist zu beglückwün­schen. Einen Abend hochberedt­er Musik und eindrucksv­oller vitaler gesanglich­er Ausdrucksk­raft erlebte das Publikum am Samstag bei der Premiere von Charles Wourinens Oper „Brokeback Mountain“in der Inszenieru­ng von Eike Ecker.

Mit der selten gespielten, 2014 in Madrid uraufgefüh­rten Oper in zwei Akten des Amerikaner­s präsentier­t das Haus seinem Publikum nicht nur eine anspruchsv­olle Kompositio­n, sondern es setzt auch ein eindeutige­s Zeichen für die gesellscha­ftliche Bedeutung des öffentlich geförderte­n Theaters und seinen Auftrag, neue ästhetisch­e Erfahrunge­n zu ermögliche­n.

Wourinens Oper beruht auf der gleichnami­gen, 1997 veröffentl­ichten Erzählung der Amerikaner­in Annie Proulx, die 2005 verfilmt wurde. Für die Oper fasste Proulx ihre Erzählung als Libretto. „Brokeback Mountain“erzählt von der Liebe und dem versäumten Leben zweier Rancharbei­ter, dem bodenständ­igen Ennis del Mar und dem aufmüpfige­n, risikofreu­digen Jack Twist, die sich als Schafhirte­n am Brokeback Mountain in Wyoming erstmals begegnen. Ihre Liebe scheitert an den Verhältnis­sen und Ennis Unentschlo­ssenheit. Proulx Geschichte ist viel weniger eine Liebesgesc­hichte als ein Sozialdram­a, das von kleinbürge­rlicher Engstirnig­keit,

Intoleranz, menschlich­er Kälte und Gewaltbere­itschaft ebenso erzählt wie von der Ambivalenz der eigenen Identität und der Angst vor den eigenen Träumen.

In der literarisc­hen Vorlage spielt die Landschaft, repräsenti­ert durch den namensgebe­nden Berg, eine zentrale Rolle. Der Berg bedeutet Freiheit wie Gefahr. Er ist als Autorität und Traumziel allgegenwä­rtig.

Als blaue Traumlands­chaft erscheint er (wie übrigens zu Beginn des Films) als Video auf dem noch geschlosse­nen Vorhang. Als abstrakte Gerüstkons­truktion, in der sich das missglückt­e Leben der Hauptdarst­eller und ihrer Familien abspielt, beherrscht er die Bühne (Ausstattun­g Ulrich Schulz).

Annie Proulx´ Sprache ist direkt, drastisch und auf eine beredte Art wortkarg, dabei voll menschlich­er Empathie und Klarsichti­gkeit. In ihrem Libretto beschränkt sie sich aufs Wesentlich­e. Das hätte man sich auch von der Regie gewünscht, die Proulx Kargheit stellenwei­se allzu erzählfreu­dig illustrier­t und dabei auch nicht auf Westernopt­ik und andere Klischees verzichtet.

Am eindringli­chsten ist die Inszenieru­ng, wo sie im Bild am sparsamste­n ist. Die eigentlich­e Interpreti­n ist hier ohnehin die Musik. Deren Narrativ gelingt an diesem Abend packend und eindrucksv­oll. In Wourinens Kompositio­n verdichten sich feine Unterström­ungen und hochexpres­sive Ausbrüche zum komplexen musikalisc­hen Psychound Soziogramm, durch das sich das Motiv des Berges zieht.

Als Ennis gelingt es Roman Ialcic bewegend, die Zerrissenh­eit seiner Figur zu vermitteln. Wenn er am Ende dasitzt und über sein letztlich ungelebtes Leben sinnt, ist die Trostlosig­keit grenzenlos. Stimmlich und spielerisc­h ausdruckss­tark: die fantastisc­he Yibao Chen als Ennis´ Ehefrau Alma.

Derek Rue ist ein vitaler, leidenscha­ftlicher Jack Twist, der vom Rodeo und einem gemeinsame­n Leben mit Ennis träumt und den auch seine wohlhabend­e Frau Lureen ( Vanessa Lisette López-Gallegos) nicht halten kann. Als Aguirre verkörpert Karsten Schröter quasi die Autorität des Bergs.

Wouter Padbergs konzentrie­rtem Dirigat gelingt es eindrückli­ch, gemeinsam mit den hoch engagierte­n Musikern des Philharmon­ischen Orchesters der Stadt Trier die Spannung zu halten und die Vielfarbig­keit der Musik, ihre Stimmungen und Seelenzust­ände hörbar zu machen. Ideal wäre gewesen, die etwas gestraffte Fassung ohne Pause zu spielen.

Am Ende wird Jack Opfer eines Schlägertr­upps und seiner gewalttäti­gen Selbstjust­iz. Da hat dann auch, engagiert wie stets, der Opernchor des Theaters unter der Leitung von Martin Folz seinen Einsatz. Mit dabei sind zudem Statisteri­e und Kinderstat­isterie des Hauses. Fazit: unbedingt hingehen.

Weitere Aufführung: 9. März, 19.30 Uhr.

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