Geige, Flöte, Klavier — welchen Lehrern jetzt die Entlassung droht
Viele Schülerinnen und Schüler von Musikschulen müssen sich darauf einstellen, dass ab diesem Sommer Schluss ist mit ihrem Unterricht. Denn als Folge eines Urteils des Bundessozialgerichts dürfen Musikschulen künftig keine Honorarkräfte mehr beschäftigen.
Weit mehr als 5000 Menschen in der Region Trier lernen ein Musikinstrument oder nehmen Gesangsunterricht. Mancherorts, wie in Trier-Saarburg, gibt es sogar lange Wartelisten, um einen Unterrichtsplatz zu bekommen. Die Nachfrage dürfte in diesem Jahr noch einmal deutlich steigen. Denn die Musikschulen müssen sich nach einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom Juni 2022 von ihren Honorarkräften trennen.
Urteil: Musikschullehrer sind meist weisungsgebunden
Hintergrund des Urteils ist der Fall einer Klavierlehrerin aus Herrenberg (Baden-Württemberg), die jahrelang bei der Stadt als Honorarkraft beschäftigt war. Die Rentenversicherung sah in ihrem
Status eine Scheinselbständigkeit und forderte die nachträgliche Zahlung von Sozialabgaben. Das Gericht schloss sich dieser Auffassung an und befand, dass bei Lehrkräften an Musikschulen die Spielräume für freies unternehmerisches Gestalten gering seien. Die Lehrkräfte seien vielmehr weisungsgebunden in den Musikschulbetrieb eingegliedert.
Mit Honorarverträgen sparen Arbeitgeber KostenDas
die Urteil dürfte erhebliche Auswirkungen haben, da oft die Hälfte der Lehrkräfte an Musikschulen auf Honorarbasis beschäftigt ist.
Damit sparen die Auftraggeber Sozialabgaben, und sie gewähren den Betroffenen weder bezahlten Urlaub noch eine Lohnfortzahlung bei Krankheit.
In Trier etwa stehen 30 festangestellten Lehrpersonen 35 Honorarkräfte gegenüber, im Kreis Trier-Saarburg sind es 15 zu 24, in Bernkastel-Wittlich 22 zu 13, in Bitburg-Prüm 10 zu 28, und in der Vulkaneifel kommen auf sieben Festangestellte 13 Honorarkräfte. Zwar mögen die Arbeitsumfänge nicht genau vergleichbar sein, aber die Zahlen verdeutlichen die große Rolle der prekär Beschäftigten.
Was tun mit dem Urteil des Bundessozialgerichts?
Während betroffene Lehrkräfte darauf hoffen, dass ihre qualifizierte Arbeit mit einer Festanstellung gewürdigt wird, sorgen sich die Kommunen darum, wie sie den Fortbestand ihrer Musikschule finanzieren können. In der Region reagieren sie sehr unterschiedlich.
Der Eifelkreis Bitburg-Prüm hat ausgerechnet, was es ihn kosten würde, alle Honorarkräfte im Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes anzustellen: 80.000 Euro in 2024. Er ist die einzige Kommune in der Region, die so klar Konsequenzen aus dem BGS-Urteil ziehen möchte – falls der Kreistag dem Verwaltungsvorschlag an diesem Montag zustimmt. Lediglich Lehrkräfte mit geringem Stundendeputat könnten als Minijobber weitermachen. Gebührenerhöhungen sollen geprüft werden, jedoch wolle man „berücksichtigen, dass die Gebühren für die Eltern bezahlbar bleiben müssen“. Nach Einschätzung der Verwaltung führt kein Weg daran vorbei, die Honorarkräfte in Beschäftigungsverhältnisse nach dem Tarifvertrag öffentlicher Dienst ( TVöD) aufzunehmen.
Auch der Kreis Trier-Saarburg kündigt an, sich um eine Lösung zu bemühen – ohne den Entscheidungsgremien vorgreifen zu wollen. Laut Pressereferentin Martina Bosch sei man „in einem intensiven Austausch sowohl mit dem Bundes- und Landesverband deutscher Musikschulen als auch mit den benachbarten Musikschulen und Kolleginnen und Kollegen“.
Der Vulkaneifelkreis sucht ebenso noch nach einer Lösung, wie Pressesprecherin Verena Bernardy erläutert. „Aufgrund der aktuellen Rechtslage werden derzeit alle Beschäftigungsverhältnisse, insbesondere die der Honorarkräfte, überprüft. Sicherlich wird die Umstellung zu einer Kostensteigerung führen.“
Anders hingegen in der Stadt Trier. Hier hat die Musikschulleitung vergangene Woche alle Betroffenen zusammengerufen, um ihnen mitzuteilen, dass es ab Sommer keine Honorarverträge mehr geben wird. „Alle Honorarverträge an der KarlBerg-Musikschule enden mit Ablauf des Schuljahres 2023/24 und dürfen nicht mehr weitergeführt werden“, heißt es ein paar Tage später in einem Rundschreiben.
Es sei bedrückend, berichten mehrere Betroffene dem Volksfreund, denn ihnen sei deutlich gemacht worden, dass die Stadt keine finanziellen Spielräume für neue Stellen habe. „Was passiert denn jetzt mit unseren Schülern?“, fragt ein Lehrer, dem vor allem bange ist um die modernen Fächer, wo die Zahl der Honorarkräfte besonders hoch sei. Es sei „das Allerschlimmste, dass
Kinder und Jugendliche auf der Strecke bleiben“. Die Stadtverwaltung versichert auf Volksfreund-Anfrage: „Eine grundsätzliche Gefährdung des Musikschulbetriebes besteht nicht, da ja 30 Lehrkräfte mit unbefristeten TVöD-Verträgen unterrichten.“Zudem prüfe man, „mit welchen rechtssicheren Modellen der Musikschulbetrieb in seinem jetzigen Angebotsumfang fortgeführt werden kann“.
Überraschend reagiert der Kreis Bernkastel-Wittlich auf die Frage nach Konsequenzen aus dem Urteil. „Es gibt derzeit keine Überlegungen wegen der Umsetzung des BSG-Urteils“, schreibt Sprecherin Monika Scheid. „Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts sind Honorarverträge bei Musikschullehrkräften zulässig. Die bei der Musikschule des Landkreises beschäftigten Honorarkräfte sind danach nicht weisungsgebunden und nicht in den Musikschulbetrieb integriert.“
Das Urteil des Bundessozialgerichts zu ignorieren, könnte sich allerdings als teurer Fehler erweisen. Denn wenn Sozialabgaben vorsätzlich nicht abgeführt werden, steigt die mögliche Nachzahlung erheblich an. Wohlweislich möchte der Eifelkreis Bitburg-Prüm daher seine neuen Festanstellungen schon rückwirkend zum 1. Juli des vergangenen Jahres einführen.
Dies entspreche den Empfehlungen der Spitzenorganisation der Sozialversicherung. Für 2023 hätte der Kreis dann noch 35.000 Euro aufzuwenden.