Von gefiederten Frühlingsboten und fahrenden Händlern
Der Kranich war im Dialekt lange als Hagelgans bekannt. Warum Eifeler Topfhändler früher auch so genannt wurden.
LANDSCHEID/SPEICHER Kraniche kehren meist von Mitte Februar bis Anfang März aus ihren Winterquartieren im Süden zurück. In diesem Jahr waren die riesigen Schwärme erstaunlich früh unterwegs: Über der Region vernahm man die rauen Stimmen der Zugvögel bereits Ende Januar.
In 300 bis 400 Metern Höhe überfliegen sie in großer Zahl die Eifel, kreisen lange über Orten, den Auen von Bächen und den Maaren. Sie suchen die besten Aufwinde, orientieren und ordnen sich wieder zu ihrer typischen Keilformation, die einer Eins gleicht, und fliegen mit schrillem Schrei nach Norden.
Ihr typischer, trompetenähnlicher Ruf lässt viele Menschen zum Himmel aufblicken. Und wenn sie dann entdeckt werden, freut sich mancher und sagt: „Nun ist der Winter vorbei, es wird Frühling! Die Hoalejäns (Hagelgänse) sind wieder da.“
So nennt der Volksmund die Kraniche, die vor allem aus Frankreich und Spanien, wo sie überwintert haben, zu ihren Brutplätzen in nördliche Regionen zurückkehren oder in die weiträumigen Feuchtgebiete Ostdeutschlands und Polens.
Eine Pause machen müssen sie immer mal wieder. So lassen sie sich zum „Grasen“oder zu einer Zwischenrast auf Feldern nieder. Beliebt sind auch die Moorgebiete am Mürmes oder Sangweiher in der Nähe von Mehren im Landkreis Vulkaneifel.
In einem bekannten Wanderlied nach einem Gedicht von Walter Flex
heißt es über sie: „Wildgänse rauschen durch die Nacht, mit schrillem Schrei nach Norden.“Für Unkundige ist schwer zu unterscheiden, ob es sich dort oben am Himmel um Kraniche oder Wildgänse handelt. Höchstens ihre Laute helfen beim Erkennen. Kranichrufe erinnern an Trompeten oder Kindertröten: „krru“– „krarr“. Gänse schnattern und quäken dagegen je nach Art unterschiedlich oder fliegen manchmal fast stumm daher.
Die Eifel überqueren aber fast ausschließlich Kraniche, auch wenn sie in der Eifeler Dialektsprache „Hoalejäns“oder „Haalegäns“genannt werden – auf Hochdeutsch Hagelgänse. Dieser Begriff ist uralt, war schon im Althochdeutschen zu finden. 1582 wird in einem Vogelbuch notiert: „ Die hagelgans verkündet durch geschrei und flugart ungewitter, regen und sturm.“Solche Zugvögelschwärme waren zu Zeiten unserer Vorfahren, in denen Wettervorhersagen nach Naturbeobachtungen getroffen wurden, wichtige Hinweise auf einen bevorstehenden Wintereinbruch. Es setzte meist nach dem Fortfliegen der Graugans, hier des Kranichs, in den warmen Süden eine Zeit schlechten Wetters
ein. In anderen Teilen Deutschlands ist deshalb auch von der Schneegans die Rede.
Unter dem Ausdruck „Die Hoalejäns kunn“verstand man aber noch vor Jahrzehnten auch das pünktliche Erscheinen reisender Händlerund Hausiererfamilien, meist aus dem Raum Speicher (heute Eifelkreis Bitburg-Prüm), Landscheid (Kreis Bernkastel-Wittlich) und dessen Ortsteil Niederkail. Mit einer Kiepe auf dem Rücken – auch Hott oder Hoat genannt –, mit kleinen Hunde- oder Eselskarren bis hin zu Wohnwagen zogen sie durch ganz Deutschland. Vollgepackt mit Töpfen, Tiegeln, Bütten, Pfannen und allen erdenklichen Haushaltswaren. Diese verkauften sie und wirkten so der großen Armut in ihren Heimatdörfern entgegen.
Der Dauner Schriftleiter Viktor Baur schrieb lange vor dem Zweiten Weltkrieg in der Zeitschrift des Eifelvereins: „ Sobald die schlimmsten Märzwetter in der Eifel ausgetobt, dann rüsten die fahrenden Händler zur Ausfahrt. Die schulpflichtigen Kinder bleiben während des Sommers bei Verwandten und Ortsleuten. Es ist ein malerisches Bild, wenn die hohen Wagen, mit bunten Segeltüchern überspannt, oft in Reihen bis zu zwölf Stück hintereinander, die Eifeler Straßen passieren ...“
Einer der bekanntesten Händler aus Niederkail war der Eifeldichter Peter Zirbes (1825 – 1901). Er reimte über seine Arbeit: „ Kaum zieht der Winter aus dem Land, nehm' ich den Wanderstab zur Hand. Ich komme her aus Niederkail und habe Glas und Steingut feil. Und stellt sich dann der Winter ein, so lässt man auch das Reisen sein. Dann wandert man der Heimat zu, begibt sich in die Winterruh.“
Noch bis Ende der 1950er Jahre konnte man motorisierte Lastwagen kreuz und quer durch die Eifel fahren sehen. Töpferwaren und zunehmend auch Haushaltsartikel aus Plastik wurden zum Kauf angeboten. Meist gegen Ende Oktober kehrten die Händlerfamilien in die Heimat zurück, genossen wenige Monate Dorf- und Familienleben, um sich dann im Frühjahr wieder auf die großen Händlerreisen zu begeben. Sie waren eben wie „Hoalejäns“, wie die Zugvögel, an denen man Frühjahr und Herbst erkannte.