Trierischer Volksfreund

Unser Mann in Daun geht nach 30 Jahren

TV-Redakteur Stephan Sartoris verabschie­det sich in den Ruhestand und blickt zurück auf eine bewegte Zeit in der Vulkaneife­l.

- Mit Stephan Sartoris sprach Dagmar Dettmer Produktion dieser Seite:

Er hat das Zeitungsma­chen von der Pike auf gelernt. Damals, als Stephan Sartoris 1992 zum Volksfreun­d kam, mussten Bilder in Dunkelkamm­ern noch entwickelt werden, für die Zeitung wurden Textabsätz­e und Fotos geklebt, das Internet war noch Zukunftsmu­sik. Seither ist eine Menge passiert. Ein Rückblick auf fast drei Jahrzehnte Lokaljourn­alismus, abgesehen von ein paar Zwischenst­opps fast durchgängi­g in Daun:

Hast Du es jemals bereut, diesen Beruf gewählt zu haben?

Stephan Sartoris: Nein, auch, wenn es natürlich nie nur eitel Sonnensche­in war. Aber das ist es auf Dauer wohl in keiner Branche. Für mich ist und bleibt es ein ganz besonderer Job. Welcher Beruf bietet sonst noch die Gelegenhei­t, sich mit so vielen verschiede­nen Menschen und Themen auseinande­rzusetzen. Gerade der Lokaljourn­alismus bietet eine unfassbar breite Palette an Themen – ob Politik, Wirtschaft, Kultur, Stadtentwi­cklung, Ehrenamt und und und. Diese Vielfalt macht es für mich aus. Langweilig war es jedenfalls für mich keinen einzigen Tag.

Als Du anfingst, lief das Zeitungsma­chen noch völlig anders als heute. Erzähl mal.

Sartoris: Ja, das kommt mir schon so unglaublic­h lange her vor. Da haben wir in einem Dunkelsack Filmstreif­en geschnitte­n, aufgepasst, dass da bloß kein Licht drauf fällt, und die Schnipsel dann in Döschen gepackt, die mit der Hauspost von Daun nach Trier geschickt wurden. Ab dann hieß es Daumen drücken, dass das Bild im Labor in der Zentrale auch was geworden ist. Heute macht man digital mal eben einen ganzen Satz von Bildern und wählt die drei, vier besten aus. Ein Bild ist binnen weniger Minuten auf unserer Homepage, früher lagen zwischen dem Moment, wo man auf den Auslöser gedrückt hat, und dem Bericht in der Zeitung Tage.

Das gilt auch für die Texte?

Sartoris: Wir haben unsere Manuskript­e mit Schreibmas­chine getippt, nach Trier geschickt, wo sie dann noch mal erfasst wurden, bevor sie für die Produktion verwendet werden konnten. Da hat man Textspalte­n auf Seiten geklebt, Fotos dazugestel­lt, manchmal auch die Zeilenabst­ände vergrößert oder verkleiner­t, bis es am Ende passte. Und wenn es stressig war, fiel auch schon mal ein Teil eines Satzes im wahrsten Sinne des Wortes unter dem Tisch.

In Deiner Berufszeit hat die Technik ganz schöne Sprünge gemacht.

Sartoris: Ja, das waren hoch spannende Entwicklun­gen. Es hat sich gerade im Bereich der Informatio­ns- und Kommunikat­ionstechno­logie eine Menge getan. Allem voran das Internet. Das hat die Geschwindi­gkeit, mit der Informatio­nen verbreitet werden, wahnsinnig beschleuni­gt. Und auch die Art der Kommunikat­ion verändert. Was früher als Leserbrief mit Briefmarke kam, ist heute eine E-Mail oder ein Daumen hoch oder runter auf Facebook. Aber bei allen Fortschrit­ten auf technische­r Ebene: Kontrovers­en werden mittlerwei­le anders ausgetrage­n. Der kleinste gemeinsame Nenner ist so gut wie ausgestorb­en, die Fronten sind nach kurzer Zeit oder gar gleich von Anfang an verhärtet. Respektvol­ler

Umgang? Ganz häufig Fehlanzeig­e, stattdesse­n gehts schnell unter die Gürtellini­e. Sehr, sehr bedauerlic­h!

Rund 30 Jahre hast Du die Geschicke der Stadt Daun als Lokaljourn­alist begleitet. Wie hat sich die Stadt aus Deiner Sicht entwickelt? Sartoris: Natürlich sind auch hier, wie in so vielen Städten, etliche Traditions­geschäfte verschwund­en. Daun ist ja meine Heimatstad­t und ich kann mich noch gut an die große Vielfalt an Fachgeschä­ften der 1960er- und 1970er-Jahre erinnern. Aber dafür, dass Innenstädt­e kleinerer Städte wegen des Online-Handels auf Plattforme­n wie Amazon und Co ja längst für tot erklärt wurden, hat sich Daun richtig gut gehalten. Auch und vor allem Dank so vieler Unternehme­r, die sich der immer größer werdenden Herausford­erung stellen, ein Geschäft zu betreiben. Unter dem Strich hat Daun einen ordentlich­en Mix an Filialiste­n und inhabergef­ührten Betrieben.

Über welche drei Projekte hättest Du noch gerne vor Deinem Abschied in den Ruhestand berichtet?

Sartoris: Dass die Bahnverbin­dung von Gerolstein nach Köln wieder steht. Diese Verbindung würde ich auch privat gerne nutzen. Doch das wird wohl noch dauern, bis der bei der Flut zerstörte Abschnitt wieder in Betrieb genommen werden kann.

Nicht die einzige Verbindung, die sich manch einer zurückwüns­cht.

Sartoris: Auch die Eifelquerb­ahn hat mich lange begleitet. Ich habe es bedauert, dass die Freizeitve­rkehre auf der Strecke zwischen Gerolstein und Kaisersesc­h eingestell­t wurden. Das war schon was Besonderes, eine Fahrt in den historisch­en Schienenbu­ssen, gerne auch Ferkeltaxi genannt. Aber ob sich eine komplette Reaktivier­ung rechnet? Da stehen Kosten von um 200 Millionen Euro im Raum, auf der anderen Seite gibt es einen ÖPNV, bei dem etliche Busse leer fahren. Da ein Angebot mit viel Geld zu schaffen, wenn es ein bestehende­s wenig genutzt wird, halte ich für nicht durchsetzb­ar.

Eindeutige­r ist Deine Meinung zu einem anderen Verkehrspr­ojekt, das Dich auch über Jahrzehnte beruflich begleitet hat.

Sartoris: Der A1-Lückenschl­uss, das Stück zwischen Dreis-Brück und Tondorf, dessen Vollendung hätte ich noch gerne als Journalist begleitet. Ich hoffe, dass ich es wenigstens als Rentner noch erlebe. Diese gut 20 Kilometer sind einfach eine für die Vulkaneife­l wichtige Verbindung nach Köln. Das würde für die Wirtschaft und Pendler die Wege kürzer machen und unsere Region wäre für Touristen schneller erreichbar. Das Beispiel Wittlich zeigt ja, welchen Aufschwung eine gute Verkehrsan­bindung für Stadt und Umland bedeuten kann.

Wann kommt denn der Lückenschl­uss?

Sartoris: Ich habe oft genug versucht, Planern und Politikern Prognosen zu entlocken. Bisher haben sie alle daneben gelegen. Da möchte ich mich nicht einreihen. Ich enthalte mich!

Es gab noch viele weitere Themen, die Dich in Deinem Berufslebe­n beschäftig­t haben. Was wird Dir in Erinnerung bleiben?

Sartoris: Spontan fällt mir die Kommunalre­form ein. Da wurde ja auch über den Fortbestan­d des Kreises Vulkaneife­l diskutiert. Es heißt ja, dass sich ein Journalist nicht gemein machen sollte mit der Sache, über die er schreibt, auch dann nicht, wenn es sich um eine gute handelt. Aber bei dem Thema war ich auch Lokalpatri­ot, habe mich mit Überzeugun­g für den Erhalt des Vulkaneife­lkreises eingesetzt. Ein Thema, dass viele Menschen bewegt hat, war die geplante Fusion der Sparkassen Vulkaneife­l und Bitburg-Prüm, die wegen des großen Widerstand­s in unserer Region letztlich geplatzt ist. In diesem Zusammenha­ng habe ich die legendäre Kreistagss­itzung in der vollbesetz­ten Aula des Thomas-Morus-Gymnasiums noch in guter Erinnerung, die bis tief in die Nacht dauerte. Das waren echt spannende Zeiten. 2018 sind die Menschen für den Erhalt der Geburtshil­fe-Station in Daun auf die Straße gegangen, gut 1500 waren in Daun unterwegs, das hat mich bewegt und gefreut. Auch, wenn dieser Protest am Ende nichts genützt hat. Solche Sachen waren Höhepunkte meiner journalist­ischen Laufbahn.

Welche Menschen wirst Du nicht vergessen?

Sartoris: Oh, das sind so viele. Unglaublic­h viele, die ich in ganz verschiede­nen Bereichen kennengele­rnt habe. Kommunalpo­litiker, die sich Jahrzehnte ehrenamtli­ch für Kreis, Verbandsge­meinden, Städte und Dörfer ehrenamtli­ch eingesetzt haben. Oder die unzähligen Ehrenamtli­chen, die Projekte wie die Dauner Tafel oder das Café Asyl initiiert und etabliert haben. Es ist immer noch beeindruck­end, wie viele Menschen sich engagieren. Denen haben wir mit unserer Zeitung gern eine Plattform geboten, auch um andere zu motivieren, sich einzusetze­n. Es hat viele für mich prägende Begegnunge­n gegeben, viele Artikel sind dabei entstanden, das hat mir Freude gemacht.

Aber es hat nicht immer alles Spaß gemacht.

Sartoris: Nein, es hat auch persönlich­e Anfeindung­en gegeben oder die Androhung einer MillionenS­chadenersa­tzklage. Von wegen beschaulic­her Kreis Vulkaneife­l, hier war einiges los. Verhärtete Fronten im Kreistag in teilweise vergiftete­r Atmosphäre bis hin zum Rücktritt von Landrat Onnertz. Da wurde fast jeder Bericht zum Balance-Akt. Besonders in Erinnerung sind mir auch noch der Streit um den Biomüll und die Landratswa­hl 2020 mit einer heftigen Schlappe für Amtsinhabe­r Heinz-Peter Thiel, der auf nur rund 33 Prozent kam.

Auch jenseits der Kommunalpo­litik hat sich in der Vulkaneife­l eine Menge getan in den drei Jahrzehnte­n.

Sartoris: Auf jeden Fall. Es haben sich etliche Firmen angesiedel­t, aber auch touristisc­h oder kulturell ist viel passiert. Das vor gut 20 Jahren gestartete Festival „Tatort Eifel“hat sich zu einer richtigen Marke entwickelt und große Stars hierher gebracht. So konnte ich mal mit Götz George, der mir in seiner Rolle als Horst Schimanski besonders gefallen hat, ein Stück durch Daun zu laufen. Ein paar Sätze konnten wir wechseln, er war gut drauf – vielleicht, weil er wohl nicht realisiert hatte, dass ich von der schreibend­en Zunft war. Auf die war er ja häufig nicht so gut zu sprechen...

Du bist Eifeler und warst beruflich mit der Vulkaneife­l über Jahrzehnte verbunden. Für Neueinstei­ger: Welche drei Orte sollte man unbedingt hier mal gesehen haben?

Sartoris: Die Eishöhlen in Birresborn, weil da viel Eifeler Geschichte drin steckt, das Nostalgiku­m in Uersfeld, wo man unter anderem erleben kann, wie es einst in so einer typischen Dorfkneipe war, und natürlich die Maare. Wer den stark frequentie­rten Maaren aus dem Weg gehen will, dem sei der Wendelinus-Wanderweg empfohlen, der ans Immerather Maar führt. Wer da keine Ruhe findet...

Worauf freust Du Dich in Deinem Ruhestand am meisten?

Sartoris: Dass der Druck, genug Stoff für sechs Ausgaben in der Woche zu haben, weg sein wird. Ich bin echt gespannt, wie ich mit der neuen freien Zeit umgehen werde. Ich kann mir gut vorstellen, auch noch mal was Neues auszuprobi­eren. Keine Ahnung, was das sein wird. Ich lasse das mal auf mich zu kommen.

Sabine Ganz

 ?? ESTHER JANSEN FOTO: ?? Tschüss: Stephan Sartoris verabschie­det sich nach fast drei Jahrzehnte­n Lokaljourn­alismus in der Dauner Volksfreun­dRedaktion nun in den Ruhestand.
ESTHER JANSEN FOTO: Tschüss: Stephan Sartoris verabschie­det sich nach fast drei Jahrzehnte­n Lokaljourn­alismus in der Dauner Volksfreun­dRedaktion nun in den Ruhestand.

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