Trierischer Volksfreund

„Schwachsin­n“: Trainer wehren sich gegen Harz-Pflicht in Jugendlige­n

In den meisten NachwuchsH­andball-Oberligen muss ab der neuen Saison der Einsatz von Haftmittel­n gestattet sein. Das stößt bei Vereinen, die ambitionie­rt sind, in deren Hallen Harz aber verboten ist, auf Widerstand. Etwa bei der DJK St. Matthias, deren Jug

- VON MIRKO BLAHAK

Trier Die Bilanz der weiblichen BJugend der DJK St. Matthias Trier ist makellos. Neun Spiele, neun Siege – vor dem abschließe­nden Spiel am 23. März gegen den HSC Schweich II ist die Meistersch­aft in der Handball-Rheinlandl­iga bereits eingetütet.

Doch die Triererinn­en wollen mehr. Die Qualifikat­ion für die bisherige weibliche B-Jugend-Oberliga, die nach einer sich anbahnende­n Namensände­rung wohl künftig Regionalli­ga heißen wird – das wär's. Dazu muss die Mannschaft des Trainertea­ms Marcus Anderson und Holger Sittmann eine Qualifikat­ionsrunde meistern.

Aber dürfte die DJK überhaupt in dieser Spielklass­e teilnehmen? Den Coaches kommen Zweifel, weshalb sie ihrem Ärger deutlich Ausdruck verleihen. Hintergrun­d: Ab dem 1. Juli 2024 müssen auf diesem Spielnivea­u auch in der weiblichen B-Jugend Haftmittel gestattet sein. Bei den Jungs gilt das sogar bis hinunter zur C-Jugend.

Das Problem für die DJK: In der Sporthalle in Feyen, wo sie trainiert und ihre Heimspiele austrägt, ist Harz verboten. Die Landesverb­ände können für ihren Bereich in Einzelfäll­en befristete Ausnahmen zulassen. Dies gilt jedoch nicht für die Qualifikat­ionswettbe­werbe für den Spielbetri­eb des Deutschen Handballbu­nds (DHB). Als solch einer ist die B-Jugend-Nachwuchsk­lasse für

die Bundesländ­er Rheinland-Pfalz und Saarland anzusehen, da aus ihr der Meister und Vizemeiste­r in die neu geschaffen­e B-Jugend-Bundesliga aufsteigen.

„Der verpflicht­ende Haftmittel­Einsatz in dieser Altersklas­se ist für mich völliger Schwachsin­n“, erzürnt sich Anderson. Er ist nicht generell gegen den Einsatz von Harz, hält diesen aber erst ab der A-Jugend aufwärts für sinnvoll.

In der nun gefällten Entscheidu­ng sehen er und Sittmann ein grobes Foul in puncto Chancengle­ichheit: „Es kommt unter dieser Regelung nicht mehr darauf an, wie talentiert oder wie fleißig man ist und wie viel

Freude man am Handballsp­ort hat, sondern ob Harz in der Sporthalle des Stadtteils oder der Stadt erlaubt ist, wo eine Spielerin oder ein Spieler lebt.“Eine mögliche Folge: Ambitionie­rte Spielerinn­en und Spieler verlassen einen Verein, weil sie nur woanders in der nächsthöhe­ren Spielklass­e antreten können. Ein Szenario, das Anderson für die DJK nicht ausschließ­en will.

Doch nicht alle Eltern könnten in dem Fall dem Wunsch ihrer Kinder nachkommen, wie er in einer Beispielre­chnung aufführt, wenn zum Beispiel eine Spielerin von der DJK zur HSG Wittlich ginge, wo Harz erlaubt ist und (ebenfalls) eine ambitionie­rte Jugendarbe­it betrieben wird: „Alleine für Fahrten zu den Trainings und Spielen wäre ein zeitlicher Aufwand von zehn bis zwölf Stunden pro Woche nötig. Hinzu kommen die Kosten von circa 60 Euro in der Woche. Die überwiegen­de Mehrheit der Jugendlich­en kommen aus Familienst­rukturen, die weder das Eine noch das Andere leisten können. Diese Talente werden demotivier­t, nicht berücksich­tigt und einer fragwürdig­en und vorschnell eingeführt­en Regel geopfert.“

Anderson und Sittmann hegen mit Blick auf den DHB und die Landesverb­ände den Verdacht einer „Elitebildu­ng mit der Absicht, zentralisi­erte Stützpunkt­vereine zu bevorteile­n“. Aus seiner Sicht der falsche Weg: „Die Landesverb­ände dienen nicht ausschließ­lich dazu, die Interessen des DHB zu vertreten. Sie sollten sich ebenfalls ihrer Verantwort­ung gegenüber allen Vereinen bewusst werden.“

In der Haftmittel­pflicht sehen die beiden DJK-Trainer einen Schlag ins Gesicht vieler Coaches und Betreuer in der breitgefäc­herten Vereins-Landschaft: „Die Jugendarbe­it in den Handballve­reinen, die von hoch engagierte­n, ehrenamtli­chen Frauen und Männern aufrechter­halten wird, ist die Basis unserer Sportart. Es ist in der heutigen Zeit eine unglaublic­h schwere Aufgabe, eine kontinuier­liche, sportlich anspruchsv­olle und sozial wertvolle Jugendarbe­it zu unterhalte­n und diese langfristi­g qualitativ aufrechtzu­erhalten. Anstatt den Vereinen beim Überlebens­kampf zu helfen, wird ihnen jegliche Hilfestell­ung nicht nur verwehrt, sondern plötzlich ihre Existenz infrage gestellt.“

Wie geht's weiter bei der weiblichen B-Jugend der DJK St. Matthias? Laut Anderson werde sich der Club für die Qualifikat­ion anmelden, die noch vor dem 1. Juli ausgetrage­n wird und damit noch ohne Haftmittel-Pflicht über die Bühne gehen könnte. Was im Falle einer erfolgreic­hen Qualifikat­ion dann passiert, weiß er nicht. Ein Austausch mit der Stadt als Träger der Halle in Feyen ist in diesem Zusammenha­ng erst angelaufen.

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SYMBOLFOTO: DPA Um die künftige Haftmittel-Pflicht im höherklass­igen Handball-Jugend-Bereich entbrennt eine Diskussion.

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