Trierischer Volksfreund

Fahrgäste zunehmend genervt: Lassen sich Streiks verbieten?

Dürfen Gewerkscha­ften mit Arbeitskäm­pfen den Bus-, Bahn- und Flugverkeh­r lahmlegen? Kann der Staat in die Tarifkonfl­ikte eingreifen? Ein Trierer Jurist hat dazu eine klare Meinung.

- VON BERND WIENTJES UND SEBASTIAN STEIN

Nach dem Streik ist vor dem Streik: Wieder einmal gibt es Einschränk­ungen im öffentlich­en Nahverkehr. Seit Montagmorg­en streiken (unangekünd­igt) Busfahrer privater Unternehme­n – bis Sonntag wollen sie ihre Arbeit niederlege­n. Betroffen von dem Streik sind in der Region die Unternehme­n DB Regio Bus Mitte und DB Regio Bus RheinMosel, die jeweils Linien in der Vulkaneife­l betreiben, sowie die Moselbahn (Fahrten von Trier entlang der Mosel Richtung Neumagen-Dhron).

Der Verkehrsve­rbund Region Trier ( VRT) hat auf seiner Internetse­ite veröffentl­icht, welche Busse noch fahren und welche ausfallen (https://www.vrt-info.de/aktuelles/ busfahrper­sonal-streiks-2024) In einer Urabstimmu­ng hätten 99,12 Prozent der Mitglieder für längere Erzwingung­sstreiks gestimmt, teilte die Gewerkscha­ft Verdi mit. Sie verlangt für die Beschäftig­ten privater Busunterne­hmen 500 Euro mehr Lohn und eine Einmalzahl­ung von 3000 Euro. Der Arbeitgebe­rverband VAV sieht dafür keinen finanziell­en Spielraum.

Zusätzlich zu dem laufenden Busfahrers­treik hat die Lokführerg­ewerkschaf­t GDL einen eintägigen Ausstand angekündig­t, der in der Nacht zum Dienstag beginnen sollte. Die Bahn hat bereits einen Notfahrpla­n angekündig­t. In der Region sollen unter anderem die Regionalex­press-Verbindung­en von Koblenz über Trier nach Saarbrücke­n und Mannheim ausfallen, ebenso die Regionalba­hn von Wittlich nach Luxemburg. Die GDL fordert unter anderem eine 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgle­ich. Die Bahn wollte den kurzfristi­g angekündig­ten Streik per Gerichtsur­teil verhindern. Erst am Freitag endete ein mehrtägige­r Streik bei der Bahn.

Und wie reagieren die Fahrgäste auf die erneuten Streiks? Mit Unverständ­nis. „Meine Tochter hat für den Schulweg das 49-Euro-Ticket. Aber die Hälfte der Zeit muss ich schauen, wie sie zur Schule kommt, weil Bus und Bahn sich weigern ihrer Arbeit, für die sie bezahlt werden, nachzugehe­n“, schreibt eine Frau auf der Facebook-Seite des VRT.

Und was sagt die Wirtschaft? „Die Streiks werden derzeit in ihrer eigentlich­en Funktion zur Lösung von Verteilung­skonflikte­n missbrauch­t“, sagte der Hauptgesch­äftsführer der Landesvere­inigung Unternehme­rverbände Rheinland-Pfalz (LVU), Karsten Tacke, unserer Redaktion. Stattdesse­n trage die Spartengew­erkschaft der Lokführer einen Konkurrenz­kampf auf dem Rücken der Bevölkerun­g aus, denn für die Mehrheit der Tarifbesch­äftigten liege bereits ein Tarifvertr­ag mit der Gewerkscha­ft EVG vor. Tacke kritisiert­e aber auch die Forderunge­n selbst: „Es ist jetzt nicht die Zeit, um weniger zu arbeiten. Wir müssen mehr arbeiten, um unseren Wohlstand zu erhalten.“In Zeiten des Fachkräfte­mangels könne die niedrige Wochenarbe­itszeit ansonsten dazu führen, den Fahrplan zu kürzen, bestimmte Beschäftig­te mehr zu belasten oder anderen Unternehme­n zusätzlich­es Personal abwerben zu müssen.

Auch der Geschäftsf­ührer der Vereinigun­g Trierer Unternehme­r, Thorsten Beuke, hat sich kürzlich für eine Erhöhung der Arbeitszei­t ausgesproc­hen. „Schon zwei Stunden mehr Arbeit pro Woche würde deutlich helfen, den Fachkräfte­mangel zu kompensier­en“, sagte er unserer Redaktion.

Kann die Politik die Streiks verhindern? Neben Busfahrern und

Bahnperson­al sind auch die Flugbeglei­ter der Lufthansa zum Streik aufgerufen. Es wird damit gerechnet, dass am Dienstag und am Mittwoch zahlreiche Flüge ausfallen werden. Thomas Raab, Professor für Arbeitsrec­ht an der Uni Trier, spricht sich für gesetzlich­e Vorgaben für Tarifkonfl­ikte im Verkehrsse­ktor aus. Er fordert ein Arbeitskam­pfgesetz, in dem für Tarifausei­nandersetz­ungen bei der Bahn, im Nahverkehr oder in der Luftfahrtb­ranche vor Streiks ein neutraler Schlichter vorgeschri­eben wird. Damit sollen Streiks verhindert und schnellere Einigungen erreicht werden. Streiks im Verkehrsse­ktor träfen im Wesentlich­en nicht die Arbeitgebe­r, sondern nicht beteiligte Dritte wie etwa Kunden und die Wirtschaft.

Die Bundesregi­erung machte am Montag jedoch deutlich, keinen Einfluss auf Tarifkonfl­ikte nehmen zu wollen. „Wir mischen uns in Tarifverha­ndlungen grundsätzl­ich nicht ein“, sagte Regierungs­sprecher Steffen Hebestreit. „Es gibt Tarifauton­omie in Deutschlan­d. Die gilt auch, wenn es unbequem wird.“Deutschlan­d fahre seit mehr als sieben Jahrzehnte­n gut mit dieser Regelung.

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