Fahrgäste zunehmend genervt: Lassen sich Streiks verbieten?
Dürfen Gewerkschaften mit Arbeitskämpfen den Bus-, Bahn- und Flugverkehr lahmlegen? Kann der Staat in die Tarifkonflikte eingreifen? Ein Trierer Jurist hat dazu eine klare Meinung.
Nach dem Streik ist vor dem Streik: Wieder einmal gibt es Einschränkungen im öffentlichen Nahverkehr. Seit Montagmorgen streiken (unangekündigt) Busfahrer privater Unternehmen – bis Sonntag wollen sie ihre Arbeit niederlegen. Betroffen von dem Streik sind in der Region die Unternehmen DB Regio Bus Mitte und DB Regio Bus RheinMosel, die jeweils Linien in der Vulkaneifel betreiben, sowie die Moselbahn (Fahrten von Trier entlang der Mosel Richtung Neumagen-Dhron).
Der Verkehrsverbund Region Trier ( VRT) hat auf seiner Internetseite veröffentlicht, welche Busse noch fahren und welche ausfallen (https://www.vrt-info.de/aktuelles/ busfahrpersonal-streiks-2024) In einer Urabstimmung hätten 99,12 Prozent der Mitglieder für längere Erzwingungsstreiks gestimmt, teilte die Gewerkschaft Verdi mit. Sie verlangt für die Beschäftigten privater Busunternehmen 500 Euro mehr Lohn und eine Einmalzahlung von 3000 Euro. Der Arbeitgeberverband VAV sieht dafür keinen finanziellen Spielraum.
Zusätzlich zu dem laufenden Busfahrerstreik hat die Lokführergewerkschaft GDL einen eintägigen Ausstand angekündigt, der in der Nacht zum Dienstag beginnen sollte. Die Bahn hat bereits einen Notfahrplan angekündigt. In der Region sollen unter anderem die Regionalexpress-Verbindungen von Koblenz über Trier nach Saarbrücken und Mannheim ausfallen, ebenso die Regionalbahn von Wittlich nach Luxemburg. Die GDL fordert unter anderem eine 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Die Bahn wollte den kurzfristig angekündigten Streik per Gerichtsurteil verhindern. Erst am Freitag endete ein mehrtägiger Streik bei der Bahn.
Und wie reagieren die Fahrgäste auf die erneuten Streiks? Mit Unverständnis. „Meine Tochter hat für den Schulweg das 49-Euro-Ticket. Aber die Hälfte der Zeit muss ich schauen, wie sie zur Schule kommt, weil Bus und Bahn sich weigern ihrer Arbeit, für die sie bezahlt werden, nachzugehen“, schreibt eine Frau auf der Facebook-Seite des VRT.
Und was sagt die Wirtschaft? „Die Streiks werden derzeit in ihrer eigentlichen Funktion zur Lösung von Verteilungskonflikten missbraucht“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz (LVU), Karsten Tacke, unserer Redaktion. Stattdessen trage die Spartengewerkschaft der Lokführer einen Konkurrenzkampf auf dem Rücken der Bevölkerung aus, denn für die Mehrheit der Tarifbeschäftigten liege bereits ein Tarifvertrag mit der Gewerkschaft EVG vor. Tacke kritisierte aber auch die Forderungen selbst: „Es ist jetzt nicht die Zeit, um weniger zu arbeiten. Wir müssen mehr arbeiten, um unseren Wohlstand zu erhalten.“In Zeiten des Fachkräftemangels könne die niedrige Wochenarbeitszeit ansonsten dazu führen, den Fahrplan zu kürzen, bestimmte Beschäftigte mehr zu belasten oder anderen Unternehmen zusätzliches Personal abwerben zu müssen.
Auch der Geschäftsführer der Vereinigung Trierer Unternehmer, Thorsten Beuke, hat sich kürzlich für eine Erhöhung der Arbeitszeit ausgesprochen. „Schon zwei Stunden mehr Arbeit pro Woche würde deutlich helfen, den Fachkräftemangel zu kompensieren“, sagte er unserer Redaktion.
Kann die Politik die Streiks verhindern? Neben Busfahrern und
Bahnpersonal sind auch die Flugbegleiter der Lufthansa zum Streik aufgerufen. Es wird damit gerechnet, dass am Dienstag und am Mittwoch zahlreiche Flüge ausfallen werden. Thomas Raab, Professor für Arbeitsrecht an der Uni Trier, spricht sich für gesetzliche Vorgaben für Tarifkonflikte im Verkehrssektor aus. Er fordert ein Arbeitskampfgesetz, in dem für Tarifauseinandersetzungen bei der Bahn, im Nahverkehr oder in der Luftfahrtbranche vor Streiks ein neutraler Schlichter vorgeschrieben wird. Damit sollen Streiks verhindert und schnellere Einigungen erreicht werden. Streiks im Verkehrssektor träfen im Wesentlichen nicht die Arbeitgeber, sondern nicht beteiligte Dritte wie etwa Kunden und die Wirtschaft.
Die Bundesregierung machte am Montag jedoch deutlich, keinen Einfluss auf Tarifkonflikte nehmen zu wollen. „Wir mischen uns in Tarifverhandlungen grundsätzlich nicht ein“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. „Es gibt Tarifautonomie in Deutschland. Die gilt auch, wenn es unbequem wird.“Deutschland fahre seit mehr als sieben Jahrzehnten gut mit dieser Regelung.