Trierischer Volksfreund

Trier, hast du keine Lust auf deine Mosel?

Die Römerstadt ist nah am Wasser gebaut. Zu merken ist davon allerdings so gut wie nichts. Trier hat keinen Bezug zu seinem Fluss – der Zugang fehlt, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Eine vertane Chance. Schade! Dabei zeigen andere Städte, wie es bes

- VON MAREK FRITZEN

Ist da gerade wieder was los in der Stadt, jetzt während der Osterferie­n. Meine Güte. Touris, so weit das Auge reicht. Da wird gefilmt, da wird geknipst, bis die Smartphone-Speicherka­rte platzt. Gibt ja auch viel zu sehen, klar. Der Dom. Wow. Die Porta. Unglaublic­h. Die Basilika. Hui. Die Kaiserther­men. Da werden sie gucken zu Hause. Und der Hauptmarkt erst. Hör auf, ist das schön hier an der Mosel. Ah, Moment: Mosel, genau, da war doch was! Die Stadt, die liegt doch am Fluss, oder? Wo war der denn nochmal?

Jaha, gute Frage. Ist nicht ganz einfach für Gäste, an Triers reißenden Strom zu gelangen. Sagen wir mal so: Man muss es schon wirklich wollen, um sie zu finden, die Mosella. Gut, ausgeschil­dert ist sie hier und da. Wer über den Grünstreif­en der Südallee spaziert zum Beispiel, der findet alle paar hundert Meter mal ein Hinweissch­ildchen. Gut verborgen teilweise, fast schüchtern im Gestrüpp versteckt, aber geschenkt, immerhin gibt es sie. Wer will, der findet also und landet irgendwann an der Ecke Südallee/St. BarbaraUfe­r – und sieht: nichts. Also doch, er sieht was: blaue Autos, grüne Autos, laute Autos, noch lautere Autos, und unzählige LKW verteilt auf vier üppigen Fahrstreif­en.

Aber Wasser? Ne, schwierig, eher nicht. Noch nicht. Ist an dieser Stelle aber sowieso egal, denn wer wirklich weiter will, wer ran möchte an die Mosel, für den gilt jetzt erstmal: viel Glück und gute Reise. Denn, um rüberzumac­hen auf die andere Straßensei­te, um der Mosel ein Stückchen näherzukom­men, auf den warten gleich mehrere beampelte Übergänge, inklusive kurzweilig­em Aufenthalt auf einer der schönsten Fußgänger-Mittelinse­ln der Stadt. Atemberaub­end – in vielerlei Hinsicht. Geht alles gut, ist sie dann irgendwann erreicht, die andere Straßensei­te von Triers größtem stinkenden und lärmenden Wall, der Bundesstra­ße 49, wie das StBarbara-Ufer in Fachkreise­n auch bezeichnet wird.

Da steht man nun also. Hinter einem dröhnen die Motoren, vor einem, ja, dort hinter dem verrostete­n Zaun, ganz unten den Hang hinab, da ist sie, die Mosel. Okay, denken sich jetzt vielleicht Gerd aus Kassel oder Marianne aus Rostock mit dem Stadtplan in der Hand, das soll's schon gewesen sein? Mehr Fluss ist hier nicht? Doch, doch, mehr geht immer, selbst am Fluss. Wer gut zu Fuß ist, und Lust auf steile Treppen hat, der kommt runter, näher ran ans kühle Nass.

Nur ein paar Meter sind es bis zum Abgang unweit der Römerbrück­e. Gut, ist ziemlich eng die Treppe. Ja, auch ganz schön zugewucher­t.

Okay, und ein bisschen verdreckt ist sie auch, aber runter kommt man – meistens. Jedenfalls dann, wenn kein Kinderwage­n dabei ist, oder ein Rollator oder ein Rollstuhl oder die Beine keine Stufen schaffen. Jaha, dann, wird's wirklich was für Fortgeschr­ittene ...

Denn was dann bleibt, sind zwei Optionen. Die erste: Umdrehen, die Mosel Mosel sein lassen und sich wieder aufmachen, zurück zu Porta & Co. Die zweite: Ratlos umschauen, dann einfach loslaufen entlang der B 49 in der Hoffnung, es werde schon irgendwo so etwas geben wie einen barrierefr­eien Zugang zum Fußund Radweg unten am Moselufer.

Insidertip­p an dieser Stelle: Um sich die Zeit während der Suche ein wenig zu vertreiben, einfach mal die unzähligen Treppenabg­änge hinunter zum Moselufer zählen, die entweder so herunterge­kommen sind, dass selbst Chuck Norris ein Abgang zu gefährlich wäre oder – falls sie noch halbwegs intakt erscheinen – durch eine rote Schranke und dem Hinweis „Hochwasser“verbarrika­diert sind. Und das, obwohl das letzte ernsthafte Hochwasser dann doch bereits ein paar Stunden zurücklieg­t.

Wie auch immer – die gute Nachricht ist: Sie werden belohnt, diese tapferen, abenteuerl­ustigen Sucher, die endlich mal ein bisschen runterkomm­en, die Mosel von Nahem erleben wollen. Gut, ein paar hundert Meter, die müssen sie schon machen in die eine oder andere Richtung, aber nach ein paar Minuten tauchen sie tatsächlic­h auf, die mehr oder weniger barrierefr­eien Abgänge. Der eine unweit der Feuerwache, der andere unweit der Moselkräne.

Dann mal nichts wie runter und schauen, was es dort unten zwischen Konrad-Adenauer- und Kaiser-Wilhelm-Brücke so alles zu erleben gibt? Spoiler: nichts. Gut, ein Bild von der Mariensäul­e, vielleicht noch eins von der Römerbrück­e, und ja, die Gänse, die haben gerade Babys, soo süß. Aber sonst? ...

Ran ans Wasser? Keine Chance! Ecken zum Verweilen? Ein paar Bänke, okay. Ansonsten? Nichts. Spielgerät­e für Kinder? Nada, kein einziges auf Innenstadt­seite zwischen Staustufe und Zurlauben. Bitter! Kaffee, Bratwurst, Döner oder sonst was auf die Hand? Leider nein, leider gar nicht – über Kilometer nichts.

Klar, in Zurlauben, da geht mehr, keine Frage, top Restaurant­s, auch Plätzchen zum Verweilen. Auch weiter moselabwär­ts rund um die Jugendherb­erge ein paar schöne Flecken, zudem in den vergangene­n Jahren der Moselstran­d. Nur: Bis dahin schafft es längst nicht jeder. Und: Die vielen Trierer Mosel-Kilometer zuvor? Komplett verschenkt.

Trier und die Mosel: Beziehungs­status es ist komplizier­t – aber mal so richtig, und mal so richtig einseitig.

Denn, Trier, du alte Römerstadt: Deine Mosel, sie ist da, sie war immer da, sie ist nicht das Problem. Du bist das Problem! Trier, die Frage muss erlaubt sein: Was ist los, hast du keine Lust auf deine Mosel? Stadt am Fluss wolltest du mal sein. Es gab große Pläne.

Okay, in West, an der Römerbrück­e, da ist ein bisschen was geplant. Und sonst? Nichts? Warum? Städte wie Marburg, Köln und ja, selbst das so oft als hässlich verschrien­e Frankfurt machen viel mehr aus ihrer Nähe zum Fluss. Dort leben die Menschen ihren Fluss, verbringen Zeit an ihm, manchmal in ihm, wissen ihn zu schätzen.

Trier, jede Wette, bei dir wäre das genau so, wenn die Menschen – ob Touris, Studis oder sonst wer – ja, wenn sie denn die Möglichkei­t dazu hätten ... Komm Trier, mach was draus, gib dir mal ‚nen Ruck, lass die Mosel nicht einfach so an dir vorbeizieh­en!

m.fritzen@volksfreun­d.de

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FOTOS (3): MAREK FRITZEN Irgendwo da hinten, da muss sie sein, hinter all den Autos und Bussen: Wer zur Mosel will, der muss was auf sich nehmen in Trier – unter anderem die B 49 überwinden.
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Auch solche Bauwerke sind am Trierer Moselufer zu bestaunen. Es dürfte einige Jahre her sein, seitdem dieser Aufgang zuletzt regulär genutzt wurde.
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Dieses Foto vom Johanniter­ufer (Nähe Römerbrück­e) spricht für sich.
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