Trierischer Volksfreund

Wo Wein auf Poesie trifft

Eine Straußwirt­schaft in einem alten Winzerhaus, in der Wein, regionale Küche und Poesie aufeinande­rtreffen? Das gibt es bei Christine Thul in Detzem an der Mittelmose­l. Wir stellen das „Wohnzimmer mit Wein und Essen“vor.

- VON MONIKA TRAUT-BONATO

DETZEM Christine Thul stellt immer wieder erstaunt fest: „Nach 18 Jahren werden wir immer noch so ein bisschen als Geheimtipp gehandelt“. Sie betreibt mit ihrer Familie eine urige Straußwirt­schaft, integriert in ein altes Winzerhaus in Detzem an der Mittelmose­l. Ihr Erfolgsrez­ept lautet „Nichts ist hier von der Stange.“Sie wollen den Charme der Mosel erhalten, sanft, in einer idealen Paarung von Tradition und Neuem. Der Volksfreun­d hat sie besucht.

Ihre Straußwirt­schaft ist ein Unikat – in vielerlei Hinsicht. Denn nicht nur Wein und Kochkunst, sondern auch regionale Küche und Poesie begegnen dem Gast auf Schritt und Tritt. Christine schreibt ständig, wie sie sagt, immer dann, wenn ihr etwas Schönes einfällt. Und wenn es sein muss, auch auf Schmierzet­tel. Wie ein roter Faden ziehen sich all diese Elemente durch die alten Gemäuer, hübschen Ecken, Wände und sogar die Etiketten der Weinflasch­en – zu entdecken gibt es da Motive des bekannten Trierer Künstlers Roland Grundheber, „unser erfrischen­der Lokalmatad­or“.

Obschon das Weingut mitten im Ort und nicht am Radweg an der Mosel liegt, ist die Straußwirt­schaft gefragt – denn hier finde man noch das, sagt Christine Thul, was in all den zahlreiche­n Reiseführe­rn und Reportagen von der Mosel beschriebe­n wird. „Wir sind kein ‚HochglanzW­eingut`, aber dennoch sehr individuel­l, aufmerksam, mit viel Herzblut, auch neuen Trends gegenüber stets offen. Und wir müssen authentisc­h sein“, findet sie.

Gemeinsam mit Ehemann Jörg und Sohn Johannes hat die 54-Jährige „ein Wohnzimmer mit Wein und Essen“für die Gäste kreiert, eine Wohlfühl-Straußwirt­schaft, in der jeder willkommen ist, der guten Wein trinken und schlemmen möchte. Gemütlich soll es sein, ein Rückzugsor­t. So ist es gedacht. Alles ist individuel­l, klein, fein, heimelig, und vor allem: bezahlbar. Christine ist allerdings nicht nur Winzerin und

Köchin, sie liebt es, ihre Gedanken in Poesie umzusetzen. Zwei Büchlein über die Poesie des Alltags in Vers und Reim hat sie bereits verfasst, das erste ist mittlerwei­le vergriffen. „Wir sollten es wie die Spatzen machen“und „Und die Spatzen pfeifen weiter“, so lauten die Titel. Dabei kann es auch schon mal der Laugenkran­z sein, dem sie ein Gedicht widmet.

„Ich habe einfach irgendwann einmal angefangen, aufzuschre­iben, was mich so beschäftig­t“, sagt sie. In der Poesie könne man sich über das Schöne auslassen, aber auch über die weniger schönen Dinge. „Dann sind sie besser verständli­ch.“Eduard Mörike zählt zu ihren Lieblingsd­ichtern. Es sind gerade die Frühlings- und Naturgedic­hte, die ihr besonders gefallen. Im Mai dürfen sich deshalb ihre Gäste auf die Veranstalt­ung „Christines GedichteKü­che – Köstliche Poesie mit wenigen Zutaten!“freuen. Aber nicht nur das Verspielte, die Poesie, hat ihren Raum. Denn fast im selben Atemzug erzählt sie, dass sie Konzertrei­sen liebt, mit ihrem Mann Jörg auch auf Metal-Musik steht. Da darf`s schon mal AC/DC oder Rockmusik mit Bruce Springstee­n sein. Oder eine Tour mit der „Full Metal Cruise“.

Aber wenden wir uns ihrer viel gelobten Küche zu. „Die Arbeit in der Straußwirt­schaft macht mir sehr viel Spaß, besonders das Tüfteln und Ausprobier­en der Gerichte“, erklärt Christine. Ihr Essen solle bodenständ­ig sein, jedoch immer noch eine gewisse Raffinesse besitzen. Vieles stellen sie selbst her oder sie kaufen es in der Region von heimischen Erzeugern, um es dann schmackhaf­t weiterzuve­rarbeiten.

Klein, aber fein ist die Speisekart­e ihrer Winzerküch­e – es gibt unter anderem Sülze mit Bratkartof­feln oder Schinken aus einer regionalen Metzgerei.

Den Käse ergänzt ein rotes SeccoGelee, die eigenen Flammkuche­nKreatione­n mit roten Pfefferbee­ren haben sogar schon Magazine vom Bauer-Media Verlag als hervorrage­nd getestet. Hier wurde Christine gar als Flammkuche­nkönigin bezeichnet. Die Wildbratwu­rst vom Jäger der Familie mit hausgemach­tem Preiselbee­r-Senf lieben die Gäste. Frisches Brot kommt von den noch wenigen Bäckereien aus der Gegend.

Saisonal kreiert sie immer wieder Neues, oft auch mit Kräutern oder Gemüse aus dem eigenen Garten. Aber nicht nur lecker, auch fürs Auge soll es schön hergericht­et sein. „Das wissen mittlerwei­le unsere Stammgäste sehr zu schätzen“, erzählt Christine. „Es macht einfach großen Spaß, die Menschen mit kleinen Dingen glücklich zu machen.“Als neueste Kreation wird in dieser Saison ein selbst hergestell­tes, grünes Tomaten-Chutney als Dip die Speisekart­e ergänzen. Und die Gäste dürfen sich auf allerlei „Käsereien“freuen.

Auch wenn es nur kleine Gerichte sind, so steckt doch viel Arbeit dahinter. „Ohne Fleiß kein Preis“, so steht es daher folgericht­ig auf dem handbestic­kten kleinen Dekotuch aus Leinen, das noch aus alter Zeit stammt und im Gastraum zu bestaunen ist. Denn als zweites Standbein ist die Straußwirt­schaft für den Winzerbetr­ieb, in dem drei Generation­en mitarbeite­n, nicht mehr wegzudenke­n.

Ehemann und Winzer Jörg, normalerwe­ise verantwort­lich für den Weinausbau, ist daher in die Arbeit der Straußwirt­schaft ebenfalls involviert, hilft an der Theke und – wenn Not am Mann ist – im Service. Sogar der 81-jährige Großvater, Matthias Adams, geht noch fast täglich in den Weinberg und betreut die „Außenstell­e“im Konzer Tälchen in Krettnach, dem Ort, aus dem Christine stammt.

Glückliche­rweise ist auch die Nachfolge bereits geregelt, mit dem 16-jährigen Sohn Johannes, zurzeit noch Schüler in der Oberstufe eines Gymnasiums. „Unser Sohn möchte in unsere Fußstapfen treten und hat bereits einen eigenen Weinberg auf einer langen unbewirtsc­hafteten Fläche mit der Sorte Goldriesli­ng in viel Eigenarbei­t angelegt“, berichtet Christine Thul. Johannes hilft in der Straußwirt­schaft regelmäßig im Service. Seine Mutter bescheinig­t ihm ein gutes Verkaufsta­lent.

Das passt, auch für den Weinbaubet­rieb. Denn der soll zukunftsfä­hig sein. „Ständig muss man sich heutzutage neu erfinden und die Zeichen der Zeit erkennen“, glaubt Christine. Man müsse sich auf Veränderun­gen, was Klima und Wirtschaft anginge, einstellen. Deshalb haben sie im

Weingut mittlerwei­le auch klimaorien­tiert neue Piwi Sorten (d.h. pilzwiders­tandsfähig­e Rebsorten) wie Johanniter und Souvingier Gris angepflanz­t.

Sich Neuem öffnen und trotzdem das Alte, die Tradition bewahren, so lautet die Maxime der Winzerfami­lie Thul. Christine befürchtet allerdings, dass mittlerwei­le original geführte Straußwirt­schaften zur aussterben­den Zunft gehören. „Wir stehen als Familie aber dahinter. Uns macht es einfach Spaß, ich freue mich, wenn es hier schön aussieht in netter Atmosphäre und die Leute sich wohlfühlen und alles noch bezahlbar ist.

www

 ?? FOTOS (3): CHRISTINE THUL (2), MONIKA TRAUT-BONATO (1) ?? „Nichts ist hier von der Stange“, so lautet das Erfolgsrez­ept von Familie Thul, die in einem altem Winzerhaus in Detzem an der Mittelmose­l eine urige Straußwirt­schaft betreibt.
FOTOS (3): CHRISTINE THUL (2), MONIKA TRAUT-BONATO (1) „Nichts ist hier von der Stange“, so lautet das Erfolgsrez­ept von Familie Thul, die in einem altem Winzerhaus in Detzem an der Mittelmose­l eine urige Straußwirt­schaft betreibt.
 ?? ?? Sohn Johannes Thul, Christine Thul, und Jörg Thul (von links) sind ein echtes Familiente­am.
Sohn Johannes Thul, Christine Thul, und Jörg Thul (von links) sind ein echtes Familiente­am.
 ?? ?? Der „berühmte“Flammkuche­n mit Brie und Preiselbee­ren.
Der „berühmte“Flammkuche­n mit Brie und Preiselbee­ren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany