Garten-Idyll zwischen uralten Mauern
Gartenliebhabern und Geschichtsfans kann man nur raten, demnächst mal einen Ausflug zum Kirchgarten nach Trier-Pfalzel zu machen. Uralt ist dieser Ort, an dem einst ein römischer Palast stand. Und doch voller frischer Ideen.
Das Rauschen der Autobahn hört man in Trier-Pfalzel fast überall. Auch im Kirchgarten. Und doch wirkt dieser Ort entrückt, als wäre er nicht ganz von dieser Welt. Friedlich. Von alten Mauern umschlossen, die so viel Geschichte in sich tragen, dass selbst Einheimische aus dem so römischen Trier ehrfürchtig ins Staunen geraten können.
Da wären auf der einen Seite die alten Klostermauern, hinter denen die heilige Adula lebte – sie gehören heute zur Klosterschenke. Auf der anderen Seite umgeben den Garten die weiß verputzten, mit roten und gelben Steinsäulen und -bögen verzierten Apsis-Fassaden der Marienstiftskirche. Ein Gotteshaus, das in den hohen Mauern eines römischen Palastes errichtet wurde. Dem „Palatiolum“, also dem „Palästchen“, das Pfalzel seinen Namen gab.
Dieser Garten grenzte also unmittelbar an einen römischen Palast an! Ob dessen hochrangige Bewohner hier in ihren Tuniken damals auch schon Blumen und Gemüse anbauten, fragt man sich und lässt den Blick über die liebevoll angelegten Beete streifen, wo die Tulpen und Narzissen blühen, die ersten Salate und grünen Zwiebeltriebe sprießen, während der Braunkohl sich palmengleich Richtung Himmel streckt. Von alten Pfalzeler Pflastersteinen umrahmt, wirken die Beete frisch gejätet und gestriegelt. Der Boden ist dunkel und fruchtbar. Weiß beschriftete Schiefertäfelchen erklären den Besuchern genau, was wo wächst. Kein Unkräutchen ist zu sehen.
Schon bevor eine kleine Abordnung des Freundeskreises, der sich um dieses Fleckchen Erde kümmert, das schmiedeeiserne Tor am Ende der Stiftstraße durchschritten hat, um die Reporterin zu treffen, hat der Garten selbst davon berichtet, wie viel Herzblut und Liebe in ihn investiert wird.
Vor der sanierten Nikolaus-Kapelle, die im Zentrum des Kirchgartens steht, erzählen Gisela Neukirch, Sigrid Vollrath und Hermann-Josef Laros nicht ohne Stolz, wie sie und andere vor nur fünf Jahren damit begannen, das völlig zugewucherte, „struppige Wiesengelände“zu befreien und mit Zustimmung der Kirche peu à peu, Abschnitt für Abschnitt in einen Nutzgarten zu verwandeln.
Und in einen Ort der Ruhe, an dem jeder willkommen ist, sich auf einer der Sitzbänke niederzulassen, den Bienen und Vögeln zuzuhören oder auch Inspiration für die eigenen Beete zu suchen und zu finden. So ein kleines Hochbeet, so eine Kräuterspirale, so ein uriger Braunkohl, das wäre doch was!
Ein alter Taufbrunnen aus der Pfalzeler Martinskirche steht im kreuzförmigen Zentrum des Gemüsegartens. Ein anderes großes Taufbecken wurde mithilfe eines riesigen Krans aus dem Garten des Pfarrhauses gehievt und bildet nun das Prunkstück eines neuen, von Lavendel und Rosen gesäumten „Boulevards“.
Dazu muss man wissen: Jedes Wegelchen hat hier seinen eigenen Namen bekommen, den man in geschwungener Schreibschrift auf Schiefertäfelchen lesen kann. Da wären die „Viale Monasterio“oder die „Nikolaus-Allee“.
Während die Gartenfreunde gerade lachend davon berichten, wie die Köche bei der Fernsehsendung „Lecker an Bord“mit Gemüse aus dem Pfalzeler Garten kochten („der Braunkohl hat uns gerettet“, alles andere Gemüse sei schon hinüber gewesen), stößt ein Besucher hinzu. Fotograf und Filmer Carsten Zecheus macht samt Familie gerade Urlaub in seiner alten Studienstadt Trier und ist vom Kirchgarten derart beeindruckt, dass er dort gerne einen Film drehen möchte. Die ganze Atmosphäre habe ihn begeistert, das geschützte Mikroklima zwischen den alten Mauern, die alten Gemüsesorten ... Die Erlaubnis erteilen die Gartenfreunde gerne.
Produktion dieser Seite: Ralf Jakobs
Tatsächlich setzen die ehrenamtlichen Helfer auf alte, seltene oder regionale Sorten, die man im Supermarkt sicher nicht findet. Wie die Zuckererbse „Trier Kristallglas“oder die marmorierte „Pfalzeler Rölleschenbohne“. Auch zahlreiche hübsche Stauden und Kräuter findet man hier. Die ersten wurden vor fünf Jahren aus den Privatgärten der Freundeskreis-Mitglieder gespendet, der bereits 2020 beim Trierer Gartenwettbewerb in der Kategorie „Gemeinschaftsgärten – Oasen der Artenvielfalt in Trier“den 1. Platz ergatterte.
Dass beim Gärtnern immer mal wieder uralte, menschliche Knöchelchen auftauchen, weil das Gelände im Lauf seiner langen Geschichte wohl auch ein Friedhof war, und dass sie diese Knochen sammeln, um sie später beizusetzen, das berichten die Gartenfreunde lächelnd. Ganz ohne Schaudern oder Entsetzen. Schließlich sind auch dies Zeugnisse der Geschichte eines außergewöhnlichen Ortes, der schon seit Jahrtausenden von Menschen genutzt wird.