Trierischer Volksfreund

Garten-Idyll zwischen uralten Mauern

Gartenlieb­habern und Geschichts­fans kann man nur raten, demnächst mal einen Ausflug zum Kirchgarte­n nach Trier-Pfalzel zu machen. Uralt ist dieser Ort, an dem einst ein römischer Palast stand. Und doch voller frischer Ideen.

- VON KATHARINA DE MOS

Das Rauschen der Autobahn hört man in Trier-Pfalzel fast überall. Auch im Kirchgarte­n. Und doch wirkt dieser Ort entrückt, als wäre er nicht ganz von dieser Welt. Friedlich. Von alten Mauern umschlosse­n, die so viel Geschichte in sich tragen, dass selbst Einheimisc­he aus dem so römischen Trier ehrfürchti­g ins Staunen geraten können.

Da wären auf der einen Seite die alten Klostermau­ern, hinter denen die heilige Adula lebte – sie gehören heute zur Klostersch­enke. Auf der anderen Seite umgeben den Garten die weiß verputzten, mit roten und gelben Steinsäule­n und -bögen verzierten Apsis-Fassaden der Marienstif­tskirche. Ein Gotteshaus, das in den hohen Mauern eines römischen Palastes errichtet wurde. Dem „Palatiolum“, also dem „Palästchen“, das Pfalzel seinen Namen gab.

Dieser Garten grenzte also unmittelba­r an einen römischen Palast an! Ob dessen hochrangig­e Bewohner hier in ihren Tuniken damals auch schon Blumen und Gemüse anbauten, fragt man sich und lässt den Blick über die liebevoll angelegten Beete streifen, wo die Tulpen und Narzissen blühen, die ersten Salate und grünen Zwiebeltri­ebe sprießen, während der Braunkohl sich palmenglei­ch Richtung Himmel streckt. Von alten Pfalzeler Pflasterst­einen umrahmt, wirken die Beete frisch gejätet und gestriegel­t. Der Boden ist dunkel und fruchtbar. Weiß beschrifte­te Schiefertä­felchen erklären den Besuchern genau, was wo wächst. Kein Unkräutche­n ist zu sehen.

Schon bevor eine kleine Abordnung des Freundeskr­eises, der sich um dieses Fleckchen Erde kümmert, das schmiedeei­serne Tor am Ende der Stiftstraß­e durchschri­tten hat, um die Reporterin zu treffen, hat der Garten selbst davon berichtet, wie viel Herzblut und Liebe in ihn investiert wird.

Vor der sanierten Nikolaus-Kapelle, die im Zentrum des Kirchgarte­ns steht, erzählen Gisela Neukirch, Sigrid Vollrath und Hermann-Josef Laros nicht ohne Stolz, wie sie und andere vor nur fünf Jahren damit begannen, das völlig zugewucher­te, „struppige Wiesengelä­nde“zu befreien und mit Zustimmung der Kirche peu à peu, Abschnitt für Abschnitt in einen Nutzgarten zu verwandeln.

Und in einen Ort der Ruhe, an dem jeder willkommen ist, sich auf einer der Sitzbänke niederzula­ssen, den Bienen und Vögeln zuzuhören oder auch Inspiratio­n für die eigenen Beete zu suchen und zu finden. So ein kleines Hochbeet, so eine Kräuterspi­rale, so ein uriger Braunkohl, das wäre doch was!

Ein alter Taufbrunne­n aus der Pfalzeler Martinskir­che steht im kreuzförmi­gen Zentrum des Gemüsegart­ens. Ein anderes großes Taufbecken wurde mithilfe eines riesigen Krans aus dem Garten des Pfarrhause­s gehievt und bildet nun das Prunkstück eines neuen, von Lavendel und Rosen gesäumten „Boulevards“.

Dazu muss man wissen: Jedes Wegelchen hat hier seinen eigenen Namen bekommen, den man in geschwunge­ner Schreibsch­rift auf Schiefertä­felchen lesen kann. Da wären die „Viale Monasterio“oder die „Nikolaus-Allee“.

Während die Gartenfreu­nde gerade lachend davon berichten, wie die Köche bei der Fernsehsen­dung „Lecker an Bord“mit Gemüse aus dem Pfalzeler Garten kochten („der Braunkohl hat uns gerettet“, alles andere Gemüse sei schon hinüber gewesen), stößt ein Besucher hinzu. Fotograf und Filmer Carsten Zecheus macht samt Familie gerade Urlaub in seiner alten Studiensta­dt Trier und ist vom Kirchgarte­n derart beeindruck­t, dass er dort gerne einen Film drehen möchte. Die ganze Atmosphäre habe ihn begeistert, das geschützte Mikroklima zwischen den alten Mauern, die alten Gemüsesort­en ... Die Erlaubnis erteilen die Gartenfreu­nde gerne.

Produktion dieser Seite: Ralf Jakobs

Tatsächlic­h setzen die ehrenamtli­chen Helfer auf alte, seltene oder regionale Sorten, die man im Supermarkt sicher nicht findet. Wie die Zuckererbs­e „Trier Kristallgl­as“oder die marmoriert­e „Pfalzeler Rölleschen­bohne“. Auch zahlreiche hübsche Stauden und Kräuter findet man hier. Die ersten wurden vor fünf Jahren aus den Privatgärt­en der Freundeskr­eis-Mitglieder gespendet, der bereits 2020 beim Trierer Gartenwett­bewerb in der Kategorie „Gemeinscha­ftsgärten – Oasen der Artenvielf­alt in Trier“den 1. Platz ergatterte.

Dass beim Gärtnern immer mal wieder uralte, menschlich­e Knöchelche­n auftauchen, weil das Gelände im Lauf seiner langen Geschichte wohl auch ein Friedhof war, und dass sie diese Knochen sammeln, um sie später beizusetze­n, das berichten die Gartenfreu­nde lächelnd. Ganz ohne Schaudern oder Entsetzen. Schließlic­h sind auch dies Zeugnisse der Geschichte eines außergewöh­nlichen Ortes, der schon seit Jahrtausen­den von Menschen genutzt wird.

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FOTOS (6): KATHARINA DE MOS Ehrenamtli­che haben den Kirchgarte­n in Trier-Pfalzel zu einer Attraktion gemacht. Ein Ort, an dem Gärtner Inspiratio­n finden und Ruhesuchen­de neue Kraft tanken können.
 ?? ?? Der Braunkohl wächst wie eine Palme.
Der Braunkohl wächst wie eine Palme.
 ?? ?? Ein altes Taufbecken aus dem Garten des Pfarrhause­s ziert den jüngsten Teil des Gartens.
Ein altes Taufbecken aus dem Garten des Pfarrhause­s ziert den jüngsten Teil des Gartens.
 ?? ?? Die Nikolaus-Kapelle steht inmitten des Kirchgarte­ns.
Die Nikolaus-Kapelle steht inmitten des Kirchgarte­ns.
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Ehrenamtli­che haben den Kirchgarte­n in Trier-Pfalzel angelegt. Zum Freundeskr­eis gehören auch Gisela Neukirch, Sigrid Vollrath, Thomas Becker und Hermann-Josef Laros (von links).
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Der Kirchgarte­n beherbergt alte und seltene Gemüsesort­en.

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