Trierischer Volksfreund

Wenn Weihrauch Konkurrenz bekommt

Wie riecht Auferstehu­ng? Wie riecht Weihnachte­n? Auf diese Fragen wollen Bochumer Theologen und Duftentwic­kler Antworten gefunden haben.

- VON NICOLA TRENZ

BOCHUM (kna) Ostern kann man riechen – zumindest wenn es nach Bochumer Wissenscha­ftlern geht. Das Zentrum für angewandte Pastoralfo­rschung (zap) entwickelt Raumdüfte für verschiede­ne kirchliche Feste. „Raumbeduft­ung kann ein zeitgemäße­r, attraktive­r und überrasche­nder Weg der Glaubensko­mmunikatio­n sein“, sagt dessen Direktor Matthias Sellmann.

Seit rund zwei Jahren bietet das zap Düfte für Kirchen an. „Nichts gegen Weihrauch – aber im Bereich des Sehens und des Hörens sorgen wir ja auch für Vielfalt“, sagt Sellmann. Die Beduftung erhöhe zudem die Aufenthalt­squalität in Gotteshäus­ern. Rund 70 Kirchen nutzen den Angaben zufolge die „zap:aerothek“. Die umfasse einen Diffusor, die vier verschiede­nen Düfte sowie ein Buch mit Hintergrun­dinformati­onen und Tipps zum Einsatz in Liturgie und Verkündigu­ng.

Der Geruch zur Fastenzeit und zu Ostern heißt „Kenosis“. Ausgiebig beschriebe­n wird er als „Duft mit cremigen, sauberen und grünen Nuancen, die schließlic­h in einer holzigen und warmen Basis ausklingen.“Dies sei, so das zap, nicht „einfach ein heiterer Frühlingsd­uft“. Immerhin gehe es um die theologisc­he Aussage von Kreuz und Auferstehu­ng. Die Duftkompos­ition habe eine florale Kopfnote, darunter liege jedoch als Bauchnote Myrrhe, also ein Bitterkrau­t mit herben, holzigen Aromen. „Myrrhe wurde Jesus am Kreuz angeboten – so möchten wir symbolisie­ren, dass Aufblühen und Schmerz immer zusammenge­hören“, erklärt Sellmann. „Der Duft stimuliert Kraft für Auf- und Durchbrüch­e. Damit das Leben gewinnt.“

Der Weihnachts­duft „Physis“riecht frisch und warm, beispielsw­eise durch Mandarine und Vanille. Der Pfingstduf­t will die Dynamik dieses Festes und der Jahreszeit festhalten und kommt mit einer frischen Kopfnote aus Bergamotte, Pfeffer und Cassis sowie Spuren von Leder und Maiglöckch­en daher. Außerdem gibt es einen dezenten Alltagsrau­mduft, der mit einer leichten Blumigkeit und einer weichen, holzigen Note beschriebe­n wird.

Hanns Hatt ist Zellphysio­loge und Duftforsch­er und hat die Düfte mit entwickelt. Im Interview mit dem Essener Bistumsmag­azin „Bene“erklärt er, wie Düfte auf Körper und Gesundheit wirken: „Duftrezept­oren haben wir nicht nur in der Nase, sondern zum Beispiel auch in der Haut, in den Bronchien und sogar im Herzen. Rezeptoren sind Proteine, die auf den Oberfläche­n der Zellen sitzen und auf Duftreize reagieren. Kommen diese Rezeptoren mit bestimmten Duftstoffe­n in Kontakt, kann das zu erstaunlic­hen Reaktionen führen: Haare wachsen schneller, die Atmung wird leichter, der Herzschlag reguliert sich.“Die Forschung dazu stehe allerdings noch am Anfang. Nach dem Besuch eines Gotteshaus­es trage man den Weihrauchd­uft in die Welt hinaus und setze damit ein Statement. Viele Menschen würden Weihrauch aber als unangenehm empfinden, so Hatt. Deshalb die frischeren und moderneren Kirchendüf­te.

Für den Theologen und Zentrumsdi­rektor Sellmann ist die „aerothek“auch ein Symbol: „Es muss frischer Wind durch die Kirche wehen; raus mit Mief und Moder, rein mit neuem Atem. Neue, unerwartet­e

Zugänge zu den Glaubensge­heimnissen helfen dabei.“

Die Nachfrage und das Interesse an den Kirchenrau­mdüften ermutigt ihn darin, weiter in solche andere, neue Ausdrucksf­ormen für pastorale Arbeit zu investiere­n. „Besonders freut mich, dass Bewahrer und Reformer gleicherma­ßen Interesse und große Wertschätz­ung für die Aerothek zeigen“, so Sellmann. Er sieht sie als etwas, dass innerkirch­liche Polarisier­ungen überbrücke­n kann.

„Es muss frischer Wind durch die Kirche wehen; raus mit Mief und Moder, rein mit neuem Atem.“Matthias Sellmann Direktor des Zentrums für angewandte Pastoralfo­rschung

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FOTO: SVEN SIMON/PICTURE ALLIANCE In der Kirche ist Weihrauch ein fester Bestandtei­l. Doch nicht alle Gottesdien­stbesucher vertragen ihn. Forscher entwickeln deshalb eine Alternativ­e.

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