Manchmal muss eine Demokratie kampfbereit sein – oder ist Frieden durch Diplomatie realitätsnäher? Ukraine-Krieg
Zum Leserbrief „Sollen wir uns in den Krieg mit Russland begeben? Nein!“(TV, 14. März) sowie zu den Artikeln „EU soll mehr Waffen für Ukraine beschaffen“und „Mützenich nach Rede zur Ukraine-Politik massiv in der Kritik“(TV, 16. März):
Ist es etwa die Stellungnahme des Papstes oder die Mehrheitsmeinung der Deutschen, die den SPDFraktionsvorsitzenden im Bundestag, Rolf Mützenich, ermutigt hat, einen „Paradigmenwechsel“in der Ukraine-Russland-Politik in die Diskussion zu werfen? Jedenfalls ist es gut, dass Mützenich anregt, diplomatische Alternativen zur Befriedung des Ukraine-RusslandKonflikts in den Blick zu nehmen. Denn mehr Waffen befeuern nur den Krieg und erschweren oder verhindern den Weg zum Frieden. Aufgrund der ungeheuerlichen russischen Aggression und der Gräueltaten fällt es ungeheuer schwer, weg von kriegerischer Reaktion in Richtung diplomatischer Verhandlungslösung umzudenken. Dazu müsste man zunächst den Krieg „einfrieren“und dann versuchen, durch internationale Verhandlungsaktivitäten zu einem akzeptablen Friedensschluss zu kommen. Das wäre sicher nicht einfach, hat aber nichts mit „Russland-Romantik“zu tun, wie es der CDU-Stratege Roderich Kiesewetter formuliert. Der Weg zum Frieden durch Diplomatie ist realitätsnäher als jeder kriegerische Lösungsversuch. Denn letztlich wird man an einer Verhandlungslösung sowieso nicht vorbeikommen, die je früher umso mehr Tote, Verletzte und Zerstörung verhindern würde. Es ist zu vermuten, dass Scholz dieses im Sinn hatte und sich deshalb auch lange in der Frage der Tauruslieferung zurückgehalten hatte. Deshalb ist das Verhalten des Bundeskanzlers weniger als zögerlich, denn als verantwortungsbewusst zu bewerten. Und hoffentlich wird dies allmählich auch in der breiten Öffentlichkeit so gesehen. Eine Verhandlungslösung zum Frieden ist nur unter Beteiligung Chinas, der USA, Europas und der direkten Kontrahenten denkbar.
Letzteren allein die Verantwortung zu überlassen, ist weder sinnvoll noch erfolgversprechend. Nicht nur China dürfte großes Interesse an einer Befriedung haben, weil fast jede wirtschaftliche Prosperität in hohem Maße von intakten internationalen Beziehungen abhängt. Das wäre demnach ein mächtiger Hebel, den man nutzen könnte, alle an den Verhandlungstisch zu bringen.
Wir müssen lernen, auch mit nichtkompatiblen Nachbarn friedlich zusammenzuleben. Dazu gehören Geduld und die Bereitschaft, Ängste anderer akzeptieren zu können, selbst wenn diese real unbegründet erscheinen.
Peter Grasmück, Taben-Rodt
In letzter Zeit tauchen an dieser Stelle immer mehr Leserbriefe zum Thema Ukraine-Krieg und der damit verbundenen Unterstützung der Ukraine auf, welche ein Ende der Waffenlieferungen fordern, um Putin nicht noch mehr herauszufordern, beziehungsweise um
Leben zu retten.
Dazu erlaube ich mir jedoch vorab schon einmal folgende Feststellungen: Putin hat den Krieg begonnen und könnte ihn innerhalb kürzester Zeit beenden. Putin ist Autokrat und führt ein autokratisches Land. Russland ist nicht mehr die Sowjetunion, hat heute die Wirtschaftskraft und die militärische „Stärke“einer Regionalmacht. Putin ist weder Selbstmörder noch dumm. Wir – die EU, also fast der komplette mittel- und westeuropäische Teil Europas, – und die Nato sind militärisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich bei Weitem mächtiger als Russland. Putin greift uns schon seit geraumer Zeit im Cyberraum an.
Putin versucht, die westlichen Demokratien mittels Desinformation und Einflussnahme in verschiedenster Form (soziale Medien, Falschnachrichten) zu schwächen, auszuhöhlen und zu Fall zu bringen. Auch wenn dies heutzutage wohl nichts mehr gilt, bezeichne ich mich als Demokraten, der Frieden auch über alles schätzt. Aber manchmal muss eine Demokratie auch kampfbereit sein, Autokraten und Diktatoren in ihre Schranken weisen beziehungsweise Länder, die dies tun, unterstützen.
Falls die Lieferung von Taurus und dergleichen dabei hilft, bin ich dafür, das meiner Meinung nach kalkulierbare Risiko (einer Eskalation) einzugehen. Außerdem muss ich noch eines entgegnen: Wenn die Ukrainer aufhören zu kämpfen, wird es keine Ukraine mehr geben, ein Großteil der Menschen wird in Lagern verschwinden, und wir werden Russland als nächsten Kriegsgegner an unserer Flanke begrüßen dürfen. Soll das ein Frieden sein? Auch ist die Frage bei einer Niederlage dann nur: Werden wir dann bereit sein oder immer noch über Firlefanz diskutieren?
Wir taumeln leider in diese Richtung … also bitte weniger Angst und gut gemeinte Beschwichtigungspolitik und wieder mehr starke Demokratie wagen.
Thomas Degen, Newel