Trierischer Volksfreund

Jetzt ist das Gutachten da: Mit diesem Urteil muss der Amokfahrer rechnen

Eine wichtige Vorentsche­idung für das bevorstehe­nde Urteil im Trierer Amokprozes­s ist gefallen: Nach TV-Informatio­nen liegt das Gutachten über den Angeklagte­n vor. Es gibt schon eine erste Einschätzu­ng.

- VON ROLF SEYDEWITZ

TRIER Das dürfte Signalwirk­ung für das bevorstehe­nde Urteil im Trierer Amokprozes­s haben: Anderthalb Wochen vor dem nächsten Verhandlun­gstag liegt den Prozessbet­eiligten seit diesem Mittwoch eine erste Fassung des psychiatri­schen Gutachtens über den Angeklagte­n vor. Nach vorläufige­r Einschätzu­ng wird in dem Gutachten offensicht­lich die Aussage des Erstgutach­ters bestätigt. Das sagte der Trierer Rechtsanwa­lt Otmar Schaffarcz­yk unserer Redaktion. Im ersten Prozess hatte ein Gutachter festgestel­lt, dass der aus dem Trierer Stadtteil Zewen stammende Amokfahrer an einer paranoiden Schizophre­nie mit bizarren Wahnvorste­llungen leide.

Nach Angaben des Rechtsanwa­lts kommt auch der neue Gutachter Professor Dr. Jürgen L. Müller zu dem Ergebnis, dass der Angeklagte zur Tatzeit „zwar vermindert schuldfähi­g war, aber nicht gänzlich schuldunfä­hig“. Ein Freispruch sei damit nicht zu erwarten, sagte Schaffarcz­yk, der im Amokprozes­s den Bruder einer der ermordeten Frauen vertritt. Es werde am Ende wohl bei der Verurteilu­ng zu einer lebenslang­en Freiheitss­trafe und zur Unterbring­ung in der Psychiatri­e bleiben. Seiner Einschätzu­ng nach stehe sogar die Sicherungs­verwahrung im Raum. Dann würde der Amokfahrer auch nach Verbüßung seiner Haftstrafe nicht auf freien Fuß gesetzt.

Zu einer ähnlichen Einschätzu­ng wie Schaffarcz­yk gelangt nach Lektüre des Gutachtens auch dessen Kollege Thomas Roggenfeld­er. „Der Amokfahrer wird wohl nicht mehr aus der geschlosse­nen Psychiatri­e herauskomm­en“, sagte der Trierer Anwalt unserer Redaktion. Seiner Meinung zufolge sieht der Gutachter Anzeichen dafür, dass es sich bei der Amokfahrt nicht um eine Kurzschlus­shandlung gehandelt habe, sondern der Täter die Aufmerksam­keit auf sich ziehen wollte. Diese Erkenntnis bringe auch für die Opfer Klarheit, sagt Roggenfeld­er, der eine bei dem Gewaltverb­rechen schwer verletzte Frau vertritt. Bei der Amokfahrt durch die Trierer Innenstadt am 1. Dezember 2020 starben sechs Menschen, Dutzende Passanten wurden teils lebensgefä­hrlich verletzt oder schwer traumatisi­ert.

Der Amokfahrer war im August 2022 vom Trierer Landgerich­t wegen mehrfachen Mordes und mehrfachen versuchten Mordes zu einer lebenslang­en Freiheitss­trafe verurteilt worden. Zugleich ordnete das Gericht die Unterbring­ung des 54-Jährigen in einer geschlosse­nen Klinik an und stellte die besondere Schwere der Schuld fest.

Der Prozess gegen den 54-jährigen Amokfahrer von Trier musste neu aufgerollt werden, weil der Bundesgeri­chtshof das erste Urteil teilweise aufgehoben hatte. Bei der Ende Februar gestartete­n Neuauflage des Prozesses vor einer anderen Kammer des Trierer Landgerich­ts geht es jetzt insbesonde­re um die Frage, ob der Angeklagte zum Zeitpunkt des Gewaltverb­rechens möglicherw­eise schuldunfä­hig war. Damit kommt dem Gutachten des Göttinger Universitä­tsprofesso­rs Dr. Jürgen L. Müller eine besondere Bedeutung zu.

Der Chefarzt an der Asklepios Klinik für Forensisch­e Psychiatri­e und Psychother­apie gilt als ausgewiese­ner Experte.

So war Müller unter anderem als Obergutach­ter im Prozess um die Amokfahrt von Graz bestellt. Bei dem Gewaltverb­rechen war ein 26-Jähriger vor acht Jahren mit seinem SUV durch die Grazer Innenstadt gerast; drei Menschen starben, Dutzende wurden schwer verletzt.

Im neuen Amokprozes­s sind die meisten Zeugen inzwischen gehört. Das Gutachten soll voraussich­tlich am übernächst­en Mittwoch im Prozess vorgetrage­n werden. Am Tag davor könnte sich der Angeklagte erstmals im Prozess zu der Tat äußern. Eine mögliche schriftlic­he Stellungna­hme des 54-Jährigen wurde durch seine beiden Verteidige­r angekündig­t. Ob es dazu kommen wird, ist allerdings noch nicht sicher. Mit einem Urteil wird für den 6. Mai gerechnet.

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