Jetzt ist das Gutachten da: Mit diesem Urteil muss der Amokfahrer rechnen
Eine wichtige Vorentscheidung für das bevorstehende Urteil im Trierer Amokprozess ist gefallen: Nach TV-Informationen liegt das Gutachten über den Angeklagten vor. Es gibt schon eine erste Einschätzung.
TRIER Das dürfte Signalwirkung für das bevorstehende Urteil im Trierer Amokprozess haben: Anderthalb Wochen vor dem nächsten Verhandlungstag liegt den Prozessbeteiligten seit diesem Mittwoch eine erste Fassung des psychiatrischen Gutachtens über den Angeklagten vor. Nach vorläufiger Einschätzung wird in dem Gutachten offensichtlich die Aussage des Erstgutachters bestätigt. Das sagte der Trierer Rechtsanwalt Otmar Schaffarczyk unserer Redaktion. Im ersten Prozess hatte ein Gutachter festgestellt, dass der aus dem Trierer Stadtteil Zewen stammende Amokfahrer an einer paranoiden Schizophrenie mit bizarren Wahnvorstellungen leide.
Nach Angaben des Rechtsanwalts kommt auch der neue Gutachter Professor Dr. Jürgen L. Müller zu dem Ergebnis, dass der Angeklagte zur Tatzeit „zwar vermindert schuldfähig war, aber nicht gänzlich schuldunfähig“. Ein Freispruch sei damit nicht zu erwarten, sagte Schaffarczyk, der im Amokprozess den Bruder einer der ermordeten Frauen vertritt. Es werde am Ende wohl bei der Verurteilung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe und zur Unterbringung in der Psychiatrie bleiben. Seiner Einschätzung nach stehe sogar die Sicherungsverwahrung im Raum. Dann würde der Amokfahrer auch nach Verbüßung seiner Haftstrafe nicht auf freien Fuß gesetzt.
Zu einer ähnlichen Einschätzung wie Schaffarczyk gelangt nach Lektüre des Gutachtens auch dessen Kollege Thomas Roggenfelder. „Der Amokfahrer wird wohl nicht mehr aus der geschlossenen Psychiatrie herauskommen“, sagte der Trierer Anwalt unserer Redaktion. Seiner Meinung zufolge sieht der Gutachter Anzeichen dafür, dass es sich bei der Amokfahrt nicht um eine Kurzschlusshandlung gehandelt habe, sondern der Täter die Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollte. Diese Erkenntnis bringe auch für die Opfer Klarheit, sagt Roggenfelder, der eine bei dem Gewaltverbrechen schwer verletzte Frau vertritt. Bei der Amokfahrt durch die Trierer Innenstadt am 1. Dezember 2020 starben sechs Menschen, Dutzende Passanten wurden teils lebensgefährlich verletzt oder schwer traumatisiert.
Der Amokfahrer war im August 2022 vom Trierer Landgericht wegen mehrfachen Mordes und mehrfachen versuchten Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Zugleich ordnete das Gericht die Unterbringung des 54-Jährigen in einer geschlossenen Klinik an und stellte die besondere Schwere der Schuld fest.
Der Prozess gegen den 54-jährigen Amokfahrer von Trier musste neu aufgerollt werden, weil der Bundesgerichtshof das erste Urteil teilweise aufgehoben hatte. Bei der Ende Februar gestarteten Neuauflage des Prozesses vor einer anderen Kammer des Trierer Landgerichts geht es jetzt insbesondere um die Frage, ob der Angeklagte zum Zeitpunkt des Gewaltverbrechens möglicherweise schuldunfähig war. Damit kommt dem Gutachten des Göttinger Universitätsprofessors Dr. Jürgen L. Müller eine besondere Bedeutung zu.
Der Chefarzt an der Asklepios Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie gilt als ausgewiesener Experte.
So war Müller unter anderem als Obergutachter im Prozess um die Amokfahrt von Graz bestellt. Bei dem Gewaltverbrechen war ein 26-Jähriger vor acht Jahren mit seinem SUV durch die Grazer Innenstadt gerast; drei Menschen starben, Dutzende wurden schwer verletzt.
Im neuen Amokprozess sind die meisten Zeugen inzwischen gehört. Das Gutachten soll voraussichtlich am übernächsten Mittwoch im Prozess vorgetragen werden. Am Tag davor könnte sich der Angeklagte erstmals im Prozess zu der Tat äußern. Eine mögliche schriftliche Stellungnahme des 54-Jährigen wurde durch seine beiden Verteidiger angekündigt. Ob es dazu kommen wird, ist allerdings noch nicht sicher. Mit einem Urteil wird für den 6. Mai gerechnet.