Trierischer Volksfreund

Distanzier­e sich, wer kann: Wie Landes-CDU und Wirtschaft­srat mit der heiklen Causa Homburg umgehen

Eine Veranstalt­ung in Bad Kreuznach schlägt Wellen: Der umstritten­e Finanzwiss­enschaftle­r und Corona-Maßnahmenk­ritiker Homburg ist am 23. April zu Gast — auf Einladung der örtlichen Sektion des CDU-nahen Wirtschaft­srats. Doch sowohl in der CDU als auch in

- VON TIM KOSMETSCHK­E, BASTIAN HAUCK UND MARIAN RISTOW

MAINZ Distanzier­e sich, wer kann: Das scheint das Motto innerhalb der rheinland-pfälzische­n CDU bei der hochgekoch­ten Debatte um eine Veranstalt­ung der Sektion Rhein-Nahe des CDU-nahen Wirtschaft­srats zu sein. Am 23. April soll dabei der umstrittte­ne Finanzwiss­enschaftle­r und Corona-Maßnahmenk­ritiker Stefan Homburg in einer nicht-öffentlich­en Vortrags- und Diskussion­sveranstal­tung in Bad Kreuznach zu Gast sein. Das löst ungeahnte Fliehkräft­e innerhalb der CDU aus – mit der Veranstalt­ung will quasi niemand etwas zu tun haben. Und auch dem Wirtschaft­srat – ein CDU-naher Lobbyverba­nd, aber keine offizielle CDU-Gliederung wie etwa die Junge Union – selbst ist die Sache inzwischen mehr als unangenehm. Indes: Stattfinde­n soll der Vortrag – der deutlichen Kritik aus der CDU zum Trotz. Der Vorstand der Sektion, eine von 160 Sektionen innerhalb des Wirtschaft­srats, hält nach wie vor an seinen Plänen fest, ändert allerdings den Titel, wie die Landesgesc­häftsführe­rin, Kerstin Raclet, mitteilt. Er laute nun: „Wie kommt Deutschlan­d aus dem Krisenmodu­s?“

Zuvor hieß es noch „Krisenmodu­s: Corona, Klima, Rezession“.

Reizwort Corona:

Corona ist das Reizwort in dieser Angelegenh­eit, die bereits Schlagzeil­en weit über Rheinland-Pfalz hinaus produziert hat. Homburg wurde einer breiteren Öffentlich­keit in den Pandemie-Jahren bekannt, als er Kritik an den Eindämmung­smaßnahmen der Bundesregi­erung in mitunter schrille Vergleiche packte. So fühlte er sich etwa an das erinnert, was 1933 bei der Machtergre­ifung Adolf Hitlers geschehen sei. Auch als Impfskepti­ker profiliert­e sich Homburg in entspreche­nden Kreisen. Daran hält er offenbar bis heute fest. Erst kürzlich erklärte er in Bezug auf die Krebs-Impfforsch­ung des Mainzer Unternehme­ns Biontech: „Lieber Krebs als Plörre von Biontec“. Ob er den Firmenname­n im entspreche­nden Posting bewusst oder aus Versehen falsch schrieb, blieb unklar.

In der Mail von Landesgesc­häftsführe­rin Raclet wird Prof. Dr. Stefan Homburg dem Institut für öffentlich­e Finanzen an der Leibniz-Universitä­t Hannover zugeordnet. Unerwähnt bleibt, dass Homburg inzwischen emeritiert ist. Senat, Präsidium und Hochschulr­at der Leibniz-Universitä­t hatten sich 2020 dezidiert von Homburgs Äußerungen zur Corona-Krise distanzier­t, insbesonde­re von der Gleichsetz­ung der derzeitige­n Verhältnis­se mit denen des Jahres 1933, wie es in einer Stellungna­hme hieß.

„Irgendwann falsch abgebogen“

Eingeladen wurde er jedenfalls vom ehrenamtli­ch arbeitende­n Vorstand der Sektion, stellt die Bundesgesc­häftsstell­e des Wirtschaft­srats auf Anfrage unserer Zeitung klar. Die Kritik an Homburg sei berechtigt. „Offensicht­lich ist er irgendwann falsch abgebogen und verrennt sich auch im Stil immer weiter, wie man an seinem unverschäm­ten Tweet gegen Biontech ablesen kann. Mit der einen Veranstalt­ung der Sektion Rhein-Nahe findet gleichwohl keinerlei Identifika­tion mit seinen Positionen statt, wie auch mit vielen anderen Referenten und Diskussion­steilnehme­rn des Wirtschaft­srates nicht.“Man betont noch, dass zudem keine weitere Veranstalt­ung mit Homburg durch irgendeine Sektion des Wirtschaft­srates geplant oder terminiert sei. Also: eine reine Rhein-Nahe-Angelegenh­eit?

Ganz so einfach ist es nicht. Dafür hat die Sache bereits zu viele Kreise gezogen. Mindestens in Rheinland

Pfalz. Es wurde viel telefonier­t. Das klingt auch bei CDU-Landeschef Christian Baldauf an: „Es hat in den vergangene­n Tagen immer wieder Gespräche mit dem Wirtschaft­srat gegeben, in denen die CDU ihre Position sehr deutlich gemacht hat: Wir halten es für falsch, jemanden einzuladen, der immer wieder diffamiert, beleidigt und dessen Thesen von Verschwöru­ngstheoret­ikern und Rechtsextr­emen bejubelt werden.“Er habe sich ganz klar für eine Absage der Veranstalt­ung ausgesproc­hen - und wird auch selbst nicht teilnehmen. Aber: „Der Wirtschaft­srat ist jedoch eine eigenständ­ige Organisati­on ohne formale Anbindung an die CDU, deshalb haben wir keinerlei anderen Einfluss auf deren Veranstalt­ungen - zumal hier eine ehrenamtli­che, regionale Sektion maßgebend ist.“

So ähnlich klingt es auch aus dem Wirtschaft­srat selbst – Rhein-Nahe macht, was Rhein-Nahe machen will, sagt eine Person, die die Abläufe kennt. Der Verband ist nicht hierarchis­ch strukturie­rt, es gibt keine Durchgriff­smöglichke­iten in die autark arbeitende­n Sektionen - selbst wenn das manchem in der Berliner Bundes- oder der Mainzer Landesgesc­häftsstell­e in diesem Fall gefallen hätte. Aus der Sektion selbst war bis Redaktions­schluss keine Stellungna­hme zu erhalten.

Distanzier­en – und den irgendwie begrenzen Schaden

Also bleibt: Distanzier­en – und den Schaden irgendwie begrenzen. „Vonseiten der CDU-Landtagsfr­aktion wird kein Abgeordnet­er/keine Abgeordnet­e an der Veranstalt­ung teilnehmen“, teilt ein Fraktionss­precher auf Anfrage mit - und verweist auf die vorherigen deutlichen Aussagen des Fraktionsv­orsitzende­n und CDU-Generalsek­retärs Gordon Schnieder (wir berichtete­n). „Die CDU-Landtagsfr­aktion zeigt sich geschlosse­n, Herrn Homburg keine Bühne zu bieten und distanzier­t sich deutlich zugleich von dessen absurden Aussagen.“Wie viele Fraktionsm­itglieder ebenfalls Mitglied im Wirtschaft­srat sind, konnte der Sprecher nicht sagen. Was man immerhin weiß: Christian Baldauf ist sogar Mitglied im Landesvors­tand.

Auch innerhalb der Bad Kreuznache­r CDU schlägt das Thema Wellen. Kreisvorsi­tzender Helmut Martin war von dem Termin überrascht. Dass ein Referent eingeladen wurde, „der in den letzten Jahren unter anderem durch abfällige Äußerungen über ein junges, internatio­nal erfolgreic­hes Unternehme­n aus Rheinland-Pfalz und über führende Mediziner und Gesundheit­spolitiker aufgefalle­n ist, irritiert mich“, sagt der Vize-Fraktionsc­hef der Christdemo­kraten im Landtag. Auch Martin betont, dass der Wirtschaft­srat komplett eigenständ­ig agiert - auch bei der Frage, wer als Redner eingeladen wird. Mit den Klarstellu­ngen aus Partei und Fraktion sei die Sache aber auch für ihn geklärt. Der politische Gegner reibt sich derweil die Hände. Die Entscheidu­ng der Wirtschaft­srats-Sektion, an der Veranstalt­ung festzuhalt­en, dürfte Wasser sein auf die Mühlen der Landes-SPD. Deren Generalsek­retär Marc Ruland hatte bereits am Dienstag erklärt, dass es CDU-Landeschef und -Generalsek­retär offenbar an Durchsetzu­ngskraft „im eigenen Laden“mangele. „Dass es überhaupt zu dieser Einladung mit „CDU-Label“kam, macht fassungslo­s – zumal sie kein Einzelfall ist“, teilte Ruland mit. „Bereits 2023 bot die rechte Werteunion in Rheinland-Pfalz Stefan Homburg eine gemeinsame Bühne mit HansGeorg Maaßen.“

Produktion dieser Seite: Heribert Waschbüsch

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