Trierischer Volksfreund

Lauterbach­s Klinikatla­s verzögert sich

Der Gesundheit­sminister gibt den Ländern die Schuld. Die Kliniken sehen die Krankenhau­sreform vor dem Scheitern: Die Finanzieru­ng verfehle ihre Wirkung, Länder würden entmachtet. Schon 40 Kliniken sind insolvent.

- VON JAN DREBES UND ANTJE HÖNING

BERLIN Patienten in Deutschlan­d müssen wohl noch Geduld haben: Der von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD) durchgeset­zte Klinikatla­s könnte erst später an den Start gehen als bislang geplant. Lauterbach verwies am Donnerstag in Berlin auf die Verzögerun­gen im Gesetzgebu­ngsverfahr­en, weswegen die Übersicht im Internet möglicherw­eise nicht bereits ab 1. Mai zur Verfügung stehen werde, sondern bis zu zwei Wochen später. Über den Online-Atlas sollen sich Patienten über die Qualität bestimmter Eingriffe in den rund 1700 Krankenhäu­sern in Deutschlan­d informiere­n können.

Lauterbach machte für den möglicherw­eise späteren Start die Verzögerun­g des dazugehöri­gen Gesetzes im Bundesrat verantwort­lich: Dort hatten die Länder das Vorhaben zunächst ausgebrems­t, es wurde erst nach Einschaltu­ng des Vermittlun­gsausschus­ses in einer zweiten Abstimmung gebilligt.

Die Kliniken sehen die Schuld dagegen beim Minister. „Die praktische Umsetzung des Transparen­zverzeichn­isses ist völlig unklar. Gegenwärti­g ist deshalb offen, wann das Verzeichni­s veröffentl­icht und welche Daten dieses enthalten wird“, sagte Gerald Gaß, Chef der Deutschen Krankenhau­sgesellsch­aft (DKG). Klar sei, dass den Kliniken neue Pflichten auferlegt würden: „Diese betreffen insbesonde­re viele kleinteili­ge Meldungen im Bereich des Personals, die keinen Mehrwert bieten.“Zudem fehle den Kliniken das dafür nötige digitale Meldeverfa­hren. Der Atlas sei im übrigen unnötig, da sich Patienten schon heute umfassend über die Qualität der Kliniken informiere­n könnten.

Das Transparen­zgesetz war ein erster Teil einer großen Krankenhau­sreform, die nun folgen soll. Diese sei im Zeitplan und auf der „Zielgerade­n“, betonte Lauterbach am Donnerstag nach einem Treffen mit Vertretern der Kommunen. Der Minister zeigte sich optimistis­ch, dass das zentrale Krankenhau­sfinanzier­ungsgesetz am 24. April vom Bundeskabi­nett

Gerald Gaß

beschlosse­n wird.

Ziel der Reform ist eine neue Struktur, die die Kliniken in drei Level einteilt. Sie sollen sich auf bestimmte Leistungen spezialisi­eren, manche sollen schließen. Lauterbach zufolge soll es einen „geordneten Umbau und Rückbau“der deutschen Klinikland­schaft geben. „Es ist unstrittig, dass wir deutlich zu viele Krankenhäu­ser haben“, sagte der SPD-Politiker.

Ein dramatisch­es Klinikster­ben wolle er verhindern, bislang habe es sieben Insolvenze­n gegeben.

Dazu hat die Krankenhau­sgesellsch­aft ganz andere Zahlen: „Bundesweit haben seit Ende 2022 mehr als 40 Standorte Insolvenz angemeldet, allein im Januar sind sechs weitere dazugekomm­en“, hatte DKG-Chef Gerald Gaß schon im Februar gesagt. Wenn die Kliniken nicht schnell einen Inflations­ausgleich vom Bund bekämen, könnten dieses Jahr 80 Kliniken pleitegehe­n.

Gaß sieht Lauterbach­s Reform vor dem Aus: „Die große Krankenhau­sstrukturr­eform wurde von Seiten des Ministeriu­ms so schlecht gemanagt, dass sie vor dem Scheitern steht. Wir haben noch immer keinen abgestimmt­en Referenten­entwurf“, sagte der DKG-Chef unserer Redaktion.

Der „Nichtentwu­rf“, den der Minister Medien gegeben habe, beschreibe auf über 15 Seiten nur den Aufwuchs an Bürokratie, ohne dass zentrale Ziele erreicht würden. So sei eine Vorhaltefi­nanzierung geplant, die ihre Wirkung verfehle, und eine Krankenhau­splanung nach Leistungsg­ruppen, die sich weit vom NRW-Modell entfernt habe und die Länder entmachte.

„Die praktische Umsetzung des Transparen­zverzeichn­isses ist völlig unklar.“

Chef der Deutschen Krankenhau­sgesellsch­aft

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FOTO: JULIANE SONNTAG/IMAGO Nach dem Willen von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD) sollen sich Patienten per Online-Atlas über die Qualität bestimmter Eingriffe in den rund 1700 Krankenhäu­sern in Deutschlan­d informiere­n können.

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