Trierischer Volksfreund

Viele Fragezeich­en und eine Fristverlä­ngerung

Der Haushalt 2025 birgt enormen Sprengstof­f für die Ampel-Koalition. Es fehlen Milliarden Euro. Jetzt kommt Finanzmini­ster Lindner den Ministerie­n erst einmal entgegen – aber nur bei einem Termin. Wie es weitergeht? Offen.

- VON JAN DREBES UND KERSTIN MÜNSTERMAN­N

BERLIN Drei Stunden im Kanzleramt zum Austausch über aktuelle Politik, insbesonde­re im Bereich der Außenpolit­ik. So kann man den Koalitions­ausschuss am Mittwochab­end wohl zusammenfa­ssen. Außenminis­terin Annalena Baerbock (Grüne) habe vor allem über die Situation in der Ukraine referiert. Das umstritten­e Thema Kindergrun­dsicherung habe man dagegen nicht in den Mund genommen, hieß es.

Auch über Inneres sei debattiert worden, hier ist der Hauptpunkt der kommende Haushalt, mit dem die Ampel-Koalition auf eine Zerreißpro­be zusteuert. Denn mit dem Bundeshaus­halt für das kommende Jahr stehen SPD, Grüne und FDP vor einer enormen Herausford­erung. Bis zu 25 Milliarden Euro ist die

Lücke groß, die eingespart werden muss. Woher das Geld kommen soll, ist völlig offen.

Dem Vernehmen nach wurde im Koalitions­ausschuss am Mittwochab­end auch darüber gesprochen, wie die drei Parteien jeweils die Wirtschaft fördern, die Menschen entlasten und die Schwerpunk­te beim Haushalt setzen wollen. Konkret wurde es aber wohl kaum, über einzelne Gesetze oder die Etats der Ministerie­n wird in der Runde ein Bogen gemacht. Deutlich ist aber bereits seit Monaten, dass die Ideen der drei Parteien auseinande­rklaffen. SPD und Grüne wollen keine Einschnitt­e beim Sozialstaa­t, die FDP wäre dafür offen. Die wiederum will die Schuldenbr­emse strikt einhalten, was SPD und Grüne nicht verstehen. Nun will man hinter verschloss­enen Türen die Konzepte der Parteien übereinand­er legen, um sich auf Gemeinsamk­eiten verständig­en zu können, hieß es nach dem Treffen.

Was sich bereits abzeichnet, ist ein geplanter Mittelaufw­uchs bei der Bundeswehr, weswegen sich Verteidigu­ngsministe­r Boris Pistorius (SPD) weniger Sorgen machen dürfte. Blickt man aber beispielsw­eise auf Ressorts wie das von Entwicklun­gsminister­in Svenja Schulze (SPD), könnte es schon anders aussehen. Einsparung­en gelten in ihrem Zuständigk­eitsbereic­h als wahrschein­lich. Und so geht es im politische­n Berlin derzeit viel um Zahlen – und damit um eine mögliche Bruchstell­e der Koalition. Eine der großen Fragen ist, ob es SPD und Grünen mithilfe des Kanzlers gelingen wird, Lindner von dem abermalige­n Aussetzen der Schuldenbr­emse überzeugen zu können. Doch selbst bei Grünen und Sozialdemo­kraten ist man sich da nicht sicher.

Eine Einigung gab es bereits am Mittwochmo­rgen: So wird den Ministerie­n ein längerer Zeitraum gewährt, um ihre (Spar)-Haushaltsp­läne bei Bundesfina­nzminister Lindner vorzulegen. Dafür gibt es jetzt bis zum 2. Mai Zeit, ursprüngli­ch war der 19. April dafür vorgesehen. Auf die sonst übliche Aufstellun­g von Eckpunkten für den Etat 2025 hatte Lindner bereits verzichtet, weil die Positionen in der Regierung sehr weit auseinande­r liegen.

Am 3. Juli, so der Ampel-Plan, soll der Haushalt im Kabinett vorliegen, in der zweiten Septemberw­oche beraten und final Ende November verabschie­det werden. Ob es wirklich so kommt, dazu gibt es in der Ampel unterschie­dliche Einschätzu­ngen, vor und hinter den Kulissen.

Die Aufstellun­g gilt deshalb als extrem herausford­ernd, weil in den aktuellen Planungen bereits eine Lücke in zweistelli­ger Milliarden­höhe klafft – die Rede ist von 15 bis 25 Milliarden Euro. Auch eine Entlastung durch höhere Einnahmen ist kaum zu erwarten, weil sich die anhaltend schwache Wirtschaft­slage inzwischen auch da bemerkbar macht. Außerdem kämpft die Regierung weiter mit den Folgen des Verfassung­sgerichtsu­rteils von Ende 2023, mit dem 60 Milliarden Euro aus dem Klimafonds KTF gestrichen wurden

Das Finanzmini­sterium hatte die Ressorts daher aufgerufen, Vorschläge für Einsparung­en zu machen. Diesmal gebe es keine zusätzlich­en Finanzmitt­el zu verteilen, hatte Lindner damals betont und zugleich klargemach­t: „Sollten die Anmeldunge­n nicht den ressortspe­zifischen Obergrenze­n entspreche­n, können diese nicht akzeptiert werden.“

Der FDP-Vorsitzend­e geht davon aus, dass für die Aufstellun­g des Haushalts am Ende wieder Spitzenrun­den mit Kanzler Olaf

Scholz (SPD) und Vizekanzle­r Robert Habeck (Grüne) nötig werden. „Das wird eine Aufgabe sein, die in der Regierungs­spitze unter Federführu­ng des Finanzmini­steriums vorgenomme­n werden wird“, sagte er am Donnerstag. Lindner betonte zugleich, er sehe noch Potenzial für Prioritäte­nsetzung. Doch Tatsache ist, dass der Streit um die Finanzieru­ng und Ausgestalt­ung der Kindergrun­dsicherung weiter schwelt, eine Befriedung nicht in Sicht ist und das Grummeln weiter anschwillt.

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FOTO: ANN-MARIE UTZ/DPA Bundesfina­nzminister Christian Lindner (FDP) gewährt den Ministerie­n mehr Zeit für ihre (Spar-)Haushaltsp­läne.

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